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stehe auf der schwarzen Liste. Ich bin seitdem nicht mehr aufgetreten.

      Wenn Sie einen Fiesling suchen, nehmen Sie Mr. Drecksack Deeds. Den können Sie umsonst haben. Er hat mir einen Tritt in den Hintern gegeben und mir die Tür vor der Nase zugeknallt. Jetzt kann ich nicht mehr rein in die Welt, die ich mir selber aufgebaut habe. Ich kann nicht mehr zurück ins Scheinwerferlicht und in den kochenden Ring. Kein Applaus mehr für mich, kein Aah und Uuh. Kein Keuchen und Ächzen, kein dumpfes Klatschen, wenn meine Gegnerin auf die Matte knallt. Kein Ringrichter, der zählt: Eins, zwei, drei.

      Diese Welt gibt es noch. Irgendwo. Aber ich darf nicht mehr rein. Ich habe sie verloren. Und ohne diese Welt bin ich verloren. Wie soll ich reich und berühmt werden, wenn ich nicht mehr die Londoner Killerqueen sein darf? Können Sie mir das vielleicht verraten?

      Milo drückte mir die Schnauze in die Hand, und ich erlaubte es ihm. Er hat ja nur mich. Er war eine mutterlose nackte Krabbe, noch keine Woche alt, als ich ihn fand. Ich habe ihn mir unter den Pullover gesteckt, um ihn zu wärmen, und ihn mit nach Hause genommen. Seitdem bin ich Mum und Dad für ihn. Ich habe ihn mit teurer Welpennahrung gefüttert und ihn so oft vor Ramses und Lineker beschützt, dass ich es nicht mehr zählen kann. Und warum? Weil ich ein weiches Herz habe. Darum. Es kann noch ewig dauern, bis er sich sein Futter selber verdienen kann, und bis dahin frisst er mir die Haare vom Kopf und kostet mich Zeit und Nerven. Ich kann ihm nur raten, sich zum besten Wachhund aller Zeiten zu mausern. Wenn nicht, ziehe ich ihm das Fell über die Ohren und mache mir aus seinem nutzlosen Pelz eine Weste.

      »Hast du gehört?«, sagte ich. »Eine Weste. Also streng dich ein bisschen an.«

      »Hip?«, sagte er. Aber weil er es leise sagte, ließ ich es ihm noch mal durchgehen. Wie schon gesagt, ich habe ein weiches Herz. Mein Hund redet zu viel, aber ich beklage mich nicht.

      Ich muss Ihnen was erzählen. Letzte Woche war ich in einem Parkhaus für ganz normale arme Leute. Was ich da zu suchen hatte, braucht Sie nicht zu kümmern. Es war jedenfalls schon spät, und es war kalt, und ich hatte keine Lust, zu Fuß nach Hause zu gehen. Plötzlich stand jedenfalls mutterseelenallein ein kleiner roter Vauxhall Astra vor mir. Sicher hatte der Besitzer ein Taxi genommen, weil er zu viel getrunken hatte. Und wer sich einen Rausch und ein Taxi leisten konnte, würde es mir sicher nicht krummnehmen, wenn ich ein Stück mit seinem Wagen spazieren fuhr. Also habe ich mir den Astra geborgt.

      Meistens borge ich mir die Karren wirklich nur aus. Sie können Ihre Stereoanlage behalten, ich will Ihren Mantel, Ihren Schirm, Ihre Tasche oder Ihren Aktenkoffer nicht haben. Ich bin keine Diebin. Und ich mache auch nichts kaputt – nur wenn es nicht anders geht. Wenn ich den Wagen hinterher irgendwo stehen lasse, ist er sauberer als vorher. Ein geborgtes Auto muss man gründlich putzen.

      Zuerst war alles wie immer. Ich hatte den Astra ruck, zuck geknackt und gestartet, ohne die Lenkung zu ruinieren. Der Besitzer hatte wohl noch nie was von einer Wegfahrsperre gehört. Aber dann passierte es. Es steckte noch eine Kassette im Recorder, als ich den Motor anließ. Und wissen Sie, was mir da aus den Boxen entgegenknallte? Wobei sich mir die Nackenhaare sträubten? Es war meine Musik. Mein Lied. Satisfaction.

      Das ist mein Song. Ehrlich.

      Zumindest ist es meine Musik gewesen, als ich noch im Ring stand. Nein, eigentlich schon vorher, vor meinem Auftritt. Sie dröhnte mir nicht nur in den Ohren, ich hatte sie in den Fußsohlen, in der Magengrube. Ba-ba ba-ba-baa da bad’n bad’n. Genau so. Dann bin ich knurrend und brüllend in die Halle gestürmt, wie ein wildes Tier. Und das Publikum hat sich nach mir umgedreht und zurückgebrüllt.

      Sie gehört mir, diese Musik.

      Jedenfalls hat sie mir mal gehört.

