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anderen kräftig ausgenutzt, vor allem von Amanda. Diese hatte die Charaktereigenschaft, mit Konrads Mutter solange schönzutun, bis der Garten gemacht war. Anschließend brach sie einen Streit vom Zaun und fuhr dann die Ernte mit Hilfe der anderen Familienmitglieder ein. Vor allem Konrads Cousin Wilfried bediente sich in Amandas Garten ständig. Ernten ohne anbauen, war seine Devise. Offensichtlich hatte er diesen Charakterzug von Amanda geerbt.

      Als Konrad im Vorschulalter war, nahm seine Mutter ihn überall mit hin. Zuerst ging es in den Garten am Wasserturm. Sein großer Bruder, acht Jahre älter, und seine große Schwester, vier Jahre älter als Konrad, ließen sich im Garten nur selten blicken. Unter dem Vorwand, sie müssten für die Schule lernen, hatten sie nie Zeit, überhaupt für die Arbeit. Und wenn an den Sonntagen die ganze Familie im Garten zusammen war, faulenzten sie nur. Konrads Schwester Ruth saß die meiste Zeit auf der Schaukel. Der große Bruder Günter las andauernd, sogar beim Essen. Vom Vater wurden ihm dafür mehrmals Schläge angedroht, was er aber doch nicht wahrmachte. Die bekam dann Konrad.

      Die Mutter rackerte sich auch sonntags im Garten ab, die Arbeit riss auch nicht ab. Siebenhundert Quadratmeter Nutzfläche mussten bearbeitet werden. Die Statuten des Gartenvereins ließen keine Faulenzerflächen (Rasenflächen) zu. Nur eine kleine Gartenlaube und eine kleine Sitzfläche waren erlaubt.

      Konrads Vater sah man in seinen jüngeren Jahren seine Versehrtheit kaum an. Er trug Prothesen und lief an nur einem Spazierstock. Täglich ging er so zur Arbeit und wieder zurück. Anschließend meist in den Garten. Nicht nur Obst und Gemüse galt es hier anzubauen, auch die Kleintierzucht war eine wichtige Ernährungsquelle in der Nachkriegszeit. Konrads Vater war, trotz seiner Behinderung, meist mit dem Bau von Kaninchenbuchten, Hühnerställen und Zwingern beschäftigt. Konrad wollte von klein auf immer mithelfen, ob bei der Gartenarbeit oder beim Kaninchenställebauen. Diese mussten so konzipiert sein, dass die Kleintierhaltung auch über den Winter den entsprechenden Nutzen brachte. Da ging es auch im strengsten Winter in den Garten die Kaninchen und Hühner füttern. Und die Winter waren ausgerechnet in der Nachkriegszeit bitterkalt. Da waren die Kaninchen nicht nur wichtige Fleischlieferanten, sondern auch Felllieferanten.

      Konrads Mutter konnte alles. Wenn der Vater ein Kaninchen geschlachtet und das Fell abgezogen hatte, spannte die Mutter es auf einen Rahmen und bestreute es mit Alaunsalz. Dann blieb es erst einmal liegen bis es zum Gerben bereit war. Nachdem die Mutter das Fell stundenlang gegerbt hatte, solange bis das Leder ganz weich war, nähte sie eine Mütze, Handschuhe oder eine Jacke aus dem Fell. Nichts hielt wärmer, als die Fellsocken aus Kaninchen. Leider haperte es am Hosen- oder Schuhenähen aus Fell, das können nur die Eskimos. Hosen und Schuhe waren ein Engpass in der Nachkriegszeit. Auch die Jungen trugen im Winter lange Strümpfe und kurze Hosen. Konrad konnte kaum die Schuhe von seinen älteren Geschwistern übernehmen, da der Altersunterschied zu groß war und deren Schuhe meist völlig verschlissen waren. Neue Lederschuhe gab es gar nicht. Es gab nur alte Bestände, die immer wieder geflickt wurden. Oft waren Schuhe ein beliebtes Tauschobjekt für Lebensmittel.

      Es war wieder so ein harter Winter. Im Wohnhaus waren die auf der Treppe befindlichen Klos durch Unachtsamkeit der Bewohner eingefroren. Zur Strafe mussten alle ihre Notdurft auf Eimern und Schüsseln verrichten und anschließend über die Hofmauer aufs nachbarliche Gärtnereigrundstück entsorgen. Was für eine Schweinerei. Allerdings war es so kalt, dass alles gleich gefror und nicht einmal Zeit zum Stinken hatte. Im Frühjahr konnte der Gärtner den gesamten Kot dann als Dünger für seine Kürbisse verwenden. Das wurden wahre Riesen.

      Um das Überleben der Haustiere im Garten zu sichern, baute Konrads Vater ein unterirdisches Hühnergelass, welches ebenerdig mit Glasfenstern abgedeckt war. Die Hühner konnten aus ihrem Außenzwinger durch eine Öffnung unterhalb der Kaninchenbuchten in die frostfreie Höhle gelangen. Die Kaninchenbuchten wurden mit Holzverschlägen, welche nur zum Füttern geöffnet wurden, gesichert. Zum Warmhalten wurden die Buchten mit viel Stroh ausgefüttert. Durch all diese Maßnahmen ist kein Tier erfroren, sondern zur richtigen Zeit geschlachtet und gegessen worden.

