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er online gefunden hatte.

      Jubelrufe wurden laut, und Flaschen und Dosen wurden zum Gruß erhoben, als das Auto des Pizzalieferanten in die Auffahrt einbog. Reggie nahm sich ein frisches Rootbeer aus der Kühlbox und lehnte sich an die Scheunenwand. Sie beobachtete das Durcheinander bei der Pizza, lauschte den Unterhaltungen und freute sich über das aufbrandende Gelächter.

      »Glücklich?« Carrie gesellte sich zu ihr an die Wand.

      Reggie dachte einen Moment lang nach, dann nickte sie. »Ja, sehr.«

      »Ich bin stolz auf dich, Reg. Ich bin stolz, dass du den Sprung in das Restaurationsgeschäft gewagt hast.« Carrie war das Gegenteil von Reggie. Sie hatte sich vom Mitglied einer Studentinnenverbindung an der Florida State University in eine Lobbyistin verwandelt, die immer nahe am Politikgeschäft dran war. Sie verbrachte ganze Tage in Spas und Schönheitsfarmen, flog im Frühjahr und im Herbst nach New York zum Shopping und machte Yoga-Urlaube. »Du hast uns alle zu Visionären gemacht, indem du deine Arbeit aufgegeben hast und deinem Herzen gefolgt bist, Regina Beswick.«

      »Wie, hattest du etwa gewagt, an mir zu zweifeln?«

      Carrie lachte. »Albern, ich weiß, aber selbst die Stärksten kommen manchmal ins Straucheln.«

      Reggie warf ihr einen Blick von der Seite zu. »Rafe und du, ihr versteht euch besser als nur gut, wie ich sehe.« Rafe passte eigentlich nicht zu dem Geschmack, den Carrie bei Männern sonst an den Tag legte. Sie ging mit Rechtsberatern aus. Mit anderen Lobbyisten. Geldbeschaffern. Mit Männern, die Maßanzüge trugen und regelmäßige Maniküretermine hatten.

      Ihr letzter Freund? Ein narzisstischer Zombie. Wirklich wahr.

      »Rafe und ich? Neiheihein …« Aber selbst die Abenddämmerung konnte die Röte nicht verbergen, die Carries Wangen küsste. »Er wollte lernen, wie ein Line Dance geht. Das ist alles. Er ist nicht mein Typ.«

      »Und was für ein Typ soll deiner sein? Menschlich?«

      »Ha, ha, sehr witzig.« Carrie lehnte sich etwas bequemer an die Wand und stützte sich mit einem Fuß daran ab. »Ich habe doch schon zugegeben, dass du mit dem Zombie-Mann Recht hattest.«

      »Mit Rafe habe ich auch Recht. Gib ihm eine Chance.«

      »Du gehst davon aus, dass er überhaupt eine Chance haben will.«

      »Willst du mir etwa erzählen, er wolle keine?«

      Carrie errötete noch mehr. Ihr Lächeln sah dadurch noch entzückender aus. »Wir sind für morgen zum Abendessen und einem Film verabredet.« Sie stieß sich von der Wand ab und zeigte mit dem Finger auf Reggie. »Sag nichts, kein Wort!« Carrie ließ sich wieder gegen die Wand sinken und brüllte über den Hof, Rafe solle Reggie und ihr Pizza bringen.

      »Erinnerst du dich, wie Mama und ich früher manchmal auf der hinteren Veranda saßen und uns die Sterne ansahen?«, fragte Reggie. »Sie fragte mich, was ich werden wolle, wenn ich groß sei. Sie sagte mir, ich solle große Träume träumen.«

      »Ich frage mich, ob sie gerade vom Himmel herunterschaut und die goldenen Knöpfe ihres Engelkleides fast platzen, weil sie so stolz auf dich ist.« Carrie sah sie an. »Meinst du, es gibt diese Art Stolz im Himmel?«

      Reggie schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht, aber irgendwie kann ich mir vorstellen, dass Gott zu allen, die im Himmel sind, sagt: ›Leute, schaut mal, was meine Kinder machen. Sind die nicht einfach toll?‹ Aber das hier«, sie klopfte gegen die Scheunenwand, »ist ziemlich weit von allem entfernt, was ich mir damals vorgestellt habe.«

      »Auf jeden Fall.« Carrie lachte. »Du wolltest doch immer Prinzessin werden.«

      »Daran war nur Uroma Alice schuld.«

      Uroma hatte mit Reggie und Carrie immer Prinzessin gespielt, sie bastelte Kronen aus Tonpapier und dekorierte sie mit Glitzer.

