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vermuten ließe, lediglich vom keynesianischen Kompromiss ausgeschlossene Randgruppen (vgl. II, 512). Die postmaterialistische politische Haltung, die wir auf den letzten Seiten der Theorie des kommunikativen Handelns finden, spielt im Vergleich mit altmodischem ›meat and potatoes‹-Materialismus nur eine Nebenrolle (vgl. II, 576 f.).

      Es sollte uns Sorgen bereiten, dass die analytische Struktur der Theorie des kommunikativen Handelns ihrem Autor – und denjenigen (inklusive des Verfassers dieser Zeilen), die sein Vorhaben mit Wohlwollen begleiten – Anlass gibt, die Bedeutung manch wesentlicher Pathologien unserer heutigen Gesellschaft herunterzuspielen. Auch wenn wir den orthodoxen Marxismus zu Recht aussortiert haben mögen, müssen wir dennoch mehr traditionell-linken Facetten der Kapitalismuskritik einen höheren Status in unseren theoretischen und praktischen Bemühungen einräumen.

      Eine nähere Betrachtung zentraler Stellen der Theorie des kommunikativen Handelns verweist auf zusätzliche, theorieinterne Gründe für Habermas’ Vernachlässigung – oder vielleicht mangelnde Antizipation ihrer anhaltenden Bedeutung – von vergleichsweise konventionellen Arten sozialer Pathologien des Kapitalismus. Seine Beschäftigung mit der Verrechtlichung basiert zumindest teilweise auf der Idee, dass Staatsverwaltung als ›System‹ begriffen werden könne, in perfekter Analogie zum Wirtschaftssystem des modernen Kapitalismus, und folgerichtig, dass Verwaltungshandlungen durch ein abstraktes Medium (hier: ›Macht‹) koordiniert werden könnten, in gleicher Weise wie der Steuerungsmechanismus (›Geld‹) der Wirtschaft. In detaillierter und kritischer Aufarbeitung von Parsons, von dem er die Idee von Macht und Geld als den zwei Hauptsteuerungsmedien der heutigen Gesellschaft übernimmt, beschreibt Habermas, wie moderne Subsysteme ihre Autonomie gegenüber der Lebenswelt nur dann erringen können, wenn sich das Vorhandensein koordinierender Medien zeigen lässt, welche »Verständigungsbedarf, Interpretationsaufwand und Dissensrisiko« effektiv verringern (II, 393). Von diesem Standpunkt aus können »Medien wie Geld oder Macht […] die Kosten von Dissens weitgehend einsparen, weil sie die Handlungskoordinierung von sprachlicher Konsensbildung abkoppeln« (II, 393). Unzählige kritische Kommentatoren haben sich den Kopf zerbrochen über Parsons’ idiosynkratische Auffassung von Macht, gemäß derer sich ihre Dynamiken als Parallele zur Funktionsweise des Geldes in einer Marktwirtschaft denken ließe, doch Habermas scheint davon überzeugt, dass grade dieses Merkmal der Systemtheorie wesentlich für seinen Versuch ist, sie mit den Errungenschaften der kritischen Theorie der Frankfurter Schule zu verbinden.22

      Seine Rechtfertigung dafür, Macht in Analogie zu Geld – und damit grundlegend für das Verständnis von Staatsverwaltung als ›System‹– zu betrachten, entpuppt sich leider als eine der unbefriedigendsten Passagen der Theorie des kommunikativen Handelns (II, 391-419).23 Tatsächlich sind es wiederholt Habermas’ eigene Aussagen, die das Vorhandensein essentieller Unterschiede zwischen Geld und Macht untermauern. Trotz Parsons’ Bemühungen, die Idee der Systemmedien auf Bereiche jenseits der Ökonomie auszuweiten, gibt Habermas sofort zu, »dass die strukturellen Analogien […] undeutlicher, die begrifflichen Bestimmungen nicht nur abstrakter, sondern auch unpräziser und am Ende metaphorisch werden« (II, 386). Vielleicht sei das Konzept eines Steuerungsmediums nur in direkter Verbindung mit materieller Reproduktion sinnvoll (vgl. II, 391). Geld funktioniere nur deshalb als Steuerungsmedium, weil der so geartete Informationsfluss »nach einer von Konsensbildungsprozessen unabhängigen Automatik verlaufen soll« (II, 395), leicht messbar sei und auf unkompliziert quantifizierbare Art übertragen und gelagert werden könne, was den Bedarf an kommunikativem Austausch massiv reduziere. Wie Habermas jedoch zugesteht, zirkuliert Macht weitaus weniger mühelos als Geld; sie ist auch nicht leicht zu lagern, zu hinterlegen oder zu berechnen. Tatsächlich ist ihr abstrakter oder generalisierbarer Charakter von Natur aus anfälliger als der des Geldes: »Gleichwohl wohnt ihr stets die Tendenz inne, sich mit der Person des Mächtigen und dem Kontext der Machtausübung stärker symbiotisch zu verbinden« (II, 402). Sie unterscheide sich auch in ihren Folgen; Parsons’ These, dass sich direkte Parallelen ziehen ließen zwischen den üblichen Eigenschaften einer Marktwirtschaft (z. B. Inflation und Deflation) und denen des politischen Systems, hätte sich ebenso als problematisch erwiesen (vgl. II, 403). Der wichtigste Punkt dürfte sein, dass trotz der Abhängigkeit einer erfolgreichen Marktwirtschaft vom Vertrauen (beispielsweise in die zukünftige Übertragbarkeit von Zahlungsmitteln in Waren und Dienstleistungen) Macht in unmittelbarer Weise der Legitimation bedarf (vgl. II, 402-405). Geldbasierte Tauschbeziehungen seien nicht notwendigerweise für einen der Beteiligten zum Nachteil, während Verwaltungsmacht verlange, dass einer der Teilnehmer Befehle entgegennimmt und daher strukturell benachteiligt wird (II, 406). Es sei daher nicht überraschend, dass das Medium Macht enger mit der Lebenswelt und den Prozessen gesellschaftlicher Reproduktion verbunden ist als Geld. Letzteres werde »zwar mit der kommunikativ strukturierten Lebenswelt rückgekoppelt, aber nicht, wie das legitimationsbedürftige Machtmedium, von sprachlichen Konsensbildungsprozessen wiederum abhängig gemacht« (II, 407).

