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im Chilcotin siedelte. Wichtig sind hier eigentlich nur der „Store“, der die Gegend mit Waren aller Art versorgt, und die kurz dahinter nach links abbiegende „Chilcotin South Forest Road“. Die unkomfortable Schotterstraße, auf der sich an trockenen Tagen Fahrzeuge aus der Gegenrichtung durch riesige Staubwolken schon meilenweit vorher ankündigen, führt durch Grasland und zunächst zum Farwell Canyon und dem Chilcotin River. In der Verlängerung lassen sich auch die Gang Ranch, Dog Creek oder verschiedenen Destinationen an der südlichen „97“ erreichen, doch je weiter der Weg, desto ruppiger die Piste. Canyon und Fluss haben wir auch auf dem Programm, doch erst auf dem „Heimweg“, denn jetzt wartet erst ein Trailritt als fester Termin.

      Zum Chilcotin gehört auch unbedingt die Geschichte von „Bechers House“. Obwohl es seit der teilweisen Neuausrichtung des Highways 1945 abseits liegen würde, macht seine Story von dem fröhlichen Geist, der einst dort herrschte, nach wie vor die Runde, denn mit 22 Zimmern, Laden und Bar war es in der alten, großen Zeit der Dreh- und Angelpunkt in diesem Landstrich. Fred Becher hatte zwei Hotels am Riske Creek erbaut, das erste freiwillig, das zweite notgedrungen. Und jedes Jahr, im Frühjahr und Herbst, gab es zwei begehrte Tanzfeste. Und wer dabei im Haus keinen Platz fand, der campte unter freiem Himmel. Einige warteten hier auch nur auf die Post, die Tommy Hodgsons Vierpferde-Gespann an bestimmten Tagen am Rasthaus ablud, andere hofften darauf, eine Einladung zu Frau Bechers „Teatime“ im Garten zu erhalten, wenn das Getränk im eleganten Silberservice gereicht wurde. Becher kam als sehr junger Bursche aus England, verdingte sich anfangs bei der Hudson’s Bay Company und transportierte später Fracht von Soda Creek nach Hanceville. Das Land, das er kaufte und 1892 mit Hotel, Bar, Laden und Poststelle bebaute, wurde als „Bechers Place“ bekannt, und in einer Zeit der Frachtwagen und Viehtriebe zu einer der wichtigsten Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten für jene, die im Chilcotin unterwegs waren. Der „Saloon“, der einzige zwischen 150 Mile House und Hanceville, tat sein Übriges. Ein Likör kostete 15, zwei 25 Cent, ein Bett oder eine Mahlzeit jeweils einen halben Dollar. Das Geschäft florierte, und die zweihundert Rinder und dreihundert Schafe trugen ihren Anteil dazu bei. Becher besaß auch einige gute Pferde, die beim alljährlichen Drei-Tage-Rennmeeting auf Bechers Prairie gesattelt wurden. Zwanzig fanden in seinem Stall Platz, und ihre Namen waren in das Holz eingebrannt. 1912 erhielt sein Hotel das erste Telefon im Chilcotin, ein Jahr später auch das erste Auto. Der Cadillac war jedoch kein Statussymbol, sondern fungierte zwischen Hanceville und dem 150 Mile House als Personentaxi. Als das Hotel am 15.1.1915 restlos abbrannte, baute Becher mit dem Holz aus seinem eigenen Sägewerk zwar ein neues, doch wirklich erholen konnte er sich nie wieder. Als ein neues Verbot die Alkohollizenzen einzog und Eisenbahn und Automobile die Reisezeit verkürzten und Übernachtungen überflüssig machten, war der Kampf endgültig verloren. Im April 1936 starb Becher in seinem Heim und fand auf einem nahen Hügel seine letzte Ruhe. Seine Frau ging einige Jahre später zurück nach England und verstarb dort 1957. Das berühmte „Bechers Haus“ ging durch mehrere Hände, wurde renoviert, letztendlich aber verlassen, denn nach der Straßenkorrektur kümmerte der einst so stolze Platz nur noch vor sich hin. Als ein Erbe 1981 die Reste abriss, starb auch der letzte Glanz an eine einst stolze Zeit. In jener hatten zwanzig Stufen von den Speiseräumen hinauf in die achtzehn Zimmer geführt, die in grün, rosa und blau ausgelegt waren und durch Ofenrohre beheizt wurden, die aus den unteren Räumen in die oberen zogen.

      Und die wundervollen Messingbetten waren ähnlich berühmt, wie die Mitternachtsdinner in den 1920er Jahren. Bechers Hotel muss damals eine großartige Einkehr gewesen sein, und seine Besitzer ebensolche Menschen. Vielleicht gibt es deswegen auch heute noch Einheimische, die die alten Pfade noch kennen und Interessierten jenen Platz mit der glanzvollen Vergangenheit noch zeigen können. Gereizt hätte mich das zwar auch, doch unsere Fahrt geht weiter durch das Hochland bis ein kleiner malerischer Bach gegen Mittag einen idyllischen Frühstücksplatz für unser „Zweites“ signalisiert. Die schnelle Lösung am frühen Morgen kennt in der Regel nur ein „Ohne-Alles-Croissant“, frisch aus dem On-Bord-Backofen, und eine Tasse schwarzen Kaffee, während das zweite Frühstück, das grundsätzlich das Mittagessen ersetzt und auch erst gegen Nachmittag fällig sein kann, nach englischer Art ausfällt, mit Eiern, Schinkenspeck, Würstchen, Paprika, Zwiebeln, Tomaten, Brot und Kaffee. Und, gewissermaßen als Nachtisch, noch ein oder zwei der großen runden Kekse mit den dicken Schokoladensplittern, die inzwischen auch in der Heimat zu haben sind.

