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zu Hause nach, und das Rezept behielt auch seinen Namen, „John-Kaffee“. Anschließend gibt es wieder Arbeit, denn neben dem Sortieren von Trensen, Sätteln, Traggeschirren, Seilen, Planen und dem Ordnen oder Auspacken der Kisten, müssen auch die Pferde versorgt werden, die noch angebunden und von allen Lasten befreit vor sich hindösen. Abbürsten, Fell, Beine, Hufe überprüfen, nach Druckstellen tasten, mit Bremsenöl einreiben, die „Ausreißer“ an den Vorderbeinen „koppeln“, damit sie nur kleinere Schritte machen und sich nicht zu weit entfernen können. Dann werden sie für die Nacht auf die Wiese entlassen, denn Futter und Wasser suchen sich die Tiere selbst. Mit all diesen Arbeiten haben wir Gäste offiziell nicht das Geringste zu tun, doch in unserer Truppe fasst jeder mit an und tut das, was er kann. Mit den Western- und Stocksätteln musste ich mich aber auch erst vertraut machen, denn ihre diversen Lederriemen, Schlaufen und Spezialknoten waren mir fremd wie die langen, wenig Bewegungsfreiheit bietenden Bügel, die bis auf das untere Drittel fest mit dem Sattel vernäht sind. Mit deren Gesamtlänge hatte ich anfangs ohnehin ein Gefühlsproblem, denn ich bin Rennpferde gewöhnt und fühle mich nur mit kürzeren Bügeln richtig sicher.

      Nach der kurzen Pause und den helfenden Handgriffen muss noch das von David gemietete Zelt aufgebaut und das Nachtlager hergerichtet werden. Und das ist mein Job, während Sabine bereits mit der Videokamera unterwegs ist. Als sie das Camp verließ, war sofort Willie unaufgefordert an ihrer Seite. David hat sie so erzogen, denn im Bärenland bedarf es dieses Schutzes. Loben muss man auch die „Hausfrau Joyce“, gebürtige Engländerin, exzellent im Sattel und ein regelrechtes Organisationstalent. Was sie auf dieser Tour in kurzer Zeit in ihrer „Feldküche“ gekocht, gebraten und gebacken hat, war enorm. Nie hat es an etwas gefehlt, nichts gab es zweimal, die Auswahl war reichlich, und der heiße, schwarze Kaffee aus der rußigen Cowboykanne, die über der Feuerstelle hing, war morgens auch schon fertig, wenn der Erste danach Ausschau hielt. Mit Johns Kognak „gestreckt“ wurde er bei der abendlichen Ankunftspause dann fast zum Kult.

      Nachdem die Zelte alle stehen, findet sich einer nach dem anderen am Lagerfeuer ein, wo die Steaks noch ein paar Minuten brauchen. Es sind Riesendinger, und jedem sind zwei davon zugedacht. In unserem Fall wird das sicher nicht gehen, zumal auf dem zweiten Rost auch noch Würste grillen und als Beilagen gemischter Salat und geröstetes Knoblauchbrot oder Baguette zur Verfügung stehen. Und wie alles in Kanada, so war auch der Wein nicht in kleinen Gebinden, sondern im Tetrapack, fünf Liter Rot, die gleiche Menge Weiß. Leer werden diese Kartons heute aber nicht mehr, denn die Müdigkeit greift schnell um sich, und auf dem Weg zum Zelt muss ich daran denken, dass es noch keine zehn Monate her ist, als wir ebenfalls unter ein paar Bäumen in ein kleines Zelt krochen. Das war auch nach dem Essen am Lagerfeuer und ohne jede Abzäunung zur Umgebung, allerdings in Afrika, im Moremi Nationalpark in Botswana! Dort hatten wir, weil unser Auto für das feuchte Gebiet im Okavango Delta nicht geeignet war, vor Ort einen Fünftagetrip mit Guide, Militärjeep und Zelt gebucht und unausgesprochen angenommen, dass der „Campingplatz“ nachts mit einem mitgebrachten Elektrozaun geschützt wird. Dem war aber nicht so. Wir waren auch keine Neulinge auf afrikanischem Boden, sondern dort schon sehr oft auf eigene Faust in mehreren Ländern unterwegs gewesen, aber ein Zelt ist eben kein schützendes Rondavell, und erst recht keine Lodge. Und auch die Erklärungen unseres Guides, dass Elefanten nicht auf Zelte treten, Hyänen nur neugierig, aber feige seien, Löwen um geschlossene Zelte einen Bogen machen überzeugte nicht so recht. Und der Guide schob auch sofort nach, das die beiden Engländer, die hier vor einigen Wochen von Löwen aus dem Zelt geholt worden sind, wegen der Temperaturen im offenen Zelt geschlafen hatten. Auf die Nilpferde, die nachts aus dem nahen See zum Grasen kommen, kam es dann auch nicht mehr an. Da blieb uns nur noch der Trost, dass wir auch drei Engländer dabei hatten …