      Ohne dies ausreichend zu belegen, beendet Habermas seine Betrachtungen dennoch mit der (vielsagend halbherzigen) Bemerkung, dass sich die beiden Medien zwar unterschieden, jedoch »nicht so stark, dass dadurch das Medienkonzept der Macht völlig entwertet würde [!]« (II, 403). Ein wichtiges Argument, Macht als ausreichend analog zu Geld zu betrachten, scheint ihm zu sein, dass »in der Politikwissenschaft […] immerhin Versuche gemacht [wurden], das Medienkonzept der Macht für die Wahlforschung oder den internationalen Systemvergleich nutzbar zu machen« (II, 407). Doch Habermas liefert so gut wie keine Beweise für diese Behauptung, die viele Politikwissenschaftler zu jener Zeit – ebenso wie heute – als zumindest kontrovers betrachtet haben dürften. Ebenso frustrierend ist der Kern seiner Kritik an Parsons und dessen Versuch, das Konzept des Steuerungsmediums auf Einfluss und Prestige auszuweiten: »Sie können Interaktionen vom lebensweltlichen Kontext des geteilten kulturellen Wissens, geltender Normen und zurechenbarer Motivationen nicht abkoppeln« (II, 412). Trotz seines eigenen, vorangegangenen Arguments, dass Macht enger mit der Lebenswelt verbunden sei als Geld, postuliert Habermas, dass nur Geld und Macht »sprachliche Kommunikation nicht nur vereinfachen sondern durch eine symbolische Generalisierung von Schädigungen oder Entschädigungen ersetzen«, welche wiederum die Lebenswelt entwerteten: »die Lebenswelt wird für die Koordinierung von Handlungen nicht länger benötigt« (II, 418). Macht, so stellt sich heraus, sei letztlich von Geld nicht allzu sehr verschieden, trotz all der ausführlichen Bemerkungen, die an anderer Stelle das Gegenteil behaupten.

      Weder die an sich vernünftige Weber’sche Marxismuskorrektur noch die eher verblüffende Umformulierung Parsons’ in der Theorie des kommunikativen Handelns können ausreichende Gründe für die Fokussierung des Autors auf die Missstände der Verrechtlichung liefern. In letzter Instanz basiert diese Fokussierung auf einem anderen Fundament, welches aber seitdem zunehmend zerbröckelt.

      Ein weiterer Kritikpunkt am Mainstream-Marxismus ist in der Theorie des kommunikativen Handelns das Scheitern, die qualitativen Veränderungen des modernen Kapitalismus erklären zu können, die durch das massive Eingreifen des Staates, durch Massendemokratie und den modernen Sozialstaat zustande gekommen sind. Mit unmittelbarem Bezug auf Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus (das Buch ist bezeichnenderweise 1973 erschienen, kurz bevor sich der keynesianische Sozialstaat der Nachkriegszeit einer Reihe von Krisen ausgesetzt sehen sollte) beschreibt Habermas das Verwaltungssystem als Entschärfung traditioneller ökonomischer und klassenbasierter gesellschaftlicher Konflikte durch eine Reihe bürokratisch umgesetzter, sozialer Entschädigungen. Obwohl Klassenungleichheit weiterhin grundlegend für den Kapitalismus bleibe, habe der Verwaltungsapparat der Nachkriegszeit den Klassenkonflikt wirksam pazifiziert, bis hin zu dem Punkt, da »[d]ie ungleiche Verteilung sozialer Entschädigungen […] sich nicht mehr umstandslos auf Klassenlagen zurückführen« (II, 512) ließen. Der Klassenkonflikt verliere damit seine »strukturbildende Kraft für die Lebenswelt sozialer Gruppen«, wogegen neue Arten der klassen-unspezifischen Verdinglichung (d. h. Verrechtlichung) an Bedeutung gewönnen: »Ökonomisch bedingte Krisentendenzen [werden] nicht nur administrativ bearbeitet, gestreckt und aufgefangen, sondern unbeabsichtigt ins administrative Handlungssystem verlagert« (II, 506). Um die wichtigsten Pathologien heutiger Gesellschaften verstehen zu lernen, sei daher der Verwaltungs- und Sozialstaat der angemessene Ort. Aus diesem Grund erhält die Kritik pathologischer Verrechtlichung (z. B. problematische

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