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der Leistungen respektive der Leistungsfähigkeit erfolgen und nicht zum Beispiel aufgrund der sozialen Herkunft. Dass diese Forderung noch nicht in die Praxis umgesetzt ist, zeigen etwa Studien aus Deutschland. Dort müssen Kinder aus bildungsfernen Familien vergleichsweise höhere Kompetenzen und eine höhere Motivation aufweisen als Kinder aus bildungsnahen Familien, um eine Gymnasialempfehlung zu erhalten.6 Heutige Bildungssysteme müssen zudem für Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit sorgen, sodass frühe Bildungsentscheide revidiert werden können. Auf Sekundarstufe II (Kopenhagen-Prozess) und Tertiärstufe (Bologna-Prozess) werden in Europa gegenwärtig ­grosse Anstrengungen unternommen, um die Durchlässigkeit und Vergleichbarkeit von Abschlüssen und/oder Qualifikationen zu verbessern.7 Ebenfalls bemühen sich viele europäische Länder darum, informell erworbene Kompetenzen bei der weiteren Qualifikation zu erfassen und anzuerkennen. Das deutsche Jugendinstitut hat hierzu zusammen mit weiteren Partnern einen Interviewleitfaden entwickelt.8 Die Flexibilisierung der Berufsbildung birgt gemäss Biermann (2005) neben Chancen auch einige Risiken.

      Wie Fend (2008) ausführt, hat das Bildungswesen sowohl eine gesellschaftlich-kulturelle Reproduktions- und Innovationsaufgabe als auch die Funktion, individuelle Handlungsfähigkeit herzustellen, «die sich in Qualifikationserwerb, Lebensplanung, sozialer Orientierung und Identitätsbildung entfaltet» (ebd., S. 23). Für die Sicherung der Bildungschancen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Dyslexie oder Dyskalkulie in allgemeinbildenden oder berufsbildenden Ausbildungsgängen auf der Sekundarstufe II und der Tertiärstufe stellen sich primär Fragen zu adäquaten Qualifizierungsmöglichkeiten und zu gerechten Zulassungsmechanismen. Welche Gelegenheitsstrukturen (Angebote, Unterstützungsmöglichkeiten) sind erforderlich, damit notwendige Kompetenzen und erforderliche Fähigkeiten ­erworben werden können? Welche Regelsysteme (Zulassungen, Berechtigungen) braucht es, um den ­Zugang zu höheren Ausbildungsgängen zu erhalten und diese erfolgreich abzuschliessen? Zur Sicherung der Bildungschancen der betroffenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind sowohl besondere Überlegungen zur Förderung und Unterstützung als auch zur Vermeidung von Diskriminierungen und Benachteiligungen notwendig. Im Folgenden soll kurz geschildert werden, welche Entwicklungen gegenwärtig in diesen Bereichen im europäischen Raum und in der Schweiz zu beobachten sind.

      1.2 Unterstützungssysteme auf Sekundarstufe II und Tertiärstufe

      Neben den Ausbildungsstätten und den für sie verantwortlichen Stellen bei Bund und Kantonen spielt die Invalidenversicherung eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung von Unterstützungsangeboten und Hilfsmitteln. Gemäss der Verordnung über die Invalidenversicherung (IV) haben Jugendliche und junge Erwachsene mit Eintritt in die erstmalige berufliche Ausbildung Anspruch auf Unterstützungsleistungen der IV – vorausgesetzt, sie werden gemäss den Vorgaben der IV als «invalid» und somit anspruchsberechtigt erachtet. Als erstmalige berufliche Ausbildung gelten neben Berufslehren auch der Besuch einer Mittel-, Fach- oder Hochschule. Entschädigt werden Mehrkosten, die durch die Invalidität entstehen. Dazu gehören: Aufwendungen für die Vermittlung der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten, die Kosten für persönliche Werkzeuge und Berufskleider sowie die Transportkosten. Die Invalidenversicherung geht davon aus, dass solche Einzelmassnahmen adäquat sind; Fragen zu Bildungschancen, lebenslangem Lernen oder Recht auf Bildung können unter der Perspektive von Versicherungsleistungen nicht bearbeitet werden.

      Von grosser Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Art und Weise, wie eine Bedarfsabklärung durchgeführt wird. Nur wenn Behinderung als das Ergebnis der Interaktion zwischen bestimmten Charakteristiken der Umwelt und der Person verstanden wird, fliessen Überlegungen zu Anpassungen der Umwelt in die Bedarfsfeststellung ein. Wie im nächsten Kapitel dargelegt werden soll, ist ein adäquates Verständnis von «Behinderung» eine wichtige Voraussetzung, um diese Analyse vornehmen zu können. Der Bedarf für Massnahmen oder Anpassungen kann sowohl beim Auszubildenden als auch bei den Ausbildenden – respektive den Schulen – liegen. Liegt der Bedarf bei der auszubildenden Person, ist es zudem wichtig, zwischen einem eigentlichen Förderbedarf und einem Bedarf an Beratung oder Assistenz zu unterscheiden. Gerade im Jugendalter kann das Vermitteln von Copingstrategien oder Beratungsangeboten sinnvoller sein als das Absolvieren von Förderprogrammen.

      1.3 Zuweisungs- und Selektionssysteme auf Sekundarstufe II und Tertiärstufe

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