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Typisches Truitt-Tohuwabohu.

      Das sagte er immer, wenn sich die Familie über ihn senkte und Mama anfing, alle herumzukommandieren.

       „Essen wir jetzt oder nicht?“

       „Wer will einen Film sehen?“

       „Hört mal alle her, wir spielen eine Runde Karten. Turnier, auf geht’s.“

      Sie war die ganze Zeit am Organisieren. Wenn sie einmal aufhören müsste, andere herumzukommandieren, würde sich ihre Mutter ganz einfach hinlegen und sterben, überlegte Susanna.

      Im Moment attackierte sie gerade Cousin Zack mit ihrem Klemmbrett und teilte ihm mit, in welcher Schicht er im Rib Shack zu arbeiten habe.

      „Tante Glo, jetzt komm schon.“ Er lachte. „Ich habe seit meinem ersten Sommer im College nicht mehr im Rib Shack gearbeitet.“

      Susanna lächelte. Zack, du mutige Seele. Nimmst es mit Mama auf. Er war Direktor des Grünflächenamts, surfte jeden Morgen und ging jeden Abend aus. Seine weißblonden Haare, himmelblauen Augen und sonnengebräunte Haut machte ihn bei den Frauen der Insel sehr beliebt.

      „Kannst du mit einer Suppenkelle umgehen?“

      „Ja, ich bin ja nicht blöd.“

      „Dann kannst du auch in der Küche arbeiten.“ Mama notierte etwas im Zeitplan auf ihrem Klemmbrett. „Komm am Mittwoch um sechs. Dann kommst du wieder in Form, bevor am Freitag der große Ansturm kommt.

      „Tante Glo …“ Schmunzeln, Schnauben, ha-ha-ha, aber Zacks Gesicht sagte genug. Er fiel um. „Schau mal, ich hab … Dinge … zu …“ Mamas einäugiger Blick ließ seine Abwehr in sich zusammenfallen. Er schickte Susanna einen stummen Hilferuf.

      „Schau mich nicht an. Ich habe kein Zaubermittel.“ Hätte sie das gehabt, hätte sie wohl kaum ihren Weihnachtsurlaub in den drei schönsten Gärten Europas – Keukenhof in Holland, Mirabell in Österreich und den Lecharran in Brighton – während ihres letzten Collegejahrs abgebrochen, um das Restaurant zu führen, damit Mama Daddy mit einem Wochenende im Schnee in Vermont überraschen konnte.

      Aber Susanna hatte das Wunder ihrer geheilten Ehe erkannt. Es war Jahre her gewesen, dass die beiden einmal weggefahren waren, deshalb hatte sie sich damit einverstanden erklärt, auf das Shack und Avery aufzupassen. Nichts lag ihr ferner, als abzulehnen, wenn es darum ging, der Liebe auf die Sprünge zu helfen, wenn sie darum gebeten wurde.

      Zack atmete aus, ließ sich gegen die Wand fallen und fuhr sich mit den Händen durchs Haar.

      „Es ist wie bei den Borg.“ Silas, Zacks Bruder, klopfte ihm lachend auf den Arm. „Widerstand ist zwecklos.“

      Aber Silas verging das Lachen schnell.

      „Silas.“ Mama richtete das Klemmbrett auf ihn. „Ich habe dich für Dienstag, Donnerstag und Samstag eingeplant.“

      „Mich?“ Er riss die Augen auf und legte sich die Hände auf die Brust. „Tante Glo, ich habe ja sogar noch weniger Erfahrung als Zack. Ich war ja noch nicht einmal in der Küche seit – na, bestimmt seit der zehnten Klasse.“

      „Schön, dann kannst du Tische abräumen.“ Mama kritzelte auf ihrem Klemmbrett herum. „Deine Baufirma hat zurzeit sowieso nicht viel zu tun.“ Mama blitzte ihn an. Sie wusste alles. Und selbst wenn sie vielleicht nicht alles wusste, vermittelte sie einem doch das Gefühl, als sei es so. „Bring mal ein bisschen Kohle nach Hause, dann gibt dir Hadley vielleicht eine zweite Chance.“

      Silas’ Wangen glühten rot. „Wir haben uns nicht wegen des Geldes gestritten.“

      „Nichts ist heilig, Silas“, sagte Susanna mit einem Lachen. „Das weißt du doch.“ Nicht einmal die Zerrissenheit ihrer eigenen Tochter. „Ich habe den richtigen Ring, aber nicht die richtige Frau gefunden“ gehörte schon halb zum Hauswortschatz der Familie. Alles wegen Mama.

      Silas sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Geht‘s dir gut, Cousinchen? Mit der ganzen, du weißt schon, Adam-Geschichte?“

      „Ich komme zurecht, Si.“ Zack und Silas waren mehr wie Brüder als Cousins für sie. Als sie klein war, hatte ihre Mutter Linda, Daddys Schwester, manchmal einen oder zwei Tage lang auf sie aufgepasst, wenn Daddy und Mama wieder einen ihrer wahnsinnigen Krachs hatten.

      „Glo“, Daddy hob seine heisere Stimme. „Lass doch die Jungs in Frieden. Wir haben genug Leute in der Küche. Ich bin doch nur ein einziger Mann.“

      „Ein Mann, der die Arbeit von fünf schafft.“ Mama lehnte sich über sein Bett und streichelte sanft seine Wange. „Das ist es ja, was dich hier reingebracht hat, Gib. Wir haben Glück gehabt, dass es nur ein kleiner Infarkt war.“

      „Mach ihnen das Leben nur nicht so schwer“, flüsterte Daddy. Seine flatternden Lider schlossen sich.

      „Gut“, