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Theologische Sprachlehre und Homiletik sowie Monismusforschung (All-Einheits-Lehre) und Cyberphilosophy.

      Hans Urs von Balthasar buchstabiert diesen Sachverhalt folgendermaßen aus: Gott spricht zum Menschen mitten aus der Welt, ausgehend von dessen eigenen Erfahrungen. Die Offenbarungssprache setzt die Sprache der Schöpfung voraus. Gott spricht sein Wort im Menschen und darum wird alles, was der Mensch ist, Organ für Gott. Wörtlich: „Je tiefer Gott sich selbst enthüllt, desto tiefer hüllt er sich in den Menschen hinein“ (Balthasar, 92). In dieser qualifizierten Verborgenheit Gottes hat alles Reden Gottes in Menschenwörtern und alles Reden über ihn die Bedingung seiner Möglichkeit (diese Anspielung auf die klassische kantische Formel für transzendentales Denken ist natürlich kein Zufall). Sprachlich gewendet heißt das: Das Wort der Offenbarung transzendiert sich (transitiv) – gleichsam zu uns herüber – in total menschliches Wort. Und weil das so ist, bleibt dem Wort Gottes nichts Menschliches fremd: existentiell, personal, politisch, kulturell. Das gilt auch für die Dimension des Interreligiösen.

      Gleichwohl kulminiert für Christinnen und Christen dieses kommunikative Herüberkommen Gottes ins Menschliche im Inkarnationsgeschehen, sofern in Jesus von Nazareth auf einmalige – wenn auch keineswegs auf einzige – Weise ausgesagt ist, was Gott sagen will. Die ganze Schöpfung ist Resonanzkörper der Selbstaussage Gottes, also werden sich in allen Gestalten von Natur und Kultur – und natürlich auch in anderen Religionen – Verlautbarungen des Redens Gottes finden lassen, möglicherweise in bestimmten Hinsichten prägnanter als in der eigenen biblischen Tradition. Der Einmaligkeit des Gottes-Logos in Christus tut das dabei keinerlei Abbruch, sofern nach christlicher Überzeugung alles in ihm – Christus – geschaffen ist und Bestand hat (also seine innerste Identität gewinnt), wie etwa Kol 1, 15-18 zum Ausdruck bringt. Anselm von Canterbury hat diesen Gedanken spekulativ zum Konstruktionspunkt seiner gesamten philosophisch-theologischen Konzeption vertieft: „Es leuchtet ein […], dass das höchste Wesen alles, was es geschaffen hat, allein durch sich selbst schuf, und dies zwar vermöge seiner inneren Aussprache, sei es, dass es das Einzelne in einzelnen Worten, sei es, dass es vielmehr in einem einzigen Worte zugleich alles aussprach: daher ergibt sich zwingend, dass diese innere Aussprache des höchsten Wesens nichts anderes sein könne, als eben dieses höchste Wesen selbst“ (Anselm von Canterbury, Monologion XII).

      Nur wenn diese innere Aussprache des zu schaffenden Endlichen letztendlich Selbstaussprache des Absoluten ist, bleibt alle Zweiheit, die jegliches Denken des Verhältnisses von Absolutem und Endlichem aporetisch machen würde, ausgeschlossen. Und das impliziert auch, dass es sich bei der inneren Aussprache im Letzten nur um ein einziges Wort handeln kann, in dem alle anderen (vorsprachlichen) Worte als Bilder oder Muster – Anselm: imago bzw. exemplum (Anselm wechselt bisweilen vom akustischen (verbum) ins optische (imago) Paradigma) – der Einzeldinge einbegriffen sind.

      Noch eines will dabei bedacht sein: Jesus ist Wort Gottes in seinem Reden und in seinem Schweigen! Gott muss sich für seine Selbstoffenbarung nicht des Menschen bedienen. Aber wenn er es tut, dann sind damit alle menschlichen Dimensionen für den Ausdruck des Absoluten in Dienst genommen. Genau darin gründet im Übrigen auch das genuin theologische Recht, ja die Notwendigkeit der historisch-kritischen Methode. Ist sie es doch, die mit ihrem Methodeninstrumentar von Quellen-, Literar-, Form-, Redaktions- und Traditionskritik die inkarnatorische Resonanzstruktur als Grundstruktur des in der Bibel niedergelegten „Wortes Gottes“ ernst nimmt. Und dies ist – nach dem eben Erörterten – unverzichtbar für das Verstehen des Wortes Gottes, weil, was Gott zu sagen hat, sich ja genau im genuin Menschlichen des je gesprochenen Wortes mitteilt. Martin Buber hat das in seinem wohl populärsten (manchmal auch missverstandenen) Werk Ich und Du suggestiv auf den Nenner gebracht:

      „Die gewaltigen Offenbarungen, auf die sich die Religionen berufen, sind der stillen wesensgleich, die sich allerorten und allezeit begibt. Die gewaltigen Offenbarungen, die im Anfang großer Gemeinschaften, an den Wenden der Menschenzeit stehen, sind nichts anderes als die ewige Offenbarung. Aber die Offenbarung schüttet sich ja nicht durch ihren Empfänger wie durch einen Trichter in die Welt, sie tut sich ihm an, sie ergreift sein ganzes Element in all seinem Sosein und verschmilzt damit. Auch der Mensch, der ‘Mund’ ist, ist eben dies, nicht Sprachrohr, – nicht Werkzeug, sondern Organ, eigengesetzlich lautendes Organ, und lauten heißt umlauten“ (Buber, 137f.).

