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früher gerne über Amerikaner gelästert, also die, die sogar zum Klo mit dem Auto fahren. Heute muss ich mich selbst dazu zwingen, den Öffentlichen Personennahverkehr – also: Straßenbahn, Bus oder U-Bahn – zu benutzen. Ich brauche in der Regel damit länger, finde es schweißfreundlich und ungemütlich, in den unterirdischen, vorhöllenartigen Gangsystemen ist mir nie so ganz geheuer, und wenn es dann auch noch regnet auf dem Weg zur Haltestelle … ähm.

      Zum Glück für die Betreiber dieser Systeme sorgen die Parkplatznot, die verstopften Straßen und die Ampelschaltungen bei mir tatsächlich für ein ungewolltes Umdenken. Warum auch nicht? In anderen Ländern ist das selbstverständlich.

      Neuerdings mache ich aus der Not eine Tugend und beobachte unauffällig die Menschen auf den Sitzbänken: den müden Arbeiter, das knutschende Pärchen, die lauten Punker, das klapprige Ömchen, die giggelnden Freundinnen und den tätowierten Typen mit dem Hund, neben den sich keiner setzen will, obwohl es so voll ist. Faszinierend.

      Es ist wie eine Ausstellung von Lebensmodellen, -typen und -konzepten. Vor allem leben die alle völlig anders als ich. Und ich merke: Ich würde gern mehr über diese Menschen erfahren. Nur kommt man sich ja im Personennahverkehr leider nie besonders nah. Meine Frau ist da übrigens mutiger: Aus irgendeinem Grund führt sie selbst auf Kurzstrecken mit Leuten sofort intensive Gespräche.

      Im Neuen Testament wird die Geschichte von einem Jünger Jesu erzählt, der auf einer kurzen Kutschfahrt mit dem Außenminister eines fernen Landes ins Gespräch kommt. Und plötzlich passiert Folgendes: Der einfache Arbeiter Philippus kann dem Politiker eine lebenswichtige Frage beantworten, woraufhin sich dieser bekehrt. Siehe da! Vielleicht brauchen wir beim Nahverkehren mehr Mut zum Reden. Gute Fahrt!

      FEBRUAR

      6

       Medien

      Angeblich machen die Medien kluge Menschen klüger und dumme Menschen dümmer. Die knifflige Frage lautet: Zu welcher Gruppe gehören Sie? Entschuldigung, das ist hier ein Buch für am Leben Interessierte, das lesen nur kluge Köpfe. Aber um welche Form von Klugheit geht es eigentlich? Um einen hohen IQ, um Fachwissen, Einfühlungsvermögen, Erfahrung, Weisheit oder um die so gepriesene emotionale Intelligenz, die angeblich viel wichtiger ist als alle Bildung zusammen? Wahrscheinlich geht es um die brisante Fähigkeit, in den Medien das Unnütze vom Sinnvollen unterscheiden zu können.

      Denn die Medien haben gigantische Macht. Machen wir uns doch nichts vor. Die sorgen etwa dafür, dass ein Dieter Bohlen alle ernsthaften Literaten auf der Frankfurter Buchmesse wie Randfiguren aussehen lässt. Oder: Ein sensationsgieriger Journalist beschließt, dass der verbale Ausrutscher eines Ministers zum internationalen Skandal hochstilisiert werden sollte. Mich ärgert so etwas.

      Übrigens auch die Berichterstattung über die Kirchen. Ändern die sich nicht, dann heißt es: »Ach Gott, wie altbacken.« Ändern sie etwas, kommt sofort: »Die Kirchen laufen dem Zeitgeist hinterher.« Ja, was denn nun?

      Dem israelitischen König Salomo passierte vor 3 000 Jahren etwas Traumhaftes. Gott kam zu ihm und sagte ganz schlicht: »Du hast einen Wunsch frei!« Na, das sollte mir mal passieren! Salomo antwortete: »Gib mir ein gehorsames Herz und zeige mir, wie ich das Böse vom Guten unterscheiden kann.« Daraufhin sagte Gott: »Diese Antwort ist so weise, dass du Reichtum, Ehre und all die üblichen Kleinkrämerwünsche auch noch erfüllt bekommst.« Wer das Gute vom Schlechten unterscheiden kann, der ist wirklich lebensfähig. Manchmal helfen die Medien dabei, manchmal muss man sie selbst prüfen. Seien Sie klug!

