Скачать книгу

Abendmahl

      Es soll nicht sein. Jedenfalls noch nicht. Und auf keinen Fall offiziell. Katholiken und Evangelische können, dürfen, wollen nicht zusammen Abendmahl feiern. Weil sie die Oblate und den Wein weiterhin unterschiedlich interpretieren.

      Ein bisschen absurd ist das schon: Damals bei Jesus durfte sogar Judas mitfeiern – der Mann, der ihn später verraten und verkauft hat und offensichtlich von der Bedeutung des Abendmahls überhaupt nichts begriff –, aber im Hier und Heute darf das nicht sein. Mist …

      Moment mal! Jetzt wäre ich fast in genau die gleiche Falle getappt, in die so viele tappen: Ich habe mir einen naheliegenden Streitpunkt geschnappt und rege mich herrlich darüber auf. Und soll ich Ihnen was sagen: Es gibt immer was zum Aufregen. Gerade in der Kirche. Sie könnte doch ganz anders sein: toleranter, feministischer, ökologischer, bunter, heiliger, politischer, ethischer, kirchentagiger … und was weiß ich noch alles.

      Manche Menschen haben es sich zur Angewohnheit gemacht, an allem herumzumäkeln. Es lässt sich ja auch viel leichter meckern als loben. Ich sage das deshalb so deutlich, weil ich selbst lange Zeit die Angewohnheit hatte, bei allem erst mal nach den Fehlern zu suchen. Bis mir klar geworden ist, dass Nörgelei ein wunderbarer Weg ist, sich vor der Auseinandersetzung mit einem Thema oder einer Person zu drücken.

      Gerade wenn es um die Kirche und den Glauben geht, kann man schnell das Wesentliche verpassen. Man ärgert sich über irgendwelche Randthemen – möglicherweise sogar zu Recht – und verliert dabei Gott aus den Augen. Denn: Kritik schafft immer Distanz. Und das ist schwierig bei einem Gott, der Nähe sucht.

      FEBRUAR

      20

       Ringkampf

      Eine einsame Nacht, ein enges Tal, ein fast ausgetrockneter Bach. Am Ufer sitzt ein Mann und denkt nach. Als er kurz den Kopf hebt, sieht er plötzlich vor sich eine dunkle Gestalt, die ihn zum Kampf auffordert. Beide haben keine Waffen, und so fangen sie an, mit aller Kraft zu ringen. Stundenlang. Einmal erhält der Mann einen solchen Schlag auf die Hüfte, dass er schwer verletzt wird. Doch er gibt nicht auf.

      Irgendwie spürt er, dass die dunkle Gestalt mit Gott zu tun hat. Ja, das ist Gott. Und siehe da: Der Mann ist so ausdauernd, dass Gott ihn in dieser Gestalt nicht besiegen kann. Am Ende stellt er sogar eine Forderung an Gott: »Ich werde dich nicht gehen lassen, bevor du mich nicht segnest.«

      Der Mann heißt Jakob, sein Abenteuer steht in der Bibel – und ich liebe diese Geschichte. Vielleicht, weil sie deutlich macht, dass Gott seinen Segen nicht einfach wie eine Glaubens-Dividende ausschüttet. Um Segen muss man manchmal ringen. Und zwar mit aller Kraft. Jakob war vorher schon oft gesegnet worden. Doch sein Segen entfaltet sich erst, als er sich mit Gott – dem Segenspender – auseinandersetzt.

      Jakob zeigt sehr schön, wie das mit dem Segen gehen kann: Mit Gott im Gespräch bleiben und ihn dabei sehr deutlich an seine Verheißungen erinnern. Dafür kämpfen, dass dieser Segen zur Realität wird. Nicht einfach warten, ob er wirkt. Ich zumindest glaube, dass sich der Segen für eine Examensprüfung bei jemandem, der fleißig lernt, besser entfalten kann als bei einem, der faul ist. Und Jakob erlebt, dass ein Gesegneter beim Ringen um den Segen auch Blessuren davonträgt. Aber das war für ihn in Ordnung. Denn eines ist klar: Er hat diesen göttlichen Ringkampf um den Segen nie bereut.

      FEBRUAR

      21

       Ich verzichte (auch nicht) gern

      Das mit der Solidargemeinschaft ist schon so eine Sache. Jeder möchte gern dazugehören und von ihr profitieren, aber wenn es wirklich darum geht, dass alle gemeinsam die Probleme der Zukunft angehen, wird es eher still. Schließlich bedeutet ein solcher Beitrag zur Solidargemeinschaft in der Regel, dass man auf etwas verzichten muss.