      Auf den folgenden 130 Kilometern rollen wir durch die Ortschaften Hanceville, Alexis Creek und das Indianerreservat Redstone. Hanceville, das in einem lieblichen Tal liegt, entlieh seinen Namen von dem Amerikaner Tom Hance, der zum Goldrausch zu spät kam und in den 1870er Jahren in der heutigen Ortschaft Schmiede, Post und Laden eröffnete. Seine Waren wurden mit Pferde-, Maultier- oder Ochsengespannen aus dem 650 Kilometer entfernten Yale angeliefert. Als Ashcroft zum südlichsten Terminus der Wagenstraße wurde, war der Weg etwas kürzer, die Schinderei für die Zugtiere blieb aber die gleiche. Hanceville hatte aber noch einen anderen Pionier, Norman Lee. Er gehörte zu den ersten Ranchern in dieser Gegend, und als der Goldrausch begann vermutete er ein gutes Geschäft. Mit 200 seiner Rinder machte er sich 1898 auf den 2.400 Kilometer langen Marsch nach Dawson City, um den Goldsuchern Fleisch anzubieten. Zu Beginn folgte Lee der alten „Collins Overland Telegraphenlinie“ zum Telegraph Creek, im 21. Jahrhundert ein Ort im schönen Stikine Grand Canyon, der über einen Abzweig vom „Cassiar Highway“ erreicht wird. Als der Farmer seine Rinder nach Norden trieb, gab es weder Straßen noch Wege, nur unendliche, unberührte Wildnis. Bis Hazelton, in der Kitwanga-Region, hielten sich seine Verluste noch in Grenzen, doch als die Herde am 7.9.1898 den Telegraph Creek erreichte, hatten ihn bereits viele seiner Männer verlassen, es fehlte an Gras, die Rinder waren abgemagert, und die meisten Pferde lahm. Lee setzte seinen Treck über einen alten Indianerpfad aber fort und erreichte am 3. Oktober Teslin, das auf heutigen Landkarten 200 Kilometer südöstlich von Whitehorse am Alaska Highway zu finden ist. Es waren aber nicht nur die fünfhundert Kilometer, die die Herde noch getrieben werden musste, oder die wesentlich höheren Futtermittelpreise dieser Gegend, sondern der radikale Verfall der Fleischpreise, der Lee keine andere Chance ließ, als die Tiere an Ort und Stelle zu schlachten. Zu viele der Stampeters hatten inzwischen ihr Vorhaben aufgegeben, ihre eigenen Ochsen verkauft, und den Markt dadurch zusätzlich geschwächt. Lees letzter Versuch, das Fleisch auf Booten nach Dawson City zu bringen, versank bei einem schweren Sturm in den Fluten. Das wenige, das gerettet werden konnte, verteilte der Farmer an seine Männer, die den Weg zu den Goldfeldern fortsetzten. Er selbst ritt zurück zu seiner Farm, mit absolut leeren Händen. Der „Lee’s Corner Store“, der im Ort an ihn erinnert, steht dann auch direkt an der Ecke, wo die Schotterstraße nach links zum Elkin Creek, in das Nemaiah Valley und den Chilco Lake vom Highway abbiegt. So ungewiss wie damals Lee’s Weg ist die Piste zwar nicht, für ein Wohnmobil aber doch ziemlich ruppig. Für den Rest des südlichen Hinterlandes, das hier über Abzweigungen oder Pisten ab Redstone und Tatla Lake erreicht wird, wählt man besser einen Allradler.

      Hinter Hanceville zieht die Straße durch Tl’etinqox-t’in Territorium, das sich linker Hand am Chilicotin River hinzieht, und dem 25 Kilometer weiter mit Alexis Creek der nächste dieser kleinen Orte folgt. Die ersten Siedler ließen sich in den zeitigen 1890er Jahren hier nieder, schlugen ihre Zelte entlang des Flusses auf und hatten das Ranchergewerbe bald zum Hauptgeschäft dieser Gegend entwickelt. Heute dient der Ort hauptsächlichst als Service Center für das Ost-Chilcotin. Von den alten Gebäuden gibt es nur noch wenige, doch sind diese renoviert wie das noch aktive Red Cross Outpost Hospital von 1912, das, hinter dem General Store gelegen, seine Dienste inzwischen in Rot-Weiß als Medical Clinic für die gesamte Region anbietet. Den von hier aus zu erreichenden „Stum Lake Provincial Park“ kann man streichen, denn er ist vom 1.März bis Ende August für Besucher geschlossen, um die hier brütenden 350 weißen Pelikan- Paare, nicht zu stören. Die in jedem Mai aus Südmexiko ankommenden Vögel reisen zwar im August schon wieder ab, doch kann man ihnen, mit etwas Glück, bei ihren Futterflügen auch auf den Seen Anahim- und Puntzi Lake begegnen. Sechs Kilometer weiter bietet der Bull Canyon Provincial Park auf seinem Campground, zwischen Straße und dem schnell fließenden Chilicotin River, 20 Standplätze mit Toiletten und zwei Wasserpumpen, doch eignet er sich auch als Frühstücksplatz oder für eine kurze Rast. Vergessen sollte man aber nicht, besonders bei einem Spaziergang entlang des Flusses während der Laichzeit, dass hier auch Bären, Cougars und Wölfe unterwegs sein können, und, dass auch der Fluss Respekt

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