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überzeugend. Vor allem aber hatten sie überhaupt keine Ahnung, was sie da eigentlich glaubten. Also setzte sich Spener hin und schrieb ein Buch, das zu einem Bestseller wurde: »Pia desideria«, zu Deutsch: »Fromme Wünsche«.

      Und darin hielt er mit seiner Kritik nicht hinterm Berg. Es wäre doch schön, wenn die evangelische Kirche lebensnaher wäre, die Gläubigen selbstbewusster aufträten und … ja, wenn die Gemeinden einfach – im positiven Sinne – etwas frömmer würden. Das war Ende des 17. Jahrhunderts. Und Spener selbst wurde mit seinen »Frommen Wünschen« zum »Vater des Pietismus«, einer weltweiten geistlichen Bewegung, deren Sehnsucht nach mehr lebendiger Glaubenspraxis weiterlebt.

      Heute hat der berühmte Theologe Geburtstag. Und wenn er da einen Wunsch freihätte, würde er bestimmt aus dem Himmel leise flüstern: »Hey, die Kirche verändern, das geht nicht von oben, das geht nur von unten. Ihr alle seid gefragt. Entdeckt, was Glauben heißt, und dann feiert tolle Gottesdienste.«

      Herzlichen Glückwunsch, Philipp Jakob Spener.

      JANUAR

      14

       Albert Schweitzer

      Der Mann hatte gleich mehrere vielversprechende Karrieren vor sich, als Professor, als Pfarrer, als Orgelvirtuose und als Kulturphilosoph. Doch er entschied sich, zum Erstaunen seiner Freunde, nachträglich Medizin zu studieren, um in Gabun als Missionsarzt zu arbeiten: Albert Schweitzer, dessen Leben vor Kurzem als Film in den Kinos präsentiert wurde und der heute Geburtstag hat.

      Bekannt wurde Schweitzer, das Multitalent, aber vor allem durch eines: seine »Ehrfurcht vor dem Leben«. Irgendwann, beim Kanufahren in Afrika, hatte der Urwalddoktor nämlich eine Eingebung: Moment mal. »Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.«

      Alle Geschöpfe dieser Erde verbindet der Wille, am Leben zu bleiben und das Dasein angenehm zu gestalten. Und wer das erkennt, der wird keinem anderen Schaden zufügen. Der wird »Ehrfurcht vor dem Leben« entwickeln. 1952 erhielt Albert Schweitzer für diesen Traum den Friedensnobelpreis.

      Natürlich sah er als Christ die Welt ohnehin aus einem besonderen Blickwinkel. Für ihn war klar, dass es einen Gott gibt, der alles erschaffen hat. Und wenn in jedem Geschöpf etwas von diesem Schöpfer sichtbar wird, dann kann man ja gar nicht anders, als es ehrfürchtig zu behandeln.

      Schweitzer selbst hat in seinem Urwaldhospital in Lambarene liebevoll gezeigt, wie man diese Ehrfurcht umsetzen kann. Indem man zum Beispiel auch Leprakranken mit Hochachtung begegnet. Der Name »Lambarene« war dabei übrigens Programm. Er bedeutet in der Sprache der Einheimischen: »Versuchen wir’s!«

      JANUAR

      15

       Martin Luther King

      »I have a dream.« Ich habe einen Traum. Mit diesen vier schlichten Worten ist Martin Luther King berühmt geworden, der schwarze Baptistenpfarrer und Bürgerrechtler, dem es gelang, die Rassenschranken in Amerika immer weiter abzubauen. Und das gewaltfrei. 1964 wurde er dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

      »I have a dream.« Ich habe einen Traum. »Dass eines Tages die Söhne früherer Sklaven und die Söhne von Sklavenhaltern an einem Tisch sitzen werden.« Das hat Martin Luther King 1963 gesagt. In Washington, vor dem Lincoln Memorial. Vor 250 000 Demonstranten. »Ich träume, träumt mit mir.«

      »I have a dream.« Und irgendetwas ist da passiert. Die Zuhörer haben nämlich nicht einfach den Traum von Martin Luther King übernommen. Nein, er hat einen Traum geweckt, der irgendwo in ihnen darauf wartete, angesprochen zu werden. Er hat den Leuten Mut gemacht, wieder an ihre eigenen Träume zu glauben.

