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letztlich das christliche Abendland. Und dass wir heute eine Gesellschaft haben, die auf christlichen Werten wie Menschenwürde, Freiheit und Nächstenliebe aufbaut, ist mehr als erfreulich.

      Trotzdem gibt es viele Leute, die fragen: War dieser Schritt von Theodosius wirklich klug? Also: War es richtig, das Gedankengut dieser bislang verfolgten Glaubensgemeinschaft der Christen zum offiziellen Pflichtprogramm zu machen? Vorher hatten die Menschen ja die freie Wahl, ob sie Christinnen und Christen werden wollten; jetzt war es plötzlich so etwas wie ein Gebot.

      Die Gefahr dabei ist ziemlich klar: Wenn etwas, das man aus Begeisterung, Leidenschaft und Überzeugung gemacht hat, plötzlich zur Pflicht, zur Gewohnheit und zum Ritual wird, dann geht das fast immer schief. Insofern wundert es auch nicht, dass ein verstaatlichtes Christentum so manche Macken hat.

      Vielleicht ist es ein richtiger Segen, dass Menschen im 21. Jahrhundert das Geschenk des Glaubens wieder aus freier Entscheidung annehmen können. Und vielleicht tut das auch der Kirche gut.

      MÄRZ

      1

      »Alle anders – Alle gleich.« Das war ein starkes Motto für die »Internationalen Wochen gegen Rassismus«, die kürzlich stattfanden. »Alle anders – Alle gleich!« Jeder Mensch ist ein Individuum, vor allem aber ist er ein Mensch. Ganz gleich, welche Hautfarbe, Religion, Kultur oder Erziehung er hat.

      Nur wer das kapiert, ist auch in der Lage, etwas gegen die vielen kleinen und großen Formen von Rassismus zu unternehmen, die man in Deutschland täglich beobachten kann. »Hey, der Typ da, das ist nicht in erster Linie ein Norweger, ein Türke, ein Araber oder ein Afrikaner. Das ist ein Mensch.« Rassismus fängt nämlich genau da an, wo jemand das Gefühl hat, ein anderer sei irgendwie ein bisschen weniger Mensch.

      »Alle anders – Alle gleich.« Nur: Woher stammt eigentlich der kluge Gedanke, dass alle gleich sind? Na, das ist einer der zentralen Inhalte des christlichen Glaubens! Und dabei geht es gar nicht um »Gleichmacherei«, sondern um eine echte Aufwertung des Menschen: Weil Gott uns geschaffen hat, sagt die Bibel, sind wir alle gleich, und zwar gleich wertvoll und gleichermaßen gewollt und geliebt.

      Wer in jedem Menschen ein von Gott geliebtes Geschöpf sieht, kann den anderen gar nicht verachten. Insofern ist der Glaube auch eine gute Basis, um Rassismus zu überwinden. In der Geschichte der Kirche hat das leider nicht immer geklappt, aber Jesus hat zumindest vorgemacht, dass sich die Welt verändert, wenn man auch den merkwürdigsten Gestalten mit Liebe und Achtung begegnet. »Alle anders – Alle gleich.«

      MÄRZ

      2

       Michail Gorbatschow

      Manchmal sagt oder tut man im richtigen Moment das Richtige. Und die ganze Welt verändert sich. Aber aufgepasst: »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.«

      Er hat im richtigen Moment die Welt verändert: Michail Gorbatschow, der heute Geburtstag feiert. Er war nur eineinhalb Jahre russischer Staatspräsident, doch sein Einsatz für die Wiedervereinigung sorgte im richtigen Augenblick dafür, dass aus zweimal »Deutschland« ohne Blutvergießen wieder eines wurde. Dafür, für seine Entspannungs- und Reformpolitik der »Perestrojka« und für seine neue Offenheit gegenüber den lang verschwiegenen Schwächen der Sowjetgesellschaft wurde Gorbatschow 1990 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Unser Gorbi.

      Ich bewundere vor allem seine klaren und im Prinzip schlichten Grundideen: Ehrlichkeit ist besser als die ewigen Vertuschungsversuche, gute Beziehungen sind besser als Aggressionen, und Veränderungen sind besser als Stillstand. Ich weiß natürlich, dass man über Gorbatschows Politik herrlich streiten kann und dass er mit seinen Reformen am Ende gescheitert ist – aber: Seine Ideen haben trotzdem gesiegt. Der Kalte Krieg ist vorüber, und Deutschland konnte die Mauer niederreißen.

