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Eltern.

      »Oh-oh-oh«, sagte Milo. Besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können. Wenn man ehrlich sein will, hatte ich verloren. Der Mieteintreiber hatte gewonnen, und ich hatte verloren. So einfach war das. Ohne dass ich ihm einen anständigen Kampf geliefert hätte. Ich sprang ihn an. Er briet mir eins über. Ich ging zu Boden. Ende vom Lied. Boing – rumms.

      Das war mir noch nie passiert. Natürlich habe ich auch schon verloren. Im Ring bin ich die Böse, und die Bösen dürfen nicht immer gewinnen. Manchmal soll Blauäuglein die Böse besiegen. Blauäuglein soll den Teufel in Schwarz schlagen. Und manchmal hatte ich im Ring so jämmerliche Gegnerinnen, dass ich mich richtig anstrengen musste, um zu verlieren. Aber ich bin noch nie zu Boden gegangen, ohne selber ein paar ausgeteilt zu haben. Und zwar tüchtig. Hopp-boing-rumms, das kannte ich nicht. Das war mir noch nie passiert.

      »Steh auf«, sagte Ma. »Steh auf und hilf mir.«

      Als ich die Augen aufmachte, war der Mieteintreiber weg. Milo stand ganz schief und krumm vor mir, er zitterte und hatte den Schwanz zwischen die Beine geklemmt. Die Unterwäsche segelte durch die Lüfte, und Ma versuchte sie wieder einzufangen. Ich konnte es nicht mit ansehen.

      »Steh auf, du faule Sau, und pack mit an«, sagte Ma. Aber ich konnte ihre Klamotten nicht anfassen. Ich rieb mir die Schulter. Sie war noch heil. Sie war erst taub gewesen, dann hatte sie wehgetan. Aber sie war heil geblieben.

      »Jetzt komm endlich«, sagte Ma.

      Aber ich konnte sie nicht ansehen.

      Ich stand auf. Ich nahm Milo auf den Arm. Ich ging.

      »He!«, sagte Ma. »Wo willst du hin?«

      Aber ich war so fix und fertig, dass ich kein Wort rausbrachte. Mit Milo auf dem Arm ging ich davon.

      Der Tierarzt sagte, Milo hätte sich den Oberschenkelknochen ausgerenkt. Milo schrie, als er ihn wieder einrenkte. Der Tierarzt sagte, Milo wäre jung und stark, er würde am nächsten Morgen nichts mehr davon spüren. Damit hatte er recht. Aber ich bin kein junger Hund mehr. Ich habe Erinnerungen und Gefühle, von denen ein junger Hund nichts weiß. Ich kann damit nicht einfach zum Tierarzt gehen, damit es mir am nächsten Tag wieder besser geht. Diese Sachen bleiben mir erhalten, und das tut weh.

      Ich höre Sie schon sagen: »Was soll’s? Du bist reich, Eva. Du hast es gut. Nimm dir ein paar von deinen nagelneuen Scheinchen und reib dich damit ein. So kurieren die Reichen ihre Wehwehchen.« Das zeigt mal wieder, was für eine tolle Hilfe Sie sind. Es zeigt, wie herzlos die Leute sein können, wenn sie wissen, dass man viel Kohle hat. Auf Ihren Rat kann ich verzichten.

      Ich würde Harsh fragen. Harsh war der Mensch, den ich jetzt brauchte. Harsh weiß alles. Harsh weiß auf alles eine Antwort.

      Er ist ein Gott und ein spitzenmäßiger Catcher. Aber das kann man nur beurteilen, wenn man selber was auf dem Kasten hat, so wie ich. Man muss sich im Ring auskennen, um einen Catcher wie Harsh richtig beurteilen zu können. Er ist eine ehrliche Haut, er verbiegt sich nicht. Außerdem hat er was im Oberstübchen, was man von den meisten Holzköpfen, die ich kenne, nicht behaupten kann.

      Aber ich hatte Harsh schon länger nicht mehr gesehen. Und zwar deshalb nicht, weil er in dem Studio trainiert, wo ich Hausverbot habe. Wo mich Mr. Deeds rausgeschmissen hat. Harsh gehört noch zu der Welt, die ich verloren hatte, und ich wollte ihn nicht sehen, weil er mich immer daran erinnerte, was ich nicht mehr haben konnte.

      Ich hatte auch keine Lust, mich im Studio von den Schwergewichtlern Gruff und Pete blöd anquatschen zu lassen. »Da kommt das Wrack.« Solche Sprüche würden sie bestimmt ablassen. Gruff und Pete sind die schlimmsten Furzköppe der Welt. Mit Tiefschlägen kennen sie sich aus, und ihre Devise heißt: Immer feste druff. Das macht ihnen Spaß. Ich wollte ihnen nicht begegnen.

