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möglich, alleinerziehend und Polizistin zu sein? Flynn glaubte ja nicht einmal, dass sie sich um einen Hund kümmern konnte.

      Beck stand jetzt wieder auf und stellte das Wasser ab. Die Wärme und der Dampf hatten sie nur noch müder gemacht, sodass ihr all die Komplikationen noch deutlicher bewusst wurden.

      Sie hatte sich gerade angezogen und das Haar geföhnt, als Flynn die Treppe hinaufrief: „Kommst du jetzt zum Essen? Ich habe das Spiel eingeschaltet.“

      „Ich komme“, antwortete sie, griff nach ihrem Rucksack und Beetle Boo sah sie mit verlorenem Blick an. „Ich bin doch bei dir, Kumpel, keine Sorge.“

      Sie trug ihn nach unten und setzte ihn aufs Sofa, während sie sich Essen auffüllte, und genau in dem Moment, als sie sich den ersten Bissen in den Mund steckte, gingen auf ihrem Handy zwei Nachrichten ein.

      Die erste kam aus der Arztpraxis. Es war die Erinnerung an ihren Termin am 3. Januar. Wahrscheinlich sollte sie diesen endlich wahrnehmen, weil sie schon die letzten beiden einfach hatte ausfallen lassen.

      Die zweite Nachricht kam von Sergeant Ingram.

      Sobald du hier bist, in mein Büro.

      Beck seufzte, warf ihr Handy ans andere Ende des Sofas und das cremige, fettige Boef Stroganoff wurde sauer in ihrem Mund.

      Das würde eine lange Nacht werden.

      Inzwischen hatte sich Flynn in seinem Ohio State Trikot und Jogginghose in seinem Fernsehsessel niedergelassen und feuerte sein Team an.

      „Kannst du dich bitte um den Hund kümmern, während ich bei der Arbeit bin?“, fragte Beck. „Bitte?“

      „Touchdown!“ Flynn riss die Arme hoch und eine Nudel flog in hohem Bogen durch die Luft. „Ich sag Wyatt, dass er das übernehmen soll.“

      „Aber erinnere ihn bitte daran, ja? Er ist sechzehn und in erster Linie mit sich selbst beschäftigt.“ Ihr sehr viel jüngerer Bruder war wirklich ein netter Junge, lebte aber weitgehend in seiner ganz eigenen Welt, in der er ein erfolgreicher Sportler und der „Traum aller Ladys“ war – das waren seine Worte, nicht ihre.

      „Wenn ich mich recht erinnere, warst du in dem Alter auch ziemlich mit dir selbst beschäftigt“, bemerkte Flynn, sammelte die Nudel wieder auf und wischte mit seiner Serviette den Fleck vom Hartholzboden weg.

      „Mit sechzehn hatte ich schon meinen Vater verloren und alle Kindheitserinnerungen, die mit ihm zu tun hatten“, entgegnete sie darauf und fuhr fort: „Meine Mutter war nicht für mich da, weil sie gearbeitet und getrauert hat, und dann brachte sie auch noch einen Stiefvater mit nach Hause und schenkte mir einen Flegel von einem kleinen Bruder. Also ja, vielleicht war ich ziemlich mit mir selbst beschäftigt. “

      Flynn wandte sich jetzt vom Bildschirm ab und fragte: „War es wirklich so schlimm?“

      Sie grinste, aß einen Bissen und sagte: „Na ja, Wyatt ist nicht ganz so schlimm.“

      Da schmunzelte ihr Stiefvater. „Das freut mich“, sagte er und rief dann in Richtung des Fernsehers: „Hey, Schiri, was soll denn das? “

      Beck hatte gerade ihren Teller leer gegessen und überlegte, ob sie sich noch einen Nachschlag holen sollte, als das Spiel durch eine Werbepause unterbrochen wurde.

      Flynn brachte sein benutztes Geschirr und die leere Bierflasche in die Küche und fragte: „Hat deine Mutter dir gesagt, dass ein Einschreiben für dich gekommen ist?“

      „Ja, hat sie.“ Beck stellte ihr Geschirr in den Geschirrspüler und beschloss, auf einen Nachschlag zu verzichten, damit sie sich auf dem Weg zur Arbeit einen Donut genehmigen konnte. Sie hatte schon seit ein paar Tagen richtigen Heißhunger auf einen Donut.

      Sie fand den Brief auf dem Tischchen in der Diele und schaute zu Flynn hinüber, als der mit einer zweiten Portion Stroganoff an ihr vorbeiging. „Kennen wir jemanden in Fernandina Beach, Florida?“, fragte sie ihn.