      Aber wissen Sie, was das Komische ist? Ich hatte das Lied bis dahin nie gehört. Ich kannte bloß die Stelle mit dem Ba-ba baba-baa da bad’n, bad’n, weil die Tonleute sie so lange gespielt haben, bis ich im Ring war. Den Text haben sie weggelassen. Ich dachte nie, dass ich den noch mal irgendwann zu hören kriege. Ich stehe nämlich nur auf Heavy Metal, alles andere ist für mich keine Musik. Mr. Deeds hat mir das Stück ausgesucht, und er ist ein alter Knacker, der keinen Geschmack hat. Die falsche Generation eben.

      Sie müssen sich das mal vorstellen. Ich friere mir in einem Parkhaus den Arsch ab und will nichts wie nach Hause, als plötzlich mein Ba-ba ba-ba-baa da bad’n bad’n aus den Boxen kommt. Das war vielleicht ein Schreck. Ich war total geplättet. Es war wie ein Zeichen. Ein Zeichen aus der Hölle.

      Eigentlich hätte ich sofort abschalten müssen, weil man nicht mit einer Million Mega-Dezibel durch die Gegend fahren will, wenn man in einem geborgten Astra sitzt. So was mache ich nicht. Sie vielleicht? Höchstens, wenn Sie unterbelichtet sind. Trotzdem habe ich es nicht ausgedreht. Ich konnte den richtigen Knopf nicht schnell genug finden. Und als ich ihn dann doch noch gefunden hatte, wollte ich die Musik einfach nicht mehr ausmachen. Und wissen Sie, warum? Weil mir plötzlich klar wurde, dass es in dem Lied gar nicht um »Satisfaction« geht, was ja wohl so viel wie Befriedigung heißt, sondern um Frust.

      Das war mal wieder ein Beweis dafür, was für ein Blindgänger Mr. Drecksack Deeds ist. Sucht mir ein Lied aus, das Satisfaction heißt und nur von Frust handelt. Voll von Wut und Verbitterung. Genau wie ich. Also hörte ich es mir erst mal zu Ende an.

      Als ich den Wagen später abgestellt habe, habe ich die Kassette mitgenommen. Womöglich war ja noch ein Zeichen aus der Hölle für mich drauf.

      Und ich habe tatsächlich noch eines gefunden. Echt wahr. Das Lied heißt Jumpin’ Jack Flash, und darin geht es nur um mich. Nur dass ich nicht der Jack bin. Ich bin Eva.

      Jack und Eva haben beide einen Drachen als Mutter. Wir sind beide verprügelt worden. Wir sind kaputt und am Ende.

      Aber wir kommen schon wieder auf die Beine.

      Eva rappelt sich auf jeden Fall wieder hoch. Was geht mich der Jack an? Immerhin jammert und weint er nicht. Er schreit und tobt, aber er lässt sich nicht unterkriegen. Genau wie ich.

      »Hörf«, sagte Milo.

      »Klappe«, sagte ich.

      »Eva«, sagte Anna Lee.

      »Scheiße«, sagte ich. »Was soll denn das, dass Sie sich so ranschleichen?«

      »Wieso schleichen?«, sagte sie. »Ich habe das Tor aufgemacht und bin ganz normal hereingekommen. Du hast mich nur nicht gehört. Milo hat mich gehört. Aber du nicht.«

      Milo ist ein echter Schleimi. Er küsste ihr die Hand und wedelte wie blöde mit dem Schwanz.

      »Eva«, sagte sie. »Du hast während der Arbeit getrunken.«

      »Quatsch«, sagte ich. »Das zählt doch nicht als Trinken. Das hilft gegen die Kälte.« Wenn man mit einer Dose Bier in der Hand erwischt wird, kann man schließlich kaum behaupten, es wäre Kaffee.

      »Ich bringe dich nach Hause«, sagte Anna Lee, die Feindin.

      »Sie bringen mich nirgendwohin.«

      »Nach Hause«, sagte sie.

      »Auf der Stelle«, sagte sie.

      »Beweg dich«, sagte sie.

      Im nächsten Moment hatte sie Milo und mich in ihren weißen Peugeot verfrachtet und raste die Jamaica Road runter. Unterwegs sagte sie: »Es tut mir leid.«

      »Was?«

      »Das war das Ende der Fahnenstange. Du hast gerade deine letzte Chance verspielt.«

      »Ich habe gar nichts verspielt«, sagte ich. »Halten Sie an.«

      »Warum?«

      »Anhalten!«

      Ich wäre fast in die Gosse geflogen, so eilig hatte ich es, aus dem Wagen zu kommen. Diese verkniffene, eingebildete Zicke sollte nicht sehen, wie mir schlecht wurde.

      Ich sprang um die nächste Ecke und reiherte einem Jaguar auf die Motorhaube.

      Aber ich ging nicht wieder zurück. Ich hatte die Schnauze voll von der Feindin. Sie wollte

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