      »I have a dream.« Das Verrückte ist: Die Welt braucht keine Vorträumer. Sie braucht Menschen wie Martin Luther King, die uns helfen, unsere eigenen Träume wiederzuentdecken. Und dann etwas zu bewegen. Etwas zu verändern. Wieder an etwas zu glauben. An uns. Und an Gott. Zumindest war das dem Baptistenpastor King unglaublich wichtig.

      Echte Träumer träumen nicht nur, sie verändern die Welt: »Ich have a dream.« Heute hätte Martin Luther King Geburtstag gefeiert. Hätte man ihn nicht 1968 erschossen. Nur seinen Traum, den konnte man nicht erschießen. Der lebt weiter.

      JANUAR

      16

       Art’s Birthday

      Morgen ist ein historischer Tag. Ja, es war nämlich an einem 17. Januar vor etwa 1 000 050 Jahren. Damals legte ein Frühmensch einen trockenen Schwamm in ein Gefäß mit Wasser, und als dieser Schwamm anfing, sich vollzusaugen, aufzugehen und die Form zu verändern, erkannte der staunende Mensch: »Hey, das ist ja … Kunst. Es gibt Kunst. Man kann Dinge gestalten. Mann, es ist unglaublich.« Seitdem gilt der 17. Januar als Geburtstag der Kunst.

      O. k., diese Geschichte war und ist eine pfiffige Idee des französischen Künstlers Robert Filliou, der damit 1963 den Geburtstag der Kunst zum ersten Mal öffentlich als Performance zelebrierte. Und weil viele seiner Kolleginnen und Kollegen diesen frechen Vorschlag übernommen haben, wird der 17. Januar inzwischen weltweit gefeiert, um daran zu erinnern, was die Kunst für das Leben jedes Menschen bedeutet.

      Das Verrückte dabei ist: Das Ganze passierte sicher nicht vor 1 000 050 Jahren, es war wahrscheinlich kein 17. Januar, und ich schätze, dass es auch kein Schwamm war, der die Menschen darauf brachte, dass man gestalterisch tätig werden und sich das Leben mit Kunst verschönern kann. Trotzdem hat es die menschheitsbewegende Erfahrung mit der Kunst irgendwann zum ersten Mal gegeben. Und es ist wichtig und richtig, sie zu feiern.

      Komisch, da muss ich noch mal an Weihnachten zurückdenken. Weil da auch jedes Jahr Kritiker darauf hinweisen, dass der Dezembertermin ursprünglich ein heidnisches Sonnenwendfest war und dass Jesus bestimmt nicht im Winter auf die Welt gekommen ist. Na und? Wir wissen nicht genau, wann er Geburtstag hatte. Und trotzdem gibt es viele Gründe, seinen Geburtstag zu feiern. Wichtig ist, dass Jesus geboren ist und die Welt verändert hat.

      JANUAR

      17

       Welttag der Migranten und Flüchtlinge

      »Welttag der Migranten und Flüchtlinge«? Was mag das wohl sein? Also: Das ist ein kirchlicher Gedenktag, der von der katholischen Kirche schon 1914 ins Leben gerufen wurde. Und es geht darum, an diesem Tag an all die Menschen zu denken, die aus irgendwelchen Gründen ihre Heimat verlassen und ganz neu anfangen müssen.

      Wer sich schon mal in der Fremde ein neues Zuhause aufgebaut hat, der weiß, welche gewaltigen Probleme das mit sich bringt. Und die anderen können es sicher nachempfinden: andere Beziehungen, andere Sprache, andere Kultur, andere Werte, andere Ängste. Da muss man sich wirklich erst mal hineinfinden.

      Zudem nimmt in Zeiten grenzenloser Mobilität die Zahl der Migranten auch noch zu. Übrigens nicht nur von Menschen, die in andere Länder übersiedeln. Ich behaupte, dass es auch immer mehr inländische Migranten gibt. Wenn jemand aus einem ostfriesischen Dorf wegen des Jobs nach München zieht, dann ist das kulturell bestimmt ebenso herausfordernd wie ein Wechsel nach Alabama. Wenn nicht noch viel herausfordernder.

      Die Bibel ist voller Migrationsgeschichten. Kein Wunder. Schließlich erzählt sie anfangs viel von Nomadenvölkern. Und vielleicht unterscheiden sich die Migranten von heute gar nicht so sehr von Nomaden. Das sind Leute, die regelmäßig weiterziehen. Und denen sagt die Bibel von Anfang an: Das Schöne ist, dass Gott mit euch geht. Wie fremd die neue Umgebung auch sein mag, Gott ist der Gleiche. Damals hat das viele getröstet.

      JANUAR

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