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recht- und eigentumslose Sklaven gewesen sein und über vier Millionen der armutsgefährdeten Plebs angehört haben. Lediglich die 200 bis 1.000 Senatoren (je nach Kaiser variierte ihre Zahl), die 20.000 Ritter und einige tausend Dekurionen dürften nach heutigen Maßstäben als „reich“ gelten, mit einem Vermögen jenseits der 100.000 Sesterzen (nach heutigem Äquivalent 600.000 Euro). Der reichste Senator der Kaiserzeit, Cornelius Lentulus, besaß 400 Millionen Sesterzen (2,4 Mrd. Euro). Vermögen ist auch die wichtigste Voraussetzung für die dignitas, welche die Würde, die als Voraussetzung für die Bekleidung eines öffentlichen Amtes gilt. Juvenal, der Satiriker, bringt die Verhältnisse mit beißendem Humor auf den Punkt: „So viel Geld einer im Kasten hat, so viel an Wertschätzung genießt er.“ Rom ist also mehr oder weniger eine Plutokratie: Die Reichen schaffen an.

      So dünn die Schicht der politisch gestaltenden dives war, so variantenreich zeigte sich demgegenüber die Armut. Allein sechs abstufende Ausdrücke gibt es im Lateinischen für diesen Zustand: pauper, egens, inops, indigens, tenius, mendicus – wobei als pauper auch noch gelten kann, wer ein Stückchen Land besitzt. „Die Masse der Römer lebte von der Hand in den Mund und war von absoluter Armut besonders bei Preissteigerungen von Nahrungsmitteln betroffen“, resümiert der Historiker Marcus Prell38. Die Plebs, die Masse, das namenlose Gewühl, die turba, ist den Schriftstellern verhasst. Cicero schreibt über die sentina urbis, den „Abschaum“ Roms, als „elendes und hungriges Gesindel“ und als „Blutsauger der Staatskasse“.39 Artemidor dichtet: „Die Armen gleichen einfachen unbekannten Orten, wo man Mist und sonstigen Müll hinwirft, die Reichen aber den heiligen Bezirken der Götter.“40

      Trotz der offensichtlich bedrückenden Verhältnisse, unter denen die überwiegende Mehrheit der Bewohner leben, bilden Hungeraufstände in der mehrhundertjährigen Geschichte Roms die Ausnahme. Bis zum Ende des 2. Jahrhunderts berichten die römischen Historiker von sechs Hungerrevolten. Für das gesamte 3. Jahrhundert sind nur zwei belegt. Der Grund dafür dürfte in einer täglich geübten Unterstützung liegen, welche die Reichen und der Staat den Armen und der Plebs der Stadt Rom zukommen ließen – zulasten freilich der ausgepressten Provinzen.

      Vor allem die Getreideverteilungen, die frumentationes, scheinen zentraler Bestandteil staatlicher Politik gewesen zu sein. Zwischen 150.000 und 300.000 Römer waren Bezieher der Zuteilung teils verbilligter oder kostenloser Nahrungsmittel. Statt Getreide wurde ab dem 2. Jh. n. Chr. auch Brot, Olivenöl, Wein und Fleisch gereicht. Ihrer Bedeutung entsprechend waren die Lebensmitteltransporte Richtung Zentrum des Imperiums militärisch gesichert. Getreidehändler genossen unter den römischen Kaisern weitgehende Privilegien. Transporte wurden zumeist durch Eskorten geschützt (was andere Städte nicht hinderte, sich selbst ihren Anteil am Lebensnotwendigen zu sichern; von Byzanz oder Chalcedon wird berichtet, sie hätten sich ihr Getreide durch Kapern vorbeifahrender Schiffe gesichert).

      Die Großzügigkeit der Herrscher gegenüber den Armen muss man sich ergänzt durch Spenden und andere Zuwendungen der Reichen vorstellen. Jeder Patrizier verfügte über eine mehr oder weniger zahlreiche Anhängerschaft von Günstlingen, clientes genannt. Ihre Funktion war es, den Herren täglich ihre Aufwartung (salutatio) zu machen und dafür mit einem Korb voll Essen (sportula) oder einem Geldbetrag (in der Regel 25 Asse oder sechs Sesterzen) entschädigt zu werden. Als Gegenleistung hatte der Klient dem Patron seine Dienste anzubieten. Das reichte von manueller Arbeit bis zum Kriegsdienst. Viele Günstlinge zu haben bedeutete gleichzeitig hohes Ansehen für die Patrizier, von denen sich manche sogar als rex, König, ansprechen ließen. Dazu gab es auch noch reiche Alimentarstiftungen, etwa jene von Kaiser Trajan (über eine Million Sesterzen), die sich um die Ernährung und Erziehung von Kindern kümmerte.

      Eine ganz eigene Form der Selbsthilfe bestand in Genossenschaften, den collegia tenuorum. Durch Entrichtung eines Mitgliedsbeitrags konnte man sich da nicht nur Nahrung und die Teilnahme an gemeinschaftlichen Aktivitäten sichern, sondern auch für eine würdige Bestattung „ansparen“. Doch alle diese Einrichtungen hatten keine andere Funktion, als die Machtverhältnisse zu stabilisieren. Eine gerechtere Gesellschaft bewirkten sie nicht. Sie trugen eher dazu bei, die bestehenden schlechten Verhältnisse fortzusetzen. Versuche, tatsächlich ein sozial gerechteres System in Kraft zu setzen, scheiterten hingegen.