      In jener ersten Nacht haben wir uns nicht nur einmal gefragt, worauf wir uns eigentlich eingelassen hatten, und saßen sehr lange mit einem dicken Knüppel in der Hand im kleinen Zelt. Die ersten Besucher waren tatsächlich die Hyänen, in deren Augen sich unser Taschenlampenlicht spiegelte. Danach grunzten die Hippos durchs Camp, während die Löwen mehr in der Ferne zu vernehmen waren. Irgendwann hatte uns der Schlaf dann doch übermannt, und die weiteren Stimmen jener Nacht vor uns verborgen. Am nächsten Morgen waren wir damals aber heilfroh, dass die Sonne wieder schien und wir alle gemeinsam am Frühstückstisch saßen, auch die Engländer. Dennoch hatten uns die Elefanten die Botschaft hinterlassen, dass sie, wie von unserem Guide angekündigt, zwischen den Zelten sehr sorgsam durchgezogen waren, denn direkt vor unserer Haustür lag die „Post“ der Dickhäuter, ein ziemlich großer Haufen. Wahrscheinlich passierten sie uns am ganz zeitigen Morgen, denn gehört hatten wir sie nicht. In den folgenden Nächten haben wir die Stimmen Afrikas zwar voll genossen, doch ist es schon sehr beruhigend, dass es diese Raubtiere hier in Kanada nicht gibt. Und weil für die Bären Willie und Rio zuständig sind, können wir die warmen Schlafsäcke auch bis über die Ohren hochziehen und dem neuen Tag entgegenträumen.

      Dieser beginnt am eiskalten Bach, und wer zum Zähne putzen heißes Wasser braucht, macht einen Umweg zum Lagerfeuer. Um diese Zeit ist es zwar noch ziemlich frisch, doch entschädigt dafür der Sonnenaufgang, und der verspricht auch genau den Tag, den wir heute für den Ritt in die Regenbogenberge brauchen. Dass die Pferde wieder schweres Gelände meistern müssen, konnte man sich denken, nicht aber die Wirklichkeit reell vorstellen. Diese Vierbeiner sind jedoch gezielt auf ihren Job vorbereitet worden, absolut zuverlässig und geländesicher, denn die Trail-Lehrzeit beginnt erst nach einer gründlichen Reitausbildung. Hat der Neuling im Gelände als Rote Laterne und Letzter im Pulk, der Sägen, Äxte und Benzin zu tragen hat, Erfahrung gesammelt und Trittsicherheit gewonnen, arbeitet er noch mehrere Jahre als Packpferd. Und erst, wenn er das beherrscht, steigt er zum Reitpferd auf. Wir steigen auch, aber über die dicken Sitzbalken am Lagerfeuer, denn Joyce hat ein englisches Frühstück parat mit Eiern, Speck und Wurst, als auch Brot, Butter, Marmelade und frische Pfannkuchen mit Honig.

      Wer sich aufmerksam umsieht stellt fest, dass die Mannschaft schon fleißig war, denn die acht Reitpferde sind bereits geputzt, gesattelt und aufgetrenst. Nur die Sandwiches für die Mittagspause, die mit Obst und Getränken griffbereit in der Satteltasche verschwinden, belegt sich anschließend jeder selbst. Joyce, Sabine und John haben noch schnell den Abwasch erledigt, und Ferdl, der ein GPS-Gerät mit sich führt, lässt sich zur Sicherheit von David noch die Spezialkarte erklären, denn der Boss bleibt heute im Lager und übergibt den Taktstock an Paul. Und mit ihm an der Spitze reiten wir in den ersten zwei bis drei Stunden durch unebene Täler, über Bergrücken und Wiesen voller Frühlingsblumen und Bergazaleen, vorbei an kleinen Seen, niedrigen Wasserfällen und durch Bäche und dichte Weidenbüsche, die in den nassen Talbereichen sehr gut gedeihen. Was für ein Genuss. Ein ganz klein wenig mag es auch so sein wie damals, als die ersten Siedler durch den „Wilden Westen“ zogen. Sie mussten allerdings ums Überleben kämpfen, wir genießen nur dieses schöne Land, und sie waren es, die die Wege dafür ebneten. Inzwischen sind wir auch einem sehr steilen Hang näher gekommen, der sich als eine Art Steingletscher entpuppt. Steine, nichts als Steine, vom kleinen Kiesel bis hin zu tonnenschweren Gebilden. Und Paul steuert schnurstracks darauf zu. So recht kann ich es nicht glauben, dass wir mit Pferden über ein solches Geröllfeld wollen. Doch, als hätte Paul meine Gedanken erraten, hält er schon kurz an und meint ganz gelassen „die kennen das, das ist überhaupt kein Problem, ruhig und locker sitzen bleiben, und nur die Richtung vorgeben, mehr nicht“. Und die Pferde gingen, als wäre das alles ganz normal. Sie waren nur vorsichtiger und schauten in kritischen Situationen genauer hin. Zum Zick-Zack-Kurs muss ich auch Richard zwingen, denn sie alle wollen abkürzen, egal wie steil es aufwärts geht, und ihre Kondition hat nicht im Geringsten gewackelt. Und mein Schimmel beweist schon hier, welch erfahrenes Geländepferd er ist. Kein Zögern, keine Rumpler, ruhig und sicher sucht er sich seinen Weg durch diese Steinwüste nach oben.

      Als wir eine der nächsten „Serpentinen“ einschlagen kann ich sehen, dass Sabine versucht auf eignen Füßen über den Hang zu kommen, um das Pferd zu schonen, doch Escort zieht sie schneller vorwärts als ihr lieb sein kann. Für sie war das ganz und gar typisch. Ihr hatte das Pferd leidgetan, und deswegen war sie abgestiegen. Das war gut gemeint, aber es funktioniert nicht. Das musste auch sie einsehen und stieg wieder auf.

      Hinter dem Grad des Geröllfeldes geht es wieder hinunter in ein Tal, dort einige Zeit entlang und dann hinauf in die Rainbow Mountains, die ihren Namen den unterschiedlichen Erzen

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