      »Ich habe immer noch eine der Kronen, die ich einmal mit ihr gebastelt habe«, sagte Carrie.

      »Selbst mit 97, als sie kaum noch sehen konnte, hatte sie Spaß daran, Verkleiden zu spielen.« Reggie hakte sich bei Carrie ein. Außer Daddy und ihrer Stiefmama Sadie war Carrie ihre einzige Verbindung zu diesen Kindheitserinnerungen. Sie war die Einzige, mit der sie in den Geschichten über Uroma und Mama schwelgen konnte.

      Rafe tauchte mit zwei Papptellern Pizza auf. Er flirtete mit Carrie, die … kicherte. Eine Kicherliese im reifen Alter von 29 Jahren? Da war definitiv etwas im Busch.

      Reggie ging zurück zum Picknicktisch, wo die Höflinge ihr immer einen Platz freihielten. Als sie einen großen Schritt über die Bank machte, blieb ihr Blick an etwas zwischen dem Scheunendach und den Ästen der Eiche, die die Sicht einschränkten, hängen.

      Was war das? Reggie stellte ihre Pizza auf den Tisch und studierte die Flecken des verblassenden Zwielichts, das durch die Blätter gerade noch sichtbar war.

      Da. Ein blauer Blitz. Da war etwas in den Wolken. Reggie kniff die Augen zusammen und versuchte, ins Abendlicht zu sehen. Was war das? Es jagte ihren Puls hoch.

      »Reg, hast du genug Platz?«

      Sie legte eine Hand auf Seth Davis‘ Schulter. »Ja, ja, ist alles gut. Ich dachte nur, ich hätte etwas gesehen.« Aber sie hatte sich getäuscht, oder? Bestimmt spielte ihr ihre Fantasie einen Streich. Mit einem letzten Blick in den Abendhimmel setzte sich Reggie und drückte sich eine Hand aufs Herz. Sollten sie sie ruhig für verrückt halten, aber sie hätte schwören können, dass Uromas sanfte blaue Augen auf sie herabblickten.

      FÜNF

      Tanners Abreise nach Amerika war von einer wahren medialen Feuersbrunst begleitet worden.

      Ein Informant hatte jedes Print- und Onlinemedium über die neue Prinzessin informiert.

      Die Details waren übertrieben und an so mancher Stelle schlicht und einfach falsch. Trotzdem waren die Medienberichte wie Pilze aus dem Boden geschossen.

       Prinzessin gefunden! Das war’s dann, Brighton!

       Ein unabhängiges Hessenberg kann nicht bestehen.

       Wir werden scheitern. Nach dem Ende des Abkommens treten die alten Gesetze wieder in Kraft. Wir fallen um hundert Jahre zurück!

      Die Liberty Press, die angeblich seriöseste Zeitung des Landes, hatte eine respektlose Karikatur gebracht, die den alten Prinz Franz als Geist zeigte, der König Nathaniel II. und der königlichen Familie samt der erst kürzlich angekommenen Verlobten Susanna mit seinen Reitstiefeln einen Tritt in den Allerwertesten verpasste.

      Deshalb hatte Tanner den Morgen vor seiner Abreise damit zugebracht, die Brandherde zu löschen und eine kurzfristig angesetzte Pressekonferenz abzuhalten. All das hatte seine Mission verzögert.

      »Was wissen wir über die neue Prinzessin?«

      »Ist sie eine Irre?«

      »Was, wenn sie nicht die passende Person ist? Nicht ansprechend, unattraktiv?«

      »Wie können wir einer Ausländerin zutrauen, die Geschicke Hessenbergs zu lenken?«

      Die Fragen waren frech gewesen, unüberlegt, aus dem Bauch heraus. Tanner hatte sein Bestes getan, sie ruhig und sachlich zu beantworten, aber um ehrlich zu sein, hatte er sich schon häufig das Gleiche gefragt.

      Er hatte den Vorabend damit zugebracht, die Akte der Prinzessin im Detail zu studieren. Sie schien nett zu sein. Auf dem Foto ihres Führerscheins wirkte sie jedenfalls schon einmal ganz sympathisch. Aber darüber hinaus …

      Er wusste es nicht. Es schien, als arbeitete sie in einer Autowerkstatt, obwohl sie eine gute Ausbildung am College genossen hatte. Wie sollte er das deuten?

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