      Also wartete ich draußen im Nieselregen. Ich wartete auf Harsh. Ich stellte mich auf der anderen Straßenseite im Eingang eines Tabakwarenladens unter, von wo ich den Eingang des Studios im Auge behalten konnte. Als mich der Ladenbesitzer vertrieb, hockte ich mich neben ein mit Brettern vernageltes leerstehendes Geschäft. Ob Sie es glauben oder nicht, nach zwanzig Minuten schenkte mir ein altes Muttchen zehn Pence. Das war echt die Härte. Sie muss wohl geglaubt haben, ich wäre obdachlos oder so. Im Vorbeigehen warf sie das Geldstück vor mir auf die Erde, als ob ich ein Bettler wäre. Ich hätte ihr den Marsch blasen können. Ich hätte sagen können: »He, du alte Träne. Hast wohl noch nie eine Squillionärin gesehen, was?« Ich hätte ihr ihre jämmerlichen zehn Pence zurückgeben müssen. Hätte ich, hab ich aber nicht. Ich war sauer, aber andererseits fand ich es auch komisch.

      Als ich nichts hatte, hat mir keiner was geschenkt. Kaum habe ich selber Geld, können es mir die Leute gar nicht schnell genug hinterherschmeißen. Geld zieht Geld an.

      Sehen Sie, was ich meine? Deshalb hatte ich so ein gutes Gefühl wegen meinem Lottoschein. Ich konnte den Samstag kaum erwarten, um zu erfahren, wie viel ich gewonnen hatte. So wie mir das Glück an den Fingern klebte, war es unmöglich, dass ich nichts gewann. Also hob ich die zehn Pence auf und steckte sie ein.

      Genau in dem Moment kam Harsh aus dem Studio. Ich war echt froh, dass er nicht gesehen hatte, wie ich das Geld eingesackt hatte, so sauber und schön, wie er mal wieder aussah. Er hat den idealen Körper, kräftig und muskulös, aber nicht übertrieben. Alles an ihm erfüllt einen Zweck. Nichts ist Show.

      Deshalb wäre ich beinahe doch nicht zu ihm rübergegangen. Weil er genau so aussah, wie ich eigentlich auch aussehen müsste. Denn plötzlich wurde mir klar, dass diese neugierige Kuh, die Feindin, recht hatte – ich war tatsächlich ein bisschen aus dem Leim gegangen. Ich hatte mich gehenlassen. Deswegen konnte mich der Mieteintreiber mit einem Schlag umhauen. Natürlich war es auch Mas Schuld, wegen ihr war ich aus dem Gleichgewicht geraten, wegen ihr und ihrer nuttigen Unterwäsche. Das Schlimmste war noch nicht mal, dass mich der Kerl umgehauen hatte, nein, das Schlimmste war, dass er mir ansah, dass er es wagen konnte. Vor einem Jahr hätte ein Blick genügt und er hätte sich gesagt: »Hoppla, die macht Ärger, von der lass ich lieber die Finger.« Dieses Jahr dachte er bei sich: »Ha, eine leichte Beute. Der zeig ich, wo’s langgeht.« Was er dann ja auch gemacht hat.

      Der saubere, schöne Harsh sollte mich nicht auch so sehen, wie mich der Mieteintreiber gesehen hatte.

      Aber ich hatte keine andere Wahl, ich ging über die Straße.

      Zum Glück hatte er wenigstens nicht mitgekriegt, dass ich die zehn Pence von dem alten Muttchen aufgehoben hatte. Ich drückte den Rücken durch.

      »Harsh!«, rief ich.

      Er wirbelte auf den Fußballen herum, leichtfüßig und elegant. »Eva«, sagte er. »Na, na, na.«

      »Harsh«, sagte ich. »Du musst mir helfen.«

      »Muss ich?«, fragte er.

      Es war mir falsch rausgerutscht. Warum muss es immer falsch rausrutschen?

      »Der Kerl gestern«, sagte ich.

      »Wie bitte?«, sagte Harsh.

      »Ja. Der wusste, dass er mich umhauen kann.«

      »Eva«, sagte Harsh. »Rück mir nicht so auf den Leib. Lass meine Jacke los.«

      »Und da hat er mich umgehauen. Echt wahr. Aber nur, weil er wusste, dass er es mit mir aufnehmen konnte.«

      »Eva«, sagte Harsh. »Dies mag sehr viel Bedeutung für dich haben, aber mir sagt es sehr wenig. Lass mich los und drück dich klarer aus.«

      »Ich muss wieder zurück.«

      »Wohin?«

      »Wo ich war«, sagte ich. »Ich muss wieder fit werden. Und hart.«

      »Aha«, sagte Harsh. »Jetzt verstehe ich, was du möchtest.«

      Harsh verstand mich. Ich hätte mir am liebsten die Augen aus dem Kopf geheult.

      »Ich kann dich bezahlen«, sagte ich, weil ich nicht losheulen

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