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mit dem Namen zu melden. Im Büro machte ich dies natürlich „richtig“. Privat ist das wieder anders. Außerdem kennen alle meine Stimme, die nach Jahrzehnten Leben in Franken immer noch eine starke bayerische Färbung hat.

      Am Telefon ist Hans, der Mann meiner Cousine. Er ist ein früher Vogel, der immer den Wurm findet. Er hat in seinem Leben viele Würmer gefunden. Obwohl er schon sechs Jahre in Pension ist, sucht er immer noch nach den frühen Würmern.

      Jetzt aber gratuliert er mir. Auch ich spreche ihm meine Glückwünsche aus, denn auch er hat heute Geburtstag, aber er ist ein Jahr älter. Nach ein paar heiteren Sätzen, dass ich ihn trotz aller Bemühungen nicht einholen kann, übergibt er das Telefon an meine Cousine Beate.

      Ihr Atem hört sich kurz und ihre Stimme etwas hektisch an.

      „Bist du schon auf? Ich habe dem Hans gesagt, so früh kannst du nicht anrufen. Aber du kennst ihn ja.“ Nun folgen liebe Glück- und Segenswünsche.

      Meine Cousine, mehr meine Schwester, ist ein Jahr jünger. Wir sind zusammen aufgewachsen und haben ein herzliches Verhältnis zu einander. Obwohl wir nicht immer einer Meinung sind, machen wir uns gegenseitig nichts vor, aber das wirkt sich nie störend aus. Wir ratschen etwas und besprechen kurz auch meine Geburtstagsfeier, die erst am kommenden Samstag stattfinden soll, bis das zweite Telefon läutet.

      Es ist meine allerbeste Freundin Melitta.

      Ich habe Freundinnen, gute Freundinnen und mehrere beste Freundinnen. Melitta ist meine allerbeste. Sie hat mir im letzten Jahr in jeder Beziehung sehr viel geholfen, d. h. mit Rat und Tat, eigentlich mehr mit Tat als Rat. Ratschläge bekommt man im Leben viele, Ratschläge, brauchbare und unbrauchbare, manchmal wird einfach nur der Senf dazu gegeben.

      Es geht um Ratschläge, wie man den schweren Koffer des Lebens leichter tragen kann. Aber Melitta hilft tragen, das ist der gravierende Unterschied.

      Auch ihre Tochter Nina übermittelt mir ihre Glückwünsche.

      Nun brauche ich erst mal eine Tasse Kaffee. Ich gieße mir einen Schnellkaffee auf. Kuchen habe ich auch nicht da. Den wird mein Sohn bringen. Vorerst tut es ein altes Brötchen. Andy, mein Sohn, wird aber erst später kommen. Er ist am Wochenende im Osten bei seiner Freundin Marion, die in der Nähe von Magdeburg wohnt.

      Gerade tauche ich meine alte Semmel in den Kaffee – ein Relikt aus der Kindheit (damals jedoch Brot) – als das Telefon erneut läutet. Es ist Andy, mein Sohn.

      „Bist du schon auf dem Weg?“, frage ich ihn.

      „Nein, ich bin schon in Nürnberg. Ich bin schon um fünf Uhr weggefahren.“

      Seine Glückwünsche freuen mich besonders. Andy will Essen vom „Mongolen“ holen, Torte in der Konditorei kaufen, dann kommen. Ich habe einen sehr lieben Sohn. Was würde ich ohne ihn machen? Er hat zwar manchmal auch seine Mucken und Launen, aber welcher Mann hat die nicht?

      Er ist ein lieber, intelligenter, sehr fleißiger Bub. Er ist nun fünfundvierzig Jahre alt, aber er schaut noch viel jünger aus. Auf Wunsch von Marion trägt er sein Haar lang. Er hat äußerlich nicht viel Ähnlichkeit mit mir. Gott hat ihn davon bewahrt. Außer meinen Sohn habe ich noch zwei Neffen.

      Robert, der wie ich auch ziemlich übergewichtig und Ludwig, der zwar rank und schlank ist, aber rote Haare wie ich hab, d. h. wie ich hatte.

      Wenn diese drei jungen Männer bei mir stehen und ich frage, welcher von ihnen mein Sohn ist, dann tippen alle entweder auf Robert oder auf Ludwig, aber niemand kommt auf die Idee, Andy für meinen Sohn zu halten.

      Er schaut auch seinem Vater nicht sehr ähnlich, sondern mehr meiner Mutter.

      Das Telefon läutet wieder und reißt mich aus meinen Gedanken.