      Dabei sind die Prognosen ziemlich übel: So wie sich die Alterspyramide in Deutschland entwickelt, wird man auf Dauer weder das Rentennoch das Krankenkassensystem halten können. Jedenfalls nicht, wenn nicht alle bereit sind, mit anzupacken. Ich gestehe, dass ich nicht einschätzen kann, ob die Vorschläge der Bundesregierung die richtigen Maßnahmen für eine zukunftsfähige Solidargemeinschaft sind. Aber eines ist klar: Wenn die Solidargemeinschaft auch noch in 20 Jahren funktionieren soll, dann müssen jetzt alle ihren Beitrag leisten.

      Und nun sehe ich jeden Abend in den Medien eine andere Interessengruppe, die mit trotziger Stimme verkündet, sie könne auf keinen Fall Einschnitte in Kauf nehmen: die Alten, die Jungen, die Reichen, die Armen, die Angestellten, die Beamten, die Selbstständigen, die Arbeitslosen, die Gewerkschaften, die Kranken, die Gesunden und, und, und. Jeder erzählt mir, er fände das Modell der Solidargemeinschaft toll, aber er könne, wolle und werde nichts dazu beitragen – oder aber: Er hätte schon mal dazu beigetragen, und das sei nun wirklich genug.

      Ich weiß natürlich, dass es viele Menschen nicht leicht haben. Aber eine Solidargemeinschaft muss ihre Krisen gemeinsam bewältigen. Und ich erschrecke, wie viele Menschen andauernd das Gefühl haben, zu kurz zu kommen. Zu den Grundwahrheiten des christlichen Glaubens gehört, dass es dem Einzelnen nur dann wirklich gut gehen kann, wenn es der Gemeinschaft gut geht. Auch wenn es mich genauso wie alle anderen schmerzt: Ich bin bereit, kürzerzutreten. Und ich hoffe sehr, dass wir das hinkriegen.

      FEBRUAR

      22

       Die beste aller Welten

      Das sind doch mal gute Nachrichten: Die Zukunft der Gesellschaft im 21. Jahrhundert sieht möglicherweise gar nicht so übel aus! Behauptet zumindest der Soziologe Gerhard Schulze, der in den 90er-Jahren mit dem Begriff »Erlebnisgesellschaft« Furore gemacht hat. Vor einigen Jahren ist ein weiteres Buch von ihm erschienen: »Die beste aller Welten«.

      Der Einstieg in Schulzes Theorie klingt allerdings erst mal düster. Wir alle befinden uns zurzeit in einem Prozess, den er das »Steigerungsspiel« nennt. Wertvoll ist nur noch das, was sich steigern lässt. Immer mehr, immer schneller, immer besser, immer sozialer und so weiter.

      Die Sache hat nur einen Haken: Das Steigerungsdenken ist so sehr zu einem Selbstläufer geworden, dass die Menschen inzwischen Angst haben, Ziele zu erreichen. Ein Leben, das nicht mehr verbessert werden kann, scheint sinnlos. Und was den Menschen dabei völlig abgeht, ist die Zufriedenheit. Wer immer alles verbessern will, ist nie zufrieden.

      Kein Wunder, dass es in diesen Zeiten auch die Kirchen schwer haben. Ihre Werte sind nicht steigerbar. »Gott liebt dich unendlich! Jesus hat am Kreuz deine Schuld ein für alle Mal auf sich genommen! Weil Gott dich annimmt, kannst du dich selbst mit Haut und Haar annehmen!« Das kann man nicht verbessern.

      Das Steigerungsspiel wird nicht aufhören. Da ist sich Gerhard Schulze sicher. Aber die Leute werden neu fragen: »Wozu?« Wozu arbeite ich eigentlich 70 Stunden pro Woche? Wozu mache ich das alles? Sie werden entdecken, dass nur derjenige das Steigerungsspiel vernünftig mitspielen kann, der weiß, welchen Sinn sein Leben hat.

      Und weil ich davon überzeugt bin, dass der christliche Glaube darauf eine wirklich gute Antwort hat, sehe ich nicht nur für unsere Gesellschaft, sondern auch für die Kirche optimistisch in die Zukunft. »Die beste aller Welten« ist die, in der ich mich grenzenlos zu Hause fühle, auch wenn ich weiß, dass noch manches besser werden kann.

      FEBRUAR

      23

       Am Tiefpunkt

      Am 23. Februar 1960 war es so weit: Die beiden Männer, Jacques Piccard und Donald Walsh, zwängen sich in den Bathyskaphen, schließen die Luken – und

Скачать книгу