      Für Konrad war das Schlachten immer sehr spannend. Da fiel jedes Spielzeug aus der Hand, wenn ein Kaninchen geschlachtet wurde. Angangs wehrte sich die arme Kreatur, ahnend, was auf sie zukommt, mit allen Mitteln. Wehrlos hing es dann an der Hand des Vaters mit seinen Hinterläufen. Mit zwei bis drei kräftigen Schlägen mit einem Knüppel hinter die Ohren des Hasen war Ruhe, das Tier war betäubt. Anschließend schnitt der Vater dem Tier die Kehle durch und ließ das Blut in eine Schüssel laufen. Dann spannte er den Körper mit gespreizten Beinen zum Fellabziehen und zur weiteren Bearbeitung an der Küchentür auf. Für Konrad war das unheimlich interessant, wie sein Vater das machte. Felle, die nicht für den Eigenbedarf bestimmt waren, wurden zum Fellhändler gebracht. Hierfür gab es ein paar Mark, die Konrads Mutter dringend für die knappe Haushaltskasse brauchte.

      Konrad war meist dabei, wenn die Mutter einkaufen ging. Die klägliche Zuteilung auf Lebensmittelmarken war schnell aufgebraucht, also gab es beim Fleischer nur Wurstzippel, das waren die Wurstenden. Die Fleischermeisterin gab sie billig ab, aber nicht umsonst. Konrad hatte sogar eine Patentante, die mit ihrem Mann einen kleinen Lebensmittelladen führte. Hier kaufte Konrads Mutter meist das Lebensnotwendigste ein. Meist ließ sie anschreiben. Konrad bekam immer einen Bonbon. Die Patentante war lieb und auch mit der Mutter immer freundlich. Ihr Mann betrieb im städtischen Stadtgraben eine Fischzucht. Einmal im Jahr wurde abgefischt, das war ein großes Ereignis für die kleine Stadt. Viel Volk versammelte sich am Ufer des Stadtgrabens. Dieser war ein offener Ring. Die Fischer konnten somit mit Netzen von der Mitte aus nach beiden Grabenenden die Fische treiben, bequem mit Keschern fangen und in große Handwagen verladen. Massenweise Fische war die Ernte für ein Jahr Arbeit. Der größte Teil der Fische wurde sofort vor Ort verkauft. Ein großer Teil wurde an die örtliche Fischbackstube geliefert, ein weiterer ging in den Laden zum Verkauf über mehrere Tage und Wochen. Selbstverständlich kam auch bei Konrads Familie Fisch auf den Tisch. Alle konnten sich wenigstens einmal richtig satt essen, vor allen Konrad, der hatte immer Hunger.

      Wenn die Mutter Kartoffeln gestoppelt hatte, gab es Kartoffelpuffer. Wenn die Kartoffeln alle waren, gab es Puffer aus den Schalen von den letzten Kartoffeln. Die schmeckten eklig, machten aber ein wenig satt.

      Brot war auch nicht immer da. Um etwas Ähnliches zu schaffen, fuhr die Mutter mit dem Fahrrad, und Konrad auf dem Gepäckträger, raus aufs nächste Getreidefeld zum Ährenlesen. Bei glühender Hitze wurde das abgeerntete Feld nach Ähren abgesucht, welche beim Mähen und Ernten abgefallen waren. Dabei stachen die Halmstoppeln Konrads kleine Waden blutig beim Gehen über das Feld. Konrad ertrug es, genau wie die Mutter, stillschweigend. Ein Sack musste mit Ähren voll werden, sonst lohnte sich das alles nicht. Sie waren auch nicht alleine auf dem Feld. Manchmal tauchte auch ein niederträchtiger Bauer auf und vertrieb die Menschen von seinem Feld.

      Wenn es gut ging, hatte Konrads Mutter nach vielen Stunden den Sack voll Ähren und band ihn auf den besagten Transportgepäckträger des Fahrrades. Jetzt schob sie das Fahrrad, denn Konrad nun auch noch aufs Rad, weil er nicht mehr laufen konnte. Meist waren das einige Kilometer. Von Zeit zu Zeit setzte die Mutter ihn ab und sie machten eine Pause am Feldrand. Völlig kaputt und verschwitzt kamen sie im Garten an. An der Wasserpumpe und dem dazugehörenden Bassin kühlten sich beide erst einmal gründlich ab. Gegessen wurde Obst, vor allem Süßkirschen Ein riesiger Kirschbaum war der Liebling Konrads. Jedes Jahr trug dieser Baum eine Unmenge der herrlichsten Früchte. Konrad war schon auf dem Baum, pflückte und aß abwechselnd Kirschen. Die Mutter nahm sich kaum Zeit zum Essen. Sie bereitete schon das Dreschen der Getreideähren vor. Hierzu wurden die gesammelten Ähren ausgebreitet und mit dem Dreschflegel kräftig bearbeitet, bis alle Körner aus den Ähren gedroschen waren. Anschließend wurde mit einem Tuch darüber gewedelt, um die leichten Rückstände der Ähren vom Korn zu trennen. Mittels Sieb wurde zu guter Letzt das reine Getreide gewonnen. Der ganze Sack brachte schließlich das klägliche Ergebnis von zirka einem halben Kilogramm reinen Getreide. Das lohnte sich natürlich für die Weiterverarbeitung noch lange nicht und somit waren für die folgenden Tage noch weitere Einsätze dieser Art von Konrads Mutter geplant, denn wenn einmal die Bauern begannen, die Felder umzupflügen, war alles zu spät.

      Und so wurde Konrad sechs Jahre alt

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