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kannst ihn haben. Er gehört dir«, sagte die Feindin. »Aber wenn du dir einbildest, du könntest einfach hier reinspazieren und mich anbrüllen, kannst du gleich wieder rausspazieren.«

      »Das hätten Sie wohl gerne«, sagte ich. »Sie schulden mir noch Geld.« Damit hatte ich sie am Wickel. Dagegen konnte sie nichts sagen.

      »Ich bezahl dich schon. Hab ich das etwa schon mal vergessen?«

      »Jetzt brüllen Sie selber rum«, sagte ich. Ich war total happy.

      »Und warum auch nicht?«, brüllte sie. »Du redest einen solchen Mist, das hält man ja im Kopf nicht aus.«

      »Bitte!«, sagte Mr. Schiller. »Beruhigt euch.« Er bezahlte mich bar aus der eigenen Tasche. Woran man sehen kann, was für ein Mensch er ist. Aber die Feindin machte ein Gesicht, als ob sie einen Zahn gezogen kriegte. Woran man sehen kann, was für eine Kuh sie ist. Bei dem Anblick wären mir fast meine Kopfschmerzen vergangen.

      »Soll das etwa Geld sein?«, sagte ich. »Das nenne ich Ausbeutung.«

      »Und was du dir gestern Abend geleistet hast, nennst du wohl Arbeit, was?«, fragte sie. »Ich nenne das Saufen und Schnarchen am Arbeitsplatz.«

      »Das können Sie nennen, wie Sie wollen«, sagte ich. »Mehr Leistung hatten Sie für die paar Kröten jedenfalls nicht verdient.« Ich drehte auf dem Absatz um und schritt hinaus.

      Leider hatte ich Milo vergessen. Was meinem Abgang ein bisschen die Wirkung nahm. Ich musste noch mal zurück und ihn am Schlafittchen packen und hinter mir her zerren.

      »Komm zu dir«, sagte die Feindin. »Lass dich erst wieder hier blicken, wenn du mit dir ins Reine gekommen bist.«

      »Da können Sie lange warten.«

      Was bildete sie sich eigentlich ein, mir gute Ratschläge zu geben? Mir! Wo ich mehr Kohlen im Keller hatte, als sie jemals zu Gesicht kriegen würde, und wenn sie drei Leben hätte. Das Geld hing an der Wand im Hundeschuppen. Ich war wieder wer. Die Feindin konnte mir nichts mehr anhaben. Sie würde mich nie wieder nachts auf einen Parkplatz abkommandieren. Nie wieder. Sie würde mir nie mehr die Zeit stehlen. Nie wieder würde sie mir die kostbaren Stunden, Minuten und Sekunden aus dem kleinen Säckchen Zeit klauen, das mein Leben war, und sie auf den Müll werfen. Ticktack. Für sie war es vielleicht nur tickender, tackender Müll, aber für mich waren es große Stücke meines Lebens. Jetzt, wo ich Kohle habe, mache ich mit meiner Zeit, was ich will, und nicht, was sie will.

      »Es ist alles deine Schuld«, sagte ich zu Milo. War es auch. Wenn er nicht bei der Feindin geblieben wäre, hätte ich ihn nicht abholen müssen. Wenn er zusammen mit mir aus dem Büro gegangen wäre, hätte ich nicht noch mal umkehren müssen. Dann wäre mir der letzte schlaue Spruch der Feindin erspart geblieben: »Wenn du für jede Pleite, die du dir leistest, Geld kriegen würdest, wärst du eine reiche Frau, Eva. Aber so …«

      Mehr wollte ich nicht hören. So was braucht sich keiner sagen zu lassen. Ich jedenfalls nicht.

      Was nützt es einem, so viel Geld zu haben, dass es einem zu den Ohren wieder rauskommt, wenn man nicht damit angeben kann? Deshalb ging ich meine Ma besuchen.

      Vor meiner Ma kann jeder rumprotzen, weil sie nicht einmal einen eigenen Pisspott besitzt. Im Vergleich zu ihr macht jeder eine gute Figur – vor allem, wenn sie mal wieder an der Flasche hängt. Was praktisch dauernd der Fall ist.

      Aber sie ist meine Ma, und ich bin nun mal ein Familienmensch. Sie ist da anders. Sie hat ungefähr so viel Muttergefühl im Leib wie Geld auf dem Konto – null. Das ist auch der Grund, warum ich nicht besonders gut auf sie zu sprechen bin.

      Wussten Sie, dass ich eine ältere Schwester habe, die ich nicht mehr gesehen habe, seit ich elf war? Ja, Sie haben ganz richtig gehört. Die meisten Leute denken, dass ich ganz allein auf der Welt bin und keine Familie habe. Woran man mal wieder sieht, wie sehr der Mensch sich irren kann. Ich habe eine Schwester Sie heißt Simone. Ein schöner Name, genauso schön wie meine Schwester, als ich sie das letzte Mal gesehen habe. Aber das ist, wie gesagt, schon ewig her. Da war ich noch ein Kleinkind.