      Es ist Marion, meine Schwiegertochter. Ihre Glückwünsche sind sehr herzlich. Sie ist eine ganz Liebe. Sie ist ein kleines, zierliches, hübsches Persönchen, voller Kraft und Energie, eine Powerfrau. Sie hat sich ein sehr jugendliches Aussehen bewahrt.

      Der nächste Anruf kommt von meiner Freundin Hermine.

      Seit 1955 sind wir befreundet. Ihre gesundheitliche Lage ist meiner sehr ähnlich und wir tauschen uns fast täglich aus.

      Nun läutet es. Ich erschrecke und fahre in die Höhe. An dieses schrille Läuten kann ich mich einfach nicht gewöhnen.

      Andy kommt. Die Tortenstücke – aber bitte mit Sahne – hat er schon dabei. Gleich fährt er nochmals los und kommt kurz darauf mit den mongolischen Gerichten zurück.

      Das Essen schmeckt; wir lassen es uns gut gehen.

      Nach dem wir unsere Portionen verzehrt haben, wollen wir noch einen Kaffee trinken. Diesmal gefilterten.

      Zu einer gemütlichen Unterhaltung kommen wir nicht, denn dauernd klingelt das Telefon. Unser Gespräch wird ständig unterbrochen.

      Andy sitzt auf dem kleinen Sofa. Er wirkt müde. Er ist in der Früh um fünf Uhr wegfahren, das ist schon anstrengend. Unterhalten können wir uns wegen der laufenden Gratulationsanrufe sowieso nicht.

      „Na ja“, meint Andy, „ich geh dann.“

      „Ja, hast recht. Du siehst ja, dass ich dauernd am Telefon bin.“

      Die telefonischen Glückwünsche dauern noch bis zum Abend um neun an. Jetzt mache ich mich aber schnell „bettfein“ (von Marion gehört) und falle erschöpft in die Kissen.

      Endlich kann ich meinen Gedanken freien Lauf lassen.

      Wenn all die heutigen Glückwünsche in Erfüllung gehen, dann werde ich glücklich, in bester Gesundheit, schlank und rank, mindestens 100 Jahre alt, ein vitaler, liebenswürdiger Lebensgefährte wird mich durch das Leben und auf Reisen begleiten, Andy und Marion werden liebevoll um mich rumwuseln, meine Finanzen werden bestens sein. Wenn ich wirklich einmal sterben muss, dann bei bester Gesundheit und auf Grund meiner Gutheit werde ich sofort ins Paradies eingehen.

       Hoffentlich hat der liebe Gott alle Anrufe mitgehört und wird seinen Engeln entsprechende Anweisungen erteilen.

       DIE HEUTIGE DURCHSCHNITTLICH 70-JÄHRIGE

      Ich denke über all die guten Wünsche nach. Eine „normale“ 70-jährige bin ich nicht. Wie ist denn in der heutigen Zeit die „durchschnittliche“ 70jährige Frau, die in der „Norm“ ist? Na ja, demnach müsste ich eine „glückliche“ Witwe sein, deren Mann sich für die Familie geopfert und mit einem Herzinfarkt das Zeitliche gesegnet hat.

      Statistiken belegen, dass auf drei Frauen in meinem Alter ein Mann trifft.

      Als Normfrau würden mir die Witwenrente, die Betriebsrente des Verblichenen und meine Altersrente mein Dasein großzügig finanzieren. Ich lebe alleine in einem viel zu großen Haus, Eigentumswohnung oder zumindest in einer geräumigen Mietwohnung. Die Kinder sind schon lange ausgezogen, sind verheiratet. Sie haben ihr eigenes Heim nach ihrem Geschmack.

      Ich halte mich mit „nordic walking“ fit, übe im Fitnesscenter am Crossover-Gerät (lt. Melitta), gehe mindestens einmal in der Woche zum Schwimmen, in die Sauna und ins Sonnenstudio.

      Natürlich gehören zwischendurch auch aufbauende Wellness-weekends dazu.

      Ich nehme am Morgen meine Tabletten gegen Bluthochdruck ein; achte auf meinen Cholesterin- und Blutzuckerspiegel, damit es mir eines Tages nicht so ergeht, wie meinem verstorbenen Ehemann.

      Selbstverständlich gehören auch Antiaging sowie 50plus-Produkte zu meinem Programm.

      Einmal in der Woche fahre ich zum Friedhof, denn das muss sein. Was würden wohl die Leute sagen, wenn nicht immer frische Blumen auf dem Grab liegen würden?

      Außerdem treffe ich mich einmal in der Woche mit meinen Freundinnen zum Kaffeeklatsch.

      Da werden bei Kaffee Latte Macchiato (der ist nach Espresso und Cappuccino einfach „trendy“)

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