      RESONANZ THEORETISCH: KARL RAHNERS HÖRER DES WORTES

      Vor dem Hintergrund des soeben skizzierten Resonanz-Paradigmas der Predigt wird nun aber auch etwas deutlicher sichtbar, dass eines der großen katholischen religionsphilosophischen Werke des 20. Jahrhunderts auch als Philosophie der Verkündigung gelesen werden muss: Karl Rahners Hörer des Wortes (vgl. Rahner 1997). Mit diesem Werk, ursprünglich Vorlesungen auf den Salzburger Hochschulwochen 1937, wollte Rahner – bündig gesagt – die wesentliche und apriorische Hinordnung des Menschen auf eine mögliche Offenbarung ausweisen. Um dieses Anliegen recht zu verstehen, muss man kurz die Hintergründe thematisieren, vor denen Rahner diesen transzendentalen Ansatz ins Auge fasst.

      Man darf der Neuscholastik nicht global Unrecht tun. Man bezeichnet mit diesem Namen den Versuch einer Erneuerung der Scholastik im 19. und 20. Jahrhundert. Man hielt eine solche Philosophie, die sich vorwiegend an Thomas von Aquin, aber nicht nur an ihm orientierte, als Bollwerk gegen den Idealismus und Materialismus aus katholischer Sicht für dringend geboten. Ein eigenes Problem war dabei, inwiefern das, was die Neuscholastik als von Thomas kommend behauptete, tatsächlich von ihm vertreten worden war. Im Grunde handelte es sich bei diesem Projekt um eine verschärfte Version des vor allem amtlichen verordneten Boykotts gegen die gesamte Neuzeit seit Descartes. Einer der wenigen, die diese Ghettoisierung durchbrachen, war Joseph Maréchal. Er trat mit Kant ins Gespräch, um die Möglichkeit einer Metaphysik nach Kant zu erkunden, zog dabei auch andere Autoren zum Zweck einer Kant-Transformation heran, z.B. Fichte. Dieser Versuch einer Vermittlung zwischen Tradition und neuzeitlichem Subjektdenken hat Rahner fasziniert und entsprechend beeinflusst.

      Rahners Perspektive aber verfügt noch über eine andere Wurzel neben dieser als dringlich erkannten Einlösung einer philosophischen Herausforderung. Bei dieser zweiten Wurzel handelt es sich um die ignatianische Spiritualität, genauer um die durch Ignatius von Loyola (1491-1556) grundgelegte Exerzitienerfahrung. Ignatius hat in aufwühlenden biographischen Suchbewegungen einen Weg aufgetan, auf dem der Einzelne für sich den Willen Gottes zu finden vermag. Anders gewendet: In den Exerzitien soll der Mensch zur Entdeckung seiner Gottunmittelbarkeit geführt werden. Logischerweise wird eine theologische Reflexion dieses geistlichen Geschehens in gewissem Umfang den Einzelnen als Einzelnen wie auch hinsichtlich seiner Wahrheitsfähigkeit thematisieren – und findet sich damit Seite an Seite mit den Grundfragen der neuzeitlichen Philosophie. In einer fiktiven Rede des Ignatius von Loyola an einen Jesuiten von heute (vgl. Rahner 2008, 299331), die der alte Rahner zu Papier gebracht hat, kommt das prägnant zum Ausdruck, wenn es dort heißt, es gehöre zum Kern der ignatianischen Spiritualität und sei eine Verwandtschaft mit Luther und Descartes, mit der Möglichkeit einer Erfahrung der Gottunmittelbarkeit zu rechnen (vgl. Rahner 2008, 299-302). Aus dieser doppelten Wurzel, die er in sich schon verschlungen betrachtet, konzipiert Rahner seine Theologie als Mystagogie, als Einführung in jene Erfahrung, die sich dann resonanzförmig kategorisiert und auszeitigt. „Potentia oboedientialis“ (zu übersetzen etwa mit „Fähigkeit zum Ganz-Ohr-sein-Können“) ist Rahners Kennwort dafür.

      RESONANZ PRAKTISCH: KARL RAHNERS GEISTLICHE TEXTE

      Der kerygmatische Resonanz-Charakter von Rahners Ansatz wird erst jetzt, nachdem die Ausgabe seiner Sämtliche[n] Werke nahezu abgeschlossen ist, zur Gänze fassbar, weil erst durch diese Edition unmittelbar zur Geltung kommt, wie umfänglich geistliche Texte aus Rahners Feder – Meditationen, (Fasten-)Predigten, Gebete – parallel zu seinen akademischen Tätigkeiten niedergeschrieben wurden und – nach des Autors ausdrücklicher Bekundung – gleichrangig neben den theoretischen Werken stehen. Nicht von ungefähr hatte sich der alte Rahner gegen Lebensende gewünscht, „die in seinen Werken zerstreuten Gebete zu sammeln und zu einer Art gebeteten Dogmatik zusammenzustellen“ (Lehmann, XXIX).

      In vielen dieser geistlichen Texte begegnet Rahner sozusagen in erster Person Singular als Resonanzkörper des in sein Herz gesprochenen

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