      Und das zeigt mal wieder: Ideen sind stärker als Waffen. Selbst wenn ihre Väter scheinbar scheitern, setzen sich gute Ideen durch. Das gilt für Gorbatschow wie für Jesus oder Martin Luther King. Insofern war Gorbatschows »Ja« zur Wiedervereinigung eigentlich nur die logische Konsequenz einer viel größeren Vision. Vielleicht brauchen wir mal wieder ein paar Visionäre, die fühlen, wann die richtige Zeit für Veränderungen gekommen ist. Also: Herzlichen Glückwunsch, Michail.

      MÄRZ

      3

       King Kong

      »Und siehe! Das Untier erblickte das Antlitz der Schönheit, und seine Hände ließen ab vom Töten. Und von diesem Tag an war es dem Tod geweiht.«

      Mit diesen geheimnisvollen Worten begann Anfang März 1933 der Mythos »King Kong« – und einer der größten Filmerfolge der Kinogeschichte. Es geht darin um Liebe und Tod, um Schönheit und Wildnis und um den riesigen Affen Kong, der auf einer Südseeinsel lebt und von einem Filmteam gefangen und nach New York gebracht wird. Dort bricht er aus, kämpft und wird am Ende auf dem Empire State Building von Jagdfliegern getötet. Allerdings erst, nachdem er die schöne Schauspielerin Ann, in die er sich verliebt hat, voller Zärtlichkeit in Sicherheit bringen konnte. Romantik und Horror in einem.

      Viele Experten sagen, dass der Film »King Kong« deshalb so ein Erfolg wurde, weil er Motive aus der Jesusgeschichte übernimmt. Echt? Ja: Da ist ein mächtiges Wesen, das sich in einen Menschen verliebt und deshalb sterben muss. So wie Kong aus Liebe zu Ann nicht einfach kämpft oder flieht, sondern aufhört zu töten und sich selbst opfert, wird auch von Gott erzählt, dass er »seine Macht abgab«, um den Menschen ganz nah sein zu können.

      Darf man King Kong wirklich mit Jesus vergleichen? Nun, ein bisschen gewagt ist das schon. Vor allem, weil die biblische Geschichte an Ostern ein Happy End hat. Jesus steht nämlich wieder auf.

      MÄRZ

      4

       Die Zahl der Opfer

      Komisch, dass sich das Ganze immer noch Friedensprozess nennt. Denn den entdecke ich leider nirgendwo. Seit ich denken kann, taucht alle paar Jahre ein neuer Friedensplan auf. Aber der Konflikt in Israel und Palästina schwelt nun schon Jahrzehnte vor sich hin – und die Signale, die ich in den Medien wahrnehme, klingen nicht nach einer baldigen Lösung.

      Es ändert sich irgendwie nichts: Die einen töten mit Selbstmordattentaten, die anderen mit Soldaten. Einig sind sich die Kontrahenten nur in einem einzigen Punkt, nämlich dem Bewusstsein: »Wir, ja, wir verteidigen uns doch nur! Aggressiv sind die jeweils anderen.«

      Ich habe in Israel-Palästina sowohl mit Juden als auch mit Palästinensern gesprochen und war überrascht, dass ich von beiden exakt die gleichen Geschichten gehört habe. Die waren schrecklich, hatten mit persönlichen Verlusten zu tun und mündeten alle in dem Aufschrei: »Unser Verhalten ist nur Notwehr. Wir sind die Opfer!«

      Ich kann hier gewiss nicht versuchen, den Nahostkonflikt zu bewerten, aber eines weiß ich aus eigener Erfahrung: Menschen, die sich nur als Opfer sehen, lösen keine Konflikte. Niemals. Ein Opfer fühlt sich in die Ecke gedrängt, unterstellt dem anderen nur noch schlechte Motive und verliert jedes Realitätsgefühl. Wer sich nur als Opfer sieht, glaubt, dass er erst dann gewonnen hat, wenn der andere klein beigibt. So funktioniert Friede aber nicht.

      Die Friedenspolitik der Bibel sieht anders aus. Sie sagt erstens: »Du bist niemals nur Opfer. Du bist verantwortlich für dein Tun.« Und zweitens: »Vergiss nie, dass du von Gott geliebt wirst. Ganz gleich, wie widrig die Umstände auch sein mögen: Da ist einer, der dich liebt und achtet. Wenn du dir das bewusst machst, dann kommst du aus der Opferrolle heraus und kannst der Welt friedlicher

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