      Warum ich sie so lange nicht mehr gesehen habe? Gute Frage. Eine gute Frage mit einer schlechten Antwort. Wegen meiner Ma – unserer Ma. Da haben Sie die schlechte Antwort. Meine Ma ist so eine schlechte Ma, dass sie die Familie nie länger als ein paar Wochen zusammenhalten konnte. Sie hat nie einen Pfifferling für ihre Kinder gegeben. Also wurden wir ihr weggenommen. Ob ihr das was ausgemacht hat? Ach was! Aus den Augen, aus dem Sinn – das ist das Motto meiner Ma. Es war ihr doch egal, dass wir zu acht in einem Raum schlafen mussten. Es war ihr egal, dass wir mit dem Lederriemen geschlagen wurden, dass das Essen die reinste Katzenkotze war, dass es in den Heimen im Winter so kalt war, dass man seinen Atem sehen konnte. Das hat meine Ma einen Scheißdreck gekümmert. Hauptsache, sie konnte an der Flasche nuckeln und irgendwelchen Mackern ein paar Mäuse aus den Rippen leiern.

      Aber jetzt hatte ich mehr als nur ein paar müde Mäuse in der Tasche. Ich hatte Geld wie Heu.

      Ma glaubt, ich sei ein Versager. Sie denkt, es wird nie was aus mir werden, weil ich nicht aussehe wie eine Schaufensterpuppe. Meinen Sie vielleicht, sie wäre stolz auf mich gewesen, als ich noch die Londoner Killerqueen war? Fehlanzeige. Es war ihr peinlich. So ist meine Ma. Ich trainiere hart, ich gewinne meine Kämpfe, ich gebe dem Publikum, was es sehen will. Und meine Ma schämt sich. Sie hat sich nie einen Kampf von mir angesehen. Nicht einen einzigen.

      »Ach, nein«, sagt sie. »Ich guck mir gerne die Kerle an, wenn sie gut gebaut sind. Aber auf deinen Anblick kann ich verzichten, Eva. Bei deiner Figur solltest du dich lieber verstecken.«

      So was baut auf, was? Ich denke lieber nicht daran. Wenn ich auch nur einen Gedanken darauf verschwenden würde, wäre das mein sicheres Ende. Ich würde auf der Stelle tot umfallen.

      Ich blieb stehen. Milo lief mir hinten rein.

      Ich sagte: »Wieso muss ich jetzt an diesen Scheiß denken, Milo?«

      »Hip?«, sagte Milo.

      »Ich bin im Kommen«, sagte ich. »Es geht bergauf. Ich scheine auf meine alten Tage tatsächlich eine Glückssträhne erwischt zu haben. Und die schlachte ich jetzt aus. Das kannst du mir glauben.«

      Damit marschierte ich in eine Annahmestelle und gab einen Lottoschein ab. Ich bezahlte mit einem nagelneuen Zwanziger. Ich weiß, was Sie denken. Sie denken, ich spinne. Ich habe Squillionen, wozu brauche ich noch mehr? Wissen Sie was? Ich spinne nicht. Klar, ich habe Squillionen. Aber kluge Leute wie ich behalten ihre Squillionen. Sie lassen die Squillionen für sich arbeiten. Genau das machte ich auch. Weil mir gerade das Glück an den Stiefeln klebte, würde ich todsicher im Lotto gewinnen. Dann wäre das Geld für den Lottoschein nicht zum Fenster rausgeworfen. Weil ich mir damit noch mehr Geld gekauft hätte. Kapiert? Meinen Sie immer noch, ich spinne?

      Sie denken: Diese Eva, die hat noch nie Kohle gehabt, die hat keine Ahnung, was sie damit machen soll, die schmeißt mit den Moneten um sich, bis sie alles verbraten hat. Woran man sieht, wie dumm Sie sind. Das Geld gehört mir, und ich behalte es. Glauben Sie bloß nicht, Sie würden es in die Finger kriegen. Ich und meine drei Hunde geben Ihnen den guten Rat, es in den Wind zu schießen. Was meins ist, ist meins. Was Ihres ist, ist Ihres, und wenn Sie nichts haben, ist das Ihr eigenes Pech. Ich gebe Ihnen genauso viel ab, wie ich von Ihnen gekriegt habe, als ich selber noch nichts hatte. Raten Sie mal, wie viel das wohl ist. Zeigen Sie doch mal, wie clever Sie sind.

      Mittlerweile war ich vor dem Hochhaus angekommen, wo meine Ma wohnt. Ich hatte ein dermaßen flottes Tempo angeschlagen, dass Milo japsend hinter mir her hechelte.

      Den Fahrstuhl ließ ich gleich links liegen. Der ist sowieso fast immer kaputt. Ich schleppte mich zu Fuß bis in den fünften Stock hoch, durch das senkrechte Pissoir, genannt Treppenhaus. In dem Kasten hausen nur Wandalen. Wenn sie eine Treppe sehen, fällt ihnen nichts Besseres ein, als in die Ecken zu pissen. Keine Ahnung, was das soll. Wenn ich eine Treppe sehe, gehe ich rauf – oder runter. So einfach ist das.

      Im dritten Stock blieb

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