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denen wir im Augenblick identifiziert sind, sie verstellen uns unseren Zugang zu Präsenz und Offenheit. Erst durch ein klares Erkennen unserer jeweiligen Identifizierung kann sich unser Geist wieder weiten und unser Herz sich öffnen.

      Reflektiere:

      Kannst du gerade die Vollkommenheit und Schönheit des Lebens und der Menschen empfinden?

      Welche Vorstellungen, Ängste oder Ziele hindern dich daran, unvoreingenommen, annehmend und in Liebe zu schauen?

      In Präsenz und Liebe andere Menschen zu sehen, ist nicht nur mit unserem Partner möglich. Es braucht keine besondere Situation dazu. Es braucht auch keine Erwiderung. Wir sind jederzeit frei, Menschen auf diese Weise zu begegnen und zu sehen. Das geht bei unseren Kindern genauso wie bei der Nachbarin, die uns ihre Leidensgeschichte erzählt. Bei den Liebsten ebenso wie bei unserer Chefin oder unseren Kolleginnen. Bei unseren Eltern ebenso wie bei der Bettlerin auf der Straße.

      Immer werden sich die Menschen in unserer Gegenwart wohler fühlen und entspannen, da sie das Gefühl haben, sein zu können und angenommen zu sein. Sein lädt Sein ein. Wenn uns jemand annimmt und sieht, werden wir zunehmend entspannen und auf Masken und Anstrengungen verzichten. Wir können entspannen und fühlen uns auf eine schlichte Weise angenommen und geliebt. Diese Wirkung wird sich auch bei anderen mehr oder weniger immer einstellen, wenn wir Menschen aus einer Haltung von Präsenz und Liebe begegnen.

       Was es ist

       Es ist Unsinn

       sagt die Vernunft

       Es ist was es ist

       sagt die Liebe

       Es ist Unglück

       sagt die Berechnung

       Es ist nichts als Schmerz

       sagt die Angst

       Es ist aussichtslos

       sagt die Einsicht

       Es ist was es ist

       sagt die Liebe

       Es ist lächerlich

       sagt der Stolz

       Es ist leichtsinnig

       sagt die Vorsicht

       Es ist unmöglich

       sagt die Erfahrung

       Es ist was es ist

       sagt die Liebe

      ERICH FRIED1

       Verändert euch nicht!

       Der Drang nach Veränderung ist der Feind der Liebe. Meint nicht, euch selbst verändern zu müssen: nehmt euch an und liebt euch so wie ihr seid.

       Verweigert euch dem Drang, andere ändern zu wollen: liebt alle anderen so, wie sie sind. Und verändert nicht die Welt: Sie ist in Gottes Hand, und Er weiß.

       Wenn ihr euch so verhaltet, dann werden Veränderungen auf wunderbare Weise von selbst eintreten – zu ihrer eigenen Zeit. Gebt euch dem Strom des Lebens hin… frei und unbeschwert von Gepäck!

      ANTHONY DE MELLO2

      TEIL 2

      Annahme

      Auf einen Berg zu wandern kann eine heilsame Erfahrung sein: das schlichte Gehen, die Natürlichkeit der Landschaft und die Weite, die uns sichtbar und spürbar umgibt. Das Tal mit seinen alltäglichen Sorgen und Nöten lassen wir weit unter uns und mit der Zeit bekommen wir wieder ein Gefühl für uns als Mensch in unserer Einfachheit und Natürlichkeit.

      Gehen ist eine Urerfahrung unseres Menschseins. Wir haben dabei die Freiheit, uns in jede Himmelsrichtung zu bewegen und doch stehen wir immer auf festem Grund. Die Erde trägt uns. Sie vermittelt uns, dass es etwas Verlässliches gibt, einen festen Boden unter den Füßen, der jeden Schritt aufnimmt.

      Unsere Schritte können schnell oder langsam sein, unsicher oder fest, sanft oder kräftig, die Erde ist verlässlich da. Sie macht keinen Unterschied, wer darauf geht und wie unsere Schritte heute sind, sondern beantwortet diese mit ihrem Dasein – kontinuierlich, verlässlich und annehmend –, und mit der Zeit, durch das schlichte Gehen, werden unsere Schritte sicherer, natürlicher und freier.

