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an und meinte nur: »Pack es einfach aus, du wirst schon sehen.« Eine wunderschöne Kette mit leuchtenden kristallblauen Steinen kam zum Vorschein, ich schaute ihn verwundert an. »Die Steine der Kette haben die gleiche Farbe wie deine Augen, sie passt zu dir. Ich möchte dir etwas schenken, weil ich deinen Mut und deine Lebensfreude als etwas Besonderes erachte.« Das erste Kennenlernen zwischen uns hört sich kitschig an. Für mich war dieser Abend einfach nur heiter und schön. Ich ging positiv gestimmt nach Hause, freute mich über das unerwartete Präsent und vor allem über dessen Begründung. Gu sagte mir später, dass er sich bereits an diesem Abend in mich verliebt hat. In der Folgezeit ließ er über Larina immer wieder Grüße an mich übermitteln. Ehrlich gesagt, das tat mir sehr gut, es beruhigte mein verwundetes Herz und schmeichelte natürlich auch meinem Ego. Es sorgte zusätzlich dafür, dass ich nicht wieder in ständige Grübeleien verfiel, warum ich wieder einmal allein war. Nach und nach eroberte Gu mein Herz und überzeugte mich davon, wie ernst es ihm mit mir war. Das, was ich mir immer gewünscht hatte, einen Menschen zu finden, der ohne Wenn und Aber ja sagt, ich habe ihn in Gu gefunden. Oft denke ich, dass Gu in mein Leben getreten ist, damit ich täglich daran erinnert werde, bewusst und auf meine innere Stimme hörend, meinen neuen Weg zu gehen. Er ist eine Antwort auf eine meiner vielen Fragen, aber ich habe ihn nur gefunden, weil ich mich auf den Weg zu mir selbst gemacht habe. Auf den Weg, der mein eigener und nur für mich bestimmte Weg ist.

      Im Dezember, zwischen den Jahren, nahm ich am Seminar »Der Weg ins Licht« teil. Bei diesem spirituellen Seminar geht es im Wesentlichen darum zu erkennen, welche Qualitäten man in seinem Leben bereits lebt und welche sich noch verbergen. Sich bewusst zu machen, was man in sich trägt, und das Vertrauen und das Selbstbewusstsein zu entwickeln, dieses auch nach außen zum Ausdruck zu bringen und es zu leben. Sita, die spirituelle Leiterin, arbeitete dabei unter anderem mit den verschiedenen Chakren. Die Tage am Bodensee, das Seminarzentrum lag nur unweit davon entfernt, waren entspannend, sehr intensiv und in vielerlei Hinsicht klärend. Mir wurde einmal mehr deutlich, wie eng meine Beziehung zu meinem Glauben ist, aber auch was Stille und Meditation bewirken und auslösen können. Durch das Miteinander mit den anderen Teilnehmern spürte ich, wie gerne ich mich auf andere Menschen einlasse. Ich genoss die entstehende Gruppendynamik und den Wunsch, gemeinsam für jeden Einzelnen ein gutes Fortkommen und Ergebnis zu erreichen.

      Untergebracht war ich auf einem Ferienbauernhof. Die Atmosphäre dort war heimelig, gemütlich und sehr fürsorglich. Die Nähe zum Alltag des Bauernhofes war ein wohltuender Kontrast zu den Tagen vorher, die sich um die neuesten Modetrends für den darauf folgenden Winter gedreht hatten. Der Geruch des nahen Kuhstalls, der Duft der überall herumliegenden Apfelprodukte und die liebevolle Gastfreundschaft der jungen Bauernfamilie ließen mich so richtig zur Ruhe kommen. Es hatte zudem geschneit und anders als beim münsterschen Schmuddelwetter konnte man hier in eine weihnachtlich-besinnliche Stimmung eintauchen. Die Spaziergänge zwischendurch und ab und zu auch am Abend, manchmal unter wunderbar klarem Sternenhimmel, öffneten mich zusätzlich für die Seminararbeit. Ich fühlte mich als Teil von Gott und empfand eine Energie, die mich durchflutete und die ganze Woche über begleitete.

      Am Ende des Seminars bekam jeder Teilnehmer von Sita einen Satz geschenkt, der die jeweilige Lebensaufgabe beschreiben sollte. Dieser Satz bewegte mich sehr: Wahrheit und Frieden so in mir in Einklang zu bringen, dass ich damit die Herzen anderer Menschen berühre. »Was bedeutet er eigentlich?«, fragte ich mich. Für mich sagte er aus, dass ich meine eigene Wahrheit finde, Erkenntnisse in mir suchen und reifen lasse, sie in Übereinstimmung mit mir selbst bringe. Darüber hinaus Harmonie und Ausgleich im persönlichen Inneren zu erlangen, um inneren Frieden zu verspüren. Wahrheit und Frieden, zwei wunderbare und sehr erstrebenswerte Ziele, so in sich selbst in Einklang zu bringen, also mit sich selbst im Reinen, im Konsens zu sein, um damit als wahrhaftiger, authentischer, in sich ruhender Mensch andere Menschen zu berühren.

      Die Aufgabe drückte für mich auch noch eine weitere wichtige Erkenntnis aus: Der innere Wachstumsprozess muss mit dem äußeren Sein und Tun konform gehen. Ich kann nicht im Inneren in Harmonie bleiben, wenn meine Wünsche, Ziele und Visionen im Außen keine Entsprechung finden. Auch heute denke ich, dass in diesem Satz genau die Wahrheit für mein Leben liegt, die ich gesucht habe. Ich habe sie zwar immer noch nicht vollständig gefunden, aber ich bin ihr ein sehr, sehr großes Stück näher gekommen.

