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gar vernachlässigt.

      Damit ist auch schon gesagt, was das Buch zu leisten vermag. Es ist ein Begleitband zu der Vorlesung und richtet sich darüber hinaus an all jene „Fachfremden“, die Interesse an dem Kulturgeschehen im Zeitalter der Gotik haben. Die Lektüre soll einen Überblick geben, soll Basiswissen vermitteln und dazu motivieren, das ein oder andere Thema eingehender zu studieren.

      Dem entspricht auch der strukturelle Aufbau des Buches, mit einem Verzeichnis zu Überblickswerken und aktueller Forschungsliteratur, geordnet nach den behandelten Kapiteln, und einem ausführlichen Glossar, das fachspezifische Termini erörtert, um gezielte Mehrinformationen zu erhalten. Die in dem Band besprochenen Bild- und Bauwerke sind, gemessen an dem erhaltenen Bestand an gotischen Kunstwerken, zwangsläufig von geringer Zahl; diskutiert werden dabei jene Hauptwerke gotischer Kunst, die in ausgesprochen guter Fotoqualität im Internet dokumentiert sind. Dementsprechend ist auch der Abbildungsteil bewusst reduziert gehalten und bildet nur jene Werke ab, die schwer auffindbar sind.

      Die Idee und die Anregung zu diesem Buchprojekt kamen von Ursula Huber vom Böhlau-­Verlag. Volker Manz übernahm das professionelle Lektorat des Manuskripts; Ralf Kapalla und

      [<<7] Seitenzahl der gedruckten Ausgabe

      Franziska Creutzburg waren für die Herstellung verantwortlich. Ihnen allen möchte ich meinen Dank aussprechen.

      Karl Brunner las mit unermüdlichem Einsatz und kritischem Auge mein Manuskript. Durch zahlreiche Gespräche steuerte er viele inhaltliche Anregungen bei und motivierte mich, dieses Unternehmen zu Ende zu führen. Für seine Unterstützung und Hilfestellung bin ich ihm sehr verbunden.

      Daniela Tollmann gebührt ein großes Dankeschön für ihren beharrlichen Einsatz beim Korrekturlesen.

      Rat, Hilfe, Aufmunterung und Zuspruch kamen von Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunden. Für die vielen anregenden Gespräche und spannenden Diskussionen möchte ich mich bei Marc Grellert, Eva Maria Hirsch, Rainer Hahn, Felicitas Hausner, ­Eveline Lackner, Thomas Meixner, Kurt Mitteregger, Michael Viktor Schwarz, Herwig Weigl und Franz Zehetner herzlich bedanken.

      Barbara Schedl, Januar 2013

      [<<8]

      1.1 Annäherung an den Begriff „Gotik“

      „Kunst der Gotik“ steht für jene Epoche, die gemeinhin mit jenem Kunst- und Kulturgeschehen bezeichnet wird, das gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts zunächst in Frankreich zu beobachten ist und sich dann, bis in das frühe 16. Jahrhundert, in verschiedenen europäischen Land­strichen ausweitete. Humanistische Gelehrte „vor allem der italienischen Renaissance“ prägten diese Bezeichnung, als sie die Baukunst nördlich der Alpen beschrieben. Das heißt, dass zur fraglichen Zeit der Wortgebrauch „Gotik“ noch gar nicht existierte. Etymologisch leitet sich der Begriff von dem germanischen Volk der Goten ab, die in spätantiker Zeit oft in Konflikt mit den Römern standen.

      So findet sich der Terminus „Gotik“ erstmals in der italienischen Ausgabe Della pittura libri tre 1435 von Leon Battista Alberti (1404–1472), und etwas später, 1440, unterscheidet Lorenzo Valla (1406–1457) zwischen gotischen und römischen Buchstaben, wobei alles Gotische in seinen Ausführungen als barbarisch bezeichnet wird. Ebenso spricht Giorgio Vasari 1550 u. a. von maniera tedesca oder maniera de’ Goti und Questa maniera fu trovata dai Goti, womit er ebenso seine Geringschätzung gegenüber der Kunst des Nordens zeigt, denn diese sei „etwas, dem jegliche Harmonie abgeht und das man am ehesten als Durcheinander und Unordnung bezeichnen kann“.

      Noch ganz in der Tradition von Giorgio Vasari steht Johann Georg Sulzer (1720–1779) in seiner „Allgemeinen Theorie der Schönen Künste“ (1778). Erst Johann Wolfgang von Goethe stellt sich gegen diese allgemeine negative Auffassung in seinem Aufsatz „Von deutscher Baukunst“ (1772). Die damit einsetzende positive Würdigung erreicht in Franz Kuglers „Handbuch der Kunstgeschichte“ 1842 einen ersten Höhepunkt.

