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(11) Und eine Stimme erscholl aus den Himmeln: »Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.«

       Redaktion und Tradition

      V. 9-11: Die Perikope setzt die Ankündigung von V. 7-8 in Handlung um. Die Näherbestimmung des Stärkeren von V. 7 erfolgt in der Anrede Gottes an Jesus, die die besondere Qualität seiner Person zum Ausdruck bringt: »Du bist mein geliebter Sohn«. Man beachte zusätzlich für den redaktionellen Zusammenhang die Parallelen 9,7 und 15,39, wo jeweils eine Proklamation Jesu als des Sohnes Gottes erfolgt. Innerhalb der Perikope hat Mk »in Galiläa« hinzugefügt. Damit betont er, daß Jesus aus einer anderen Gegend kommt als die zum Täufer hinzutretenden Scharen aus V. 5. An Galiläa liegt ihm viel (vgl. 16,7).

      Die Perikope wird auf der Stufe der Tradition formgeschichtlich vielfach als Glaubenslegende klassifiziert, die Jesu Weihe zum Messias erzähle. Jesus werde nämlich in dem Moment, da er die Himmelsstimme (V. 11; vgl. Ps 2,7) höre, zum Sohn Gottes eingesetzt.

      Bezüglich der Taufe des Johannes übergeht Mk bei der Erzählung der Taufe Jesu die Tatsache, daß sie zur Vergebung der Sünden geschah. Der Grund dafür ist klar: Eigentlich durfte sich Jesus nicht zur Vergebung der Sünden taufen lassen. Bei Mk wird also zum ersten Mal das urchristliche Bestreben sichtbar, die Taufe Jesu umzudeuten (vgl. später Mt 3,13-15; Lk 3,20f; Joh 1,29-34). Ebenfalls verschweigt Mk die Tatsache, daß Jesus, indem er sich von Johannes taufen ließ, der Gerichtspredigt des Täufers zugestimmt hat. (Freilich hatte er diesen Gerichtsaspekt bereits in V. 8 weggelassen.)

       Historisches

      V. 9a wirft geschichtlich Licht auf Nazareth als Wohnort Jesu (vgl. noch zu Mt 9,1).

      V. 9b: Die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer ist historisch. Jedoch hat Jesus seine Taufe nicht als Einsetzung zum Sohn Gottes angesehen. Das dahinterliegende Konzept stammt aus der Gemeinde, die an Jesus als den Sohn Gottes glaubte (vgl. Gal 2,20; 4,4) und seine Einsetzung zum Sohn Gottes in sein irdisches Leben verlegte. Das war nicht immer so. In der ältesten Zeit meinte man, Jesus sei erst durch seine Auferstehung von den Toten zum Sohn Gottes eingesetzt worden (vgl. Röm 1,4).

      Daß Jesu Taufe durch Johannes ein geschichtliches Faktum ist, folgt ferner daraus, daß die christliche Gemeinde damit Schwierigkeiten hatte. So schwächte bereits Mk sie ab, noch stärker dann Mt und erst recht Lk, dem zufolge Johannes gar nicht der Jesus Taufende gewesen sein kann. Das JohEv meint sogar, die Taufe habe überhaupt nicht stattgefunden; ebenso das nicht in den neutestamentlichen Kanon aufgenommene Evangelium der Nazaräer, wo es heißt: »Siehe, die Mutter des Herrn und seine Brüder sagten zu ihm: ›Johannes der Täufer tauft zur Vergebung der Sünden; laßt uns hingehen und uns von ihm taufen lassen!‹ Er aber sprach zu ihnen: ›Was habe ich gesündigt, daß ich hingehe und mich von ihm taufen lasse?‹«.

      Mk 1,12-13: Jesu Versuchung

      (12) Und sogleich treibt ihn der Geist in die Wüste. (13) Und er war in der Wüste vierzig Tage, versucht durch den Satan, und er war mit den Tieren, und die Engel dienten ihm.

       Redaktion und Tradition

      V. 12-13: »der Geist« (V. 12) nimmt dasselbe Wort aus V. 10 auf; »die Wüste« (V. 12f) entspricht dem Ort des Auftretens Johannes des Täufers (V. 4). Die Stellung der Geschichte im MkEv – nach Jesu Taufe und nach seiner Proklamation als Sohn Gottes – erklärt sich daher, daß am Anfang der Wirksamkeit von Heiligen im allgemeinen eine erfolgreich durchgestandene Versuchung steht. Dieser Zug geht dann bestimmt auf Mk zurück, falls dieser »versucht durch den Satan« hinzugefügt hat (»Satan« benutzt Mk auch sonst: 3,23.26; 8,33). Vielleicht ist auch noch »40 Tage« redaktionell: Israel war 40 Jahre in der Wüste, Moses 40 Tage auf dem Sinai, Elia wandert ohne Speis und Trank 40 Tage und Nächte durch die Wüste zum Berg Horeb.

      Die Überlieferung liegt nur rudimentär vor (vgl. demgegenüber die Tradition in Q: Mt 4,1-11/Lk 4,1-13) und ist im einzelnen nicht mehr rekonstruierbar. Sie will Jesus vielleicht als Gerechten zeichnen, als neuen Adam (vgl. Röm 5,12-21; 1Kor 15,45-49), der den Sohn Gottes verkörpert.

       Historisches

      Die Tradition ist unhistorisch. Vgl. die Bemerkungen zur Q-Version (Mt 4,1-11/Lk 4,1-13).

      Mk 1,14-15: Jesu Predigt

      (14) Und nachdem Johannes ausgeliefert worden war, kam Jesus nach Galiläa und verkündigte das Evangelium Gottes, (15) indem er sagte: »Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen, kehrt um und glaubt an das Evangelium!«

       Redaktion und Tradition

      Mk gibt eine zusammenfassende lehrhafte Schilderung der Umkehrpredigt Jesu unter dem Einfluß christlicher Missionsterminologie (zu »glaubt an das Evangelium« vgl. 1Kor 15,1-2; Phil 1,27).

      V. 14 bezieht sich auf V. 1 zurück. Jesus selbst ist der Prediger des Evangeliums über sich. Jesus kann erst nach dem Ende der Verkündigung Johannes des Täufers auftreten, denn dieser ist nach mk Sicht sein Vorläufer. »Galiläa« ist redaktionell (s. zu V. 9). Jesu Tätigkeit wird ebenso wie die des Täufers und die der Jünger Jesu (6,12) mit »verkündigen« bezeichnet.

      V. 15: Die Nähe der Gottesherrschaft ist für Mk der Grund für den Aufruf zur Umkehr und zum Glauben an das Evangelium vom Sohn Gottes (V. 1). Er selbst lebt in der Naherwartung (s. zu Mk 13,30) und glaubt, daß noch in seiner Generation das Ende eintreten wird.

       Historisches

      Daß Jesu Wirksamkeit in Galiläa ihren Anfang genommen hat, trifft zu, nicht aber, daß Jesus erst nach der Auslieferung, d.h. der Gefangensetzung Johannes des Täufers mit seiner Verkündigung begonnen hat. Dies ist schon deswegen unwahrscheinlich, weil Jesus im Vergleich zum Täufer eine eigene Botschaft ausrichtete. Zu Johannes und Jesus vgl. weiter zu Mt 11,2-11/Lk 7,18-28 und Kap. V dieses Buches.

      Mk 1,16-20: Jesu Berufung der ersten Jünger

      (16) Und als er am Meer von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder Simons, die Netze im Meer im Bogen auswerfen. Sie waren nämlich Fischer.

      (17) Und Jesus sagte ihnen: »Hierher, mir nach! Und ich werde euch zu Menschenfischern machen.« (18) Und sogleich verließen sie ihre Netze und folgten ihm nach.

      (19) Und als er ein wenig weiterging, sah er Jakobus, den (Sohn) des Zebedäus, und Johannes, seinen Bruder, auch sie im Boot, die Netze herrichten. (20) Und sogleich (be)rief er sie. Und sie verließen ihren Vater Zebedäus im Boot mit den Tagelöhnern und gingen weg, ihm nach.

       Redaktion und Tradition

      V. 16: »Galiläa« nimmt dieselbe Ortsangabe aus V. 14 auf. Die Namen sind traditionell.

      V. 17-18: V. 17a ist mk Einleitung von V. 17b. Der Menschenfischerspruch wurzelt in der Ostersituation, als die Jünger den Missionsauftrag empfingen (ebenso die lk Fassung des Menschenfischerwortes Lk 5,10). Mk paßt das österliche Menschenfischerwort sekundär den Umständen des Lebens Jesu an.

      V. 19-20: Diese Verse sind abgesehen von den Namen redaktionell auf der Basis von V. 16-18 komponiert. »Die Aufforderung zündet wie der Blitz. Mit einem Schlage werden die vier Fischer aus ihrem Gewerbe … von einem am See auftauchenden Unbekannten herausgerissen. Die Sache wird sich in Wahrheit wohl etwas anders zugetragen haben« (Wellhausen, 328f).

       Historisches

      Am Faktum der Anhängerschaft der beiden Brüderpaare an Jesus und ihrem Fischerberuf ist kein Zweifel möglich. Die von Jesus zu seinen Lebzeiten ausgesandten Jünger waren keine Menschenfischer im österlichen Sinne, sondern Sendboten des Königreiches Gottes, die in die galiläischen Orte ausschwärmten (vgl. zu 6,7-13).

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