      Im Februar, nach den großen Stoffmessen, wurde die Entscheidung meiner Kündigung den Mitarbeitern und Kollegen mitgeteilt. Es gab keine einheitliche Reaktion, wie auch, die Menschen und ihre Empfindungen sind verschieden. Eines wurde mir aber deutlich entgegengebracht: Verständnis und Respekt. An meinem letzten Tag, während einer kleinen Abschiedsfeier, kam dies ganz besonders zum Ausdruck. Ich bekam ein Bildobjekt von der Künstlerin Susanne Hegmann sowie ein liebevoll gestaltetes Erinnerungsalbum geschenkt. Alle Abteilungen hatten sich an dem Album beteiligt. Auf vielen Seiten waren darin Wünsche für meine Zukunft in Weisheiten, Gedichten und Texten zum Ausdruck gebracht worden. Was mich am meisten berührte, sie hatten sich mit mir als Menschen auseinandergesetzt, sich mit meinen Motiven beschäftigt und auch meinen Abschied für mich als Start in einen neuen Lebensabschnitt begriffen. Sie verstanden, wie schwer mir dieser Schritt trotz allem fiel, dass ich nicht nur in eine neue, ungewisse Zukunft ging, sondern auch, dass ich quasi meine Familie verließ, und sie machten mir deshalb Mut. Eine der vielen Weisheiten lautete: »Viele Wege führen zum Ziel, aber nur dein eigener Weg führt dich ins Glück.« Ich sehe noch heute die Gesichter vor mir. Neugierde, Anerkennung, Zuneigung, Wohlwollen, aber auch Skepsis und Verwunderung spiegelten sich auf den Gesichtern wider. Viele kannten mich schon eine Ewigkeit. Schon als Teenager hatten meine Geschwister und ich in den Ferien in der Firma gejobbt, andere waren mit mir zur Schule gegangen. Es war ein sehr persönlicher Abschied und deshalb ging ich nicht nur traurig, sondern auch glücklich und zufrieden nach Hause. Etwas ganz Entscheidendes verstand ich an diesem Tag aber auch. Es war nicht wichtig, was Menschen, die mich nur von außen wahrnahmen und oberflächlich kannten, über mein Ausscheiden aus dem Familienunternehmen spekuliert und vermutet hatten und welche falschen Schlussfolgerungen sie daraus gezogen hatten. Es war nur entscheidend, was die Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung dachten. Sie hatten meine Kündigung als das wahrgenommen, was sie war. Es war überflüssig, an die in der Fachpresse im März veröffentlichte negative Berichterstattung über mein Ausscheiden überhaupt einen Gedanken zu verschwenden. Sie war es nicht wert, negative Gefühle in mir hochkommen zu lassen. Die, die meine Familie und mich kannten, wussten, dass nichts Negatives zwischen uns vorgefallen war.

      Einen Monat später wollten wir aufbrechen und uns auf unsere Pilgerreise begeben. Wir, das waren Gu und ich. Irgendwann im Laufe des Frühjahres hatte er gefragt, ob er mitkommen könne. Zunächst war ich skeptisch, was sollte ich antworten, eigentlich wollte ich den Weg doch alleine gehen. Fairerweise muss ich aber zugeben, dass mein Respekt vor dieser Unternehmung mit den zunehmenden Reisevorbereitungen und dem sich nahenden Reisedatum immer mehr wuchs. Die Tragweite des Pilgerns wurde mir immer mehr bewusst. Deshalb wies ich das Ansinnen Gu’s auch nicht sofort zurück. Er machte den Vorschlag zwei Wochen vor Ende der Reise dazu zu stoßen und den Rest des Pilgerweges bis nach Santiago mit mir zu gehen, da er nur zwei Wochen Urlaub nehmen konnte. Wir überlegten und diskutierten. Irgendwann fasste ich mir ein Herz und sagte ihm, dass ich es besser finden würde, wenn er mich am Anfang begleiten würde. Meine nicht uneigennützigen Gründe verschwieg ich ihm nicht: »Gerade der Beginn der Reise wird für mich nicht einfach sein. Noch nie bin ich mit Rucksack gewandert, seit Jahren bin ich Komfort auf meinen Reisen gewohnt. Und dann bin ich doch in bestimmten Situationen auch ein Angsthase, allein im Dunklen zum Beispiel. Mich macht auch dieser ganz andere Tagesablauf nervös, was, wenn ich es nicht schaffe. Ich finde es schön, wenn du mich die ersten Tage begleitest und ich dann alleine weitergehe. Ich glaube, das ist für mich besser.« Ein Stück weit noch Begleitung, eine Brücke zwischen dem alten Weg und dem neuen Weg, so dachte ich mir, das könnte Gu als Reisebegleitung für mich sein. Er reagierte mit Verständnis, nahm mich liebevoll in den Arm und versprach mir: »Ich bin die ersten Tage gerne dein Beschützer. Ich glaube zwar, dass du mich dazu nicht brauchst. Du schaffst das auch allein.«

      Wir beschlossen, eine Probewanderung im Sauerland durchzuführen. Diese war in erster Linie für mich gedacht. Gu war ein erfahrener Wanderer und Kletterer. Ich wollte ein Gefühl für das bekommen, was vor mir lag. Außerdem hatte Gu einen zweiten Rucksack, den ich zwecks Tragekomforts ausprobieren

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