      Beim Wandern tanken wir mit jedem Schritt Angenommensein und wir können mit der Zeit entspannen. Was immer uns gerade beschäftigt, verliert an Bedeutung. Nicht, weil die Probleme unseres Lebens dadurch verschwinden oder gelöst sind, sondern weil wir spüren, dass wir auch mit dem, was uns seelisch beschäftigt, angenommen sind.

      Wie oft ist uns im Alltag die Erde bewusst? Meist erscheint uns die Urerfahrung des Gehens und des Getragenseins als selbstverständlich. So selbstverständlich, dass wir sie vollkommen aus dem Blick verlieren. Den Kopf voller Gedanken und Probleme vergessen wir unsere Füße und den schlichten, wohltuenden Kontakt zum tragenden Boden. Daher gibt es manchmal, besonders wenn wir uns in Problemen verloren haben, nichts Heilsameres, als in der Natur zu wandern, bis wir im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter unseren Füßen wieder spüren können. Gehen erinnert uns daran, dass wir angenommen sind.

      Annahme ist eine Grundeigenschaft des SEINS. Die Dinge sind angenommen, weil sie sind. Wir sind angenommen, weil wir sind. Alles ist in seiner Existenz angenommen. „Es ist“ ist daher eine der grundsätzlichsten Aussagen, die wir treffen können. Nicht „Es ist gut“ oder „Es ist schlecht“, sondern einfach nur „Es ist“. Wir erkennen damit die Existenz der Dinge an und empfinden ihr fundamentales Angenommensein.

      Dieses Anerkennen der Existenz der Dinge, so wie sie sind, ist grundlegender als alles, was wir sonst über das Leben sagen oder denken können. Alle Meinungen, alle Urteile und Vorlieben drücken nur einen subjektiven, individuellen Blickwinkel aufs Leben aus. Wenn wir etwas „gut“ finden, zeigt dies nur, welche Vorliebe wir haben. Genauso verhält es sich, wenn wir etwas „schlecht“ oder „schwierig“ finden.

      Für einen Gärtner, der Zierblumen züchten will, ist eine Pflanze, die nicht ins Bild passt, ein Unkraut und damit ein Problem. Er ärgert sich vielleicht sogar über diese „unnütze“ Pflanze und versucht sie loszuwerden. Und doch gibt es etwas Grundsätzlicheres als die Ablehnung des Gärtners – die Existenz der Pflanze. Und dieses Sein ist unabhängig vom Urteil des Gärtners.

      Natürlich könnten wir nun fragen: „Was heißt hier unabhängig? Der Gärtner wird die Pflanze ausrupfen.“ Doch auch dieser Vorgang ist angenommen, weil er ist. Die Pflanze, der Gärtner, das Urteil des Gärtners, die Handlung des Ausrupfens und der Tod der Pflanze sind. Alles ist Ausdruck der Schöpfung und tritt in Erscheinung. Daher ist das Grundsätzlichste, das wir „tun“ können, die Existenz all dieser Vorgänge anzuerkennen: Sie sind.

      Anerkennen, was ist, ist ein natürlicher und einfacher Vorgang, wenn auch keineswegs selbstverständlich für uns. Unser Ego ist ständig dabei, Dinge zu wollen oder abzulehnen, zu lieben oder zu hassen, den Dingen Wert zuzuschreiben oder abzusprechen. Und genauso gehen wir mit uns selbst um. Alles, was in uns auftaucht und was uns ausmacht, wird sofort aussortiert, für gut oder schlecht empfunden, hervorgehoben und ausgedrückt oder kontrolliert, versteckt und bekämpft.

      Dabei wird dieser unablässige Vorgang des Aussortierens für uns zu einem Dschungel aus Meinungen und Vorlieben, in dem wir uns verstricken und verlieren. Am Ende glauben wir subjektiven Meinungen mehr als der Existenz des Lebens und kommen zu der Ansicht, dass diese Schöpfung unvollkommen ist. Und auch uns selbst betrachten wir als fehlerhaft und damit nicht in Ordnung.

      Das Gefühl, die Existenz und auch wir selbst seien fehlerhaft, also nicht in Ordnung, ist ein zentrales Urgefühl

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