      „Da habt ihr als Familie oft Urlaub gemacht, als du noch klein warst und dein Vater noch gelebt hat.“ Den Blick fest auf den Fernseher gerichtet, saß Flynn mit dem Teller auf dem Schoß da und warf seine Serviette Richtung Fernseher. „Komm schon, Schiri, jetzt lass die Jungs doch mal spielen.“

      Beck schaute auf den Umschlag, der ziemlich offiziell aussah. Ihre Mutter hatte einmal erzählt, wie sie immer zu zweit sechs Wochen von Becks Sommerferien in Florida verbracht hatten. Die letzten drei davon war ihr Vater nachgekommen.

      Aber ihre Mutter sprach, wenn überhaupt, nur selten über die gute alte Zeit oder kramte mit feuchten Augen in ihren oder Becks Lebenserinnerungen vor dem 11. September.

      Beck atmete jetzt einmal tief durch, riss den Umschlag auf und faltete ein langes Schreiben auseinander. „Das ist das Testament von Mrs. Everleigh Callahan.“

      „Was?“ Flynn schaute kurz zu ihr herüber und dann wieder auf den Bildschirm. „Everett wer?“

      „Everleigh, habe ich gesagt, du Knalltüte. Guck einfach dein Spiel. Da steht …“ Aber dann blieben ihr die Worte im Hals stecken. „… ich bin die einzige Erbin.“ Sie schaute sich noch einmal den Umschlag und den Briefkopf an. Ja, der Brief war tatsächlich an sie adressiert. „Das muss ein Scherz sein.“

      Im Fernsehen kam schon wieder Werbung und Flynn griff nach dem Brief. „Ich bin zwar kein Anwalt, aber das sieht echt aus. Du hast ein Haus in der Memory Lane Nr. 7, Fernandina Beach, Florida geerbt.“ Er zog ein Gesicht. „Und ihren gesamten Besitz, einschließlich aller Konten.“ Er gab ihr das Schreiben auf dem Rückweg in die Küche zurück. „Darüber redest du wahrscheinlich am besten mit deiner Mutter. Wer um Himmels willen ist denn Everleigh Callahan und wieso setzt sie dich als Alleinerbin ein?“

      „Gute Frage, Flynn. Das würde ich selbst auch gern wissen.“

      KAPITEL 4

       Everleigh

      Mai 1953

      Waco, Texas

      Das Leben als verheiratete Frau passte zu ihr, aber daran hatte sie auch nie gezweifelt. Die Ehe erfüllte sie mit Freude und so viel Glück.

      Vor acht Monaten war Everleigh Novak in der First Baptist Church die Frau ihres Cowboy Ranchers geworden und heute würde sie das Märchen noch um ein Kapitel erweitern.

       „Rhett, mein Schatz, ich bin schwanger.“

      Der Arzt hatte an diesem Morgen die Schwangerschaft bestätigt, doch das romantische Abendessen mit ihrem Mann heute Abend hatte sie schon länger geplant, weil sie an diesem Abend das Haus der Applegates ganz für sich allein haben würden. Ihre Schwiegereltern, die Respekt einflößende Mama Applegate und der sympathische Papa Applegate, Königin und König der „Circle A Ranch“, würden nämlich mit Freunden zusammen in der Stadt essen gehen.

      Everleigh legte ihre Hand auf ihren noch flachen Bauch und blinzelte in den strahlenden Sonnenschein im Stadtzentrum von Waco.

      Gott hatte sie freundlich angesehen an dem Tag, als Rhett sie zu dem Tanz eingeladen hatte. Ausgerechnet Miss Everleigh Novak war dem begehrtesten Junggesellen von Baylor aufgefallen, und er hatte von all den Mädchen, die um seine Aufmerksamkeit buhlten, sie erwählt.

      Und jetzt trug sie seinen Nachkommen unter dem Herzen. Vielleicht einen Sohn, den nächsten Erben der Applegate-Ranch. Oder eine Tochter, die in diesen modernen Zeiten vielleicht auch eines Tages die Ranch weiterführen würde.

      Ihr Sohn, ein künftiger Fullback im Football an der Baylor University, genau wie einst sein Vater.

      Und ihre Tochter – im Unterschied zur Mutter – vielleicht eine künftige Homecoming Queen. Obwohl man sich da nicht täuschen sollte, denn als Rancher-Tochter

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