      Das gilt einerseits für die Versuche, die Schuldknechtschaft zu bekämpfen: Die Gesetze der Kaiser Augustus und Tiberius, die den Bürgern kostenlose Darlehen geben und Wucherzinsen abschaffen sollten, hatten kaum Erfolg. Andererseits wurde aber auch der Versuch der Brüder Gracchus vereitelt, den ager publicus den Armen zur Bewirtschaftung zu überlassen. Die Lex Sempronia agraria von Tiberius Gracchus begrenzte 133 v. Chr. den Landbesitz der Patrizier auf 500 Joch, der Rest sollte den Plebejern zugute kommen. Die Begründung des Gracchen: „Sogar die wilden Tiere, welche in Italien hausen, haben ihre Höhle. Jedes weiß, wo es sich hinlegen, wo es sich verkriechen kann. Die Männer aber, die für Italien kämpfen, haben nichts außer Luft und Licht. Heimatlos, gehetzt irren sie mit Weib und Kind durch das Land. Herren der Welt werden sie genannt und haben nicht eine Scholle Landes zu eigen.“41 Die Reichen ließen sich diese dauerhafte Umverteilung nicht lange gefallen. Tiberius Gracchus wurde ebenso ermordet wie sein Bruder Gajus. Davor hatten heute hoch geschätzte Redner wie Cicero gegen die „Gleichmacherei in den Besitzverhältnissen“ gewettert. Die Landfrage blieb ungelöst.

       Die Religion der Armen

      Schließlich aber macht sich eine neue Religion auf, das Römische Reich von der verarmten Plebs her zu erobern. Ihr Gründer ist genauso arm wie die große Mehrheit der Bewohner des Reiches: der Zimmermann Jesus von Nazareth. Dieser Jesus und seine Jünger reden nicht vom gottgewollten Reichtum weniger, sondern von der Schönheit freiwilliger Armut und der Macht der Solidarität aller. Der Arme hat auf einmal mehr Anspruch auf die Liebe Gottes als der Reiche. So revolutionär das klingt, so wenig revolutionär wird es gelebt. Denn das Christentum erweist sich bald als Anker der Stabilität des Imperiums, indem es die Staatsraison inhaliert und den Kaiser unter Gottes Schirm stellt.

      Der Apostel Paulus gießt die christlichen Werte in das Gefäß stoischer Weltsicht und passt auf diese Weise die junge christliche Religion den Bedürfnissen des römischen Staates an: Während Christus dem Staat betont gleichgültig gegenübersteht („Mein Reich ist nicht von dieser Welt“, Joh 18,36; „Gebt Gott, was Gottes ist, und dem Kaiser, was des Kaisers ist“, Mt 22,21), wandeln Petrus und Paulus die Lehre ab. Paulus vollzieht den Brückenschlag zwischen Kaiser und Gott: „Jede Seele unterwerfe sich den obrigkeitlichen Gewalten. Nicht ist nämlich eine Gewalt außer Gott. Die bestehenden Gewalten sind von Gott gesetzt, sodass sich der der Obrigkeit Widersetzende der Anordnung Gottes entgegenstellt.“42 Das Imperium wird damit als Standbein des christlichen Gottes auf Erden interpretiert, der Kaiser zu seinem weltlichen Statthalter.

      Schwieriger gestaltet sich freilich der Umgang der neuen Religion mit dem Eigentum. Viele christliche Gemeinden hatten sich Jesu Lehre gemäß ein urkommunistisches Gesellschaftsmodell der Eigentumslosigkeit verordnet. Cyprian von Karthago (200 – 258) schreibt über Roms Gemeinde: „Es herrschte unter ihnen kein Unterschied und sie behielten keines ihrer Dinge für ihr Eigentum, sondern es war ihnen alles gemeinsam. Das heißt, nach dem himmlischen Gesetze die Gleichheit Gottes des Vaters nachahmen. Denn alles aus Gott ist in unserer Benützung gemeinschaftlich und keiner ist von seinen Wohltaten und Gnaden ausgeschlossen, sodass das gesamte Menschengeschlecht in gleicher Weise genießen darf. So leuchtet allen in gleicher Weise der Tag, strahlt die Sonne, feuchtet der Regen.“43

      Nicht für alle Gläubigen war diese Sicht der Dinge verständlich, und bald stellte sich die Frage, ob nicht das Eigentum mit gewissen Einschränkungen als von Gott gewollt betrachtet werden könnte. Lucius Caecilius Firmianus, genannt Lactantius (250 – 320) tritt als erster prominenter christlicher Schriftsteller zur Rechtfertigung an. In seinen Divinae institutiones, den „Göttlichen Unterweisungen“, lehnt er sich an Cicero an, indem er feststellt, das Privateigentum habe bereits seit Urzeiten bestanden und die Nächstenliebe könne nun auch die Gefahr überwinden, die sich aus dem Privateigentum ergebe. Kollektivismus, so Lactantius, sei nur für Menschen möglich, die das Geld verachten. Sonst aber beraube er die Fleißigen, und begünstige jene,

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