      Damals setzen auch die ersten bauhistorischen bzw. denkmalpflegerischen Auseinandersetzungen mit den gotischen Bauten ein. Der Kunsthistoriker und Restaurator Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc (1814–1879) analysierte die Konstruktionsprinzipien der großen Kathedralbauten und hob den Fortschritt in Technik und Ingenieurwesen hervor. Seine umfangreichen und detaillierten Untersuchungen und Schnittzeichnungen, u. a. zur Kathedrale von Amiens, besitzen noch heute größte Aktualität. In den folgenden Jahren entstanden zahlreiche Kirchen, Schulen, Fabriken und Eisenbahnbauten, die neugotische Formen verwendeten und die, im Verständnis der damaligen Zeit, hochtechnisierten gotischen Konstruktionsprinzipien umsetzten. Man vollendete damals den bereits im 13. Jahrhundert begonnenen Kölner Dom. Auch am Weiterbau des Mailänder Doms im 19. Jahrhundert lernten viele europäische Architekten, z.B. der Erbauer des neugotischen Wiener Rathauses, Friedrich von Schmidt.

      [<<9] Seitenzahl der gedruckten Ausgabe

      Neben der rationalistischen, bautechnischen Betrachtungsweise gotischer Baukunst setzte sich ein zweiter Standpunkt zur Analyse gotischer Objekte durch, der auf Bildsprache und -inhalt ausgerichtet war. Ein früher Vertreter dieses ikonografischen Denkmodells gotischer Kunst ist der französische Gelehrte Emile Mâle (1862–1954). Er betrachtete Kathedralen, als wären sie „Bücher aus Stein“, in denen man lesen könne, und versuchte dadurch die Bedeutung von deren Formenrepertoire zu erklären.

      Wichtige Beiträge zur gotischen Kunst leisteten fortan im 20. Jahrhundert Georg Dehio, Hans Jantzen, Max Dvořàk, Hans Sedlmayr, Erwin Panofsky, Otto von Simson, Dieter ­Kimpel und Robert Suckale, wobei hier formanalytische sowie stilkritische und ikonografische bzw. ikonologische Aspekte im Vordergrund standen – also Betrachtungs- und Interpretations­modelle, die sich auf Form und Inhalt der Objekte konzentrierten. Dies änderte sich ab den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts, als unter dem Einfluss der französischen Schule der ­Annales auch funktionsgeschichtliche Aspekte der Bauten und Kunstgegenstände miteinbezogen wurden und damit eine Annäherung an die Lebenswirklichkeit aller Bereiche zur Grundlage des Forschungsinteresses gemacht wurde. Jacques LeGoff, Jean-Claude Schmidt und Michael Camille trugen hierzu wesentlich bei.

      Diese kurzen Ausführungen lassen schon erahnen, dass es sich um ein äußerst mühsames Unterfangen handeln würde, „Gotik“ zu definieren, wurde doch dieser kulturelle Zeitabschnitt bereits von vergangenen Forschergenerationen aus völlig unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet und interpretiert. Ein gewisses Rahmengerüst ist allerdings notwendig, um Kunstwerke einordnen zu können bzw. sich mit deren geschichtlicher Entwicklung und Errungenschaften auseinandersetzen zu können.

      So hat man seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Einordnungssysteme entwickelt, die sich auf die Betrachtung der Kunstwerke stützen, um (anonyme) Werke verorten und datieren zu können. Neben dem Terminus „Gotik“ etablierten sich besonders für die Kunstgattung der Architektur Unterkategorien wie „Früh-“, „Hoch-“ und „Spätgotik“, um eine zeitliche Differenzierung vornehmen zu können. Es gibt aber auch Begrifflichkeiten, die geografische Klassi­fizierungen in den Vordergrund stellen, wie etwa „Early English“ oder „Deutsche Sondergotik“ oder „Internationaler Stil“, und Termini, die Formen explizit beschreiben wollen: So steht „Zackenstil“ für die hartbrüchigen Faltenkonfigurationen in den Bildkünsten, die um 1300 auftreten. „Weicher Stil“ beschreibt schönlinige Oberflächen, die um 1400 in den Bildkünsten zu finden sind, „flamboyant“ steht für flammenartig ausgebildete Maßwerkformen, die ab 1370 auftreten, und „perpendicular“ bezeichnet die Geradlinigkeit von Schmuckelementen der spätgotischen, englischen Architektur. Daneben gibt es Bezeichnungen, die die Materialität der Bauten hervorheben, wie etwa der Terminus „Backsteingotik“. Bei all diesen Unterkategorien sollen jedoch nicht die übergreifenden Gemeinsamkeiten und Charakteristika der materiellen Ausdrucksformen aus den Augen verloren werden, die bereits in der Renaissance als vertikal, emporsteigend, illusionistisch und gebrechlich beschrieben wurden.

      Es kann aber nicht allein bei der Analyse der Formen und einer Deutung verwendeter Symbole bleiben, es bedarf vielmehr auch eines mentalitätsgeschichtlichen Zugangs, der die massiven Veränderungen der Zeit und

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