      FEBRUAR

      7

       Karneval

      Helau! Alaaf! Die Narren feiern demnächst wieder den Höhepunkt der närrischen Zeit. Dabei war die Fastnacht früher ja nur die eine Nacht vor dem Beginn der österlichen Fastenzeit – Fast-Nacht! Hat sich dann halt ein bisschen nach vorne ausgedehnt. Warum auch nicht?

      Spannend finde ich aber, was da eigentlich dahintersteckt: Die Fastenzeit vor Ostern ist die Zeit, in der sich viele Menschen seit Jahrhunderten intensiv mit dem Leiden und Sterben Jesu und mit dem Thema Tod auseinandersetzen. Und bevor man das tut, lacht man dem Tod in der Fastnacht eben noch mal so richtig ins Angesicht. Weil das, worüber man lachen kann, keine Macht über einen hat.

      Darum ertragen ja auch Diktaturen das Lachen nicht. Die verbieten immer als Erstes die Witze – weil Lachen die Angst nimmt. Diktatoren sind ohne Angst machtlos. Und der Tod ist nun mal der schlimmste aller Diktatoren. Das heißt: Fastnacht ist eigentlich ein urreligiöser, fröhlicher Aufschrei gegen den Tod. »Wir lachen dich aus, alter Knochenmann! Du kannst uns vielleicht holen, aber besiegen kannst du uns nicht, weil Gott auf unserer Seite ist.«

      Und darum war es früher auch üblich, dass Pfarrer am Ostersonntag die Gemeinde zum Lachen bringen mussten, das hieß dann: »Osterlachen«. Über den Tod können Christen nach der Auferstehung Jesu nur noch lachen.

      Wir Deutschen nehmen Religion oft so ernst, dass wir denken, man dürfe da nicht lachen. Das ist wirklich närrisch. Das Lachen gehört von Anbeginn zum Wesen des Christentums. Glauben und Lachen haben nämlich eines gemeinsam: Sie befreien. Und wer das kann, wer dem Tod in diesen närrischen Tagen ins Angesicht lachen kann, der ist viel religiöser, als er denkt.

      FEBRUAR

      8

       James Dean

      Heute hätte er Geburtstag gefeiert. Der Mann, der immer noch als Kultfigur gilt, der mit nur drei Filmen zum Weltstar wurde und der mit 24 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam: James Dean. Keiner hat wie er die Rolle des verletzlichen Außenseiters verkörpert, den ungezähmten, rebellischen Jugendlichen, der sich von der Erwachsenenwelt unverstanden fühlt. Was glauben Sie: Wäre er immer noch ein Star, wenn er am Leben geblieben wäre?

      Ich meine: Spätestens mit 30 hätte er die romantisch-verklärte Welt der Jugendträume ja doch verlassen müssen, keiner kann ewig den Revoluzzer spielen. Oder doch? Wie er in Rollen als braver Familienvater gewirkt hätte, das wissen wir nicht. James Dean in einer Komödie, einem Science-Fiction-Thriller oder in einem Melodram? Er hätte sich auf jeden Fall verändern müssen – auch wenn er dabei vielleicht die Erwartungen mancher Fans enttäuscht hätte.

      Natürlich ist das nur ein Gedankenspiel, aber eines, das ich deswegen sehr geistreich finde, weil es deutlich macht, dass jeder Mensch klar voneinander abgetrennte Lebensphasen hat. Und jeder, der es aus Angst versäumt, eine Phase abzuschließen und eine neue zu wagen, der wird es richtig schwer haben. Vielleicht ist der Mut zur Veränderung eine der größten Herausforderungen des Lebens überhaupt – gerade dann, wenn eine unserer Rollen so erfolgreich war.

      Die Bibel begleitet ganz viele Personen über große Zeiträume und entwickelt dazu ein Gottesbild, das mir sehr gefällt. Gott weiß, dass wir auf einem Weg sind, und legt uns nicht auf bestimmte Rollen fest. Veränderung gehört dazu. Gott macht deutlich, dass er derjenige ist, der Mut macht, immer wieder neu anzufangen.

      Noch einmal: Ich habe keine Ahnung, ob James Dean heute noch berühmt wäre, aber wenn, dann nur, weil er den Mut gehabt hätte, seine Rollen mit seinem Alter reifen zu lassen.

      FEBRUAR

      9

       Welttag der Kranken

      Merkwürdig. »Welttag der Kranken«. Der ist übermorgen, am 11. Februar. Nur: Wer braucht so was? Na gut, auf jeden Fall die Kranken! Denn die werden doch allzu gerne in Krankenhäuser, Kliniken oder Pflegeheime abgeschoben, damit sie im Alltag nicht so penetrant präsent sind. Schließlich freuen wir halbwegs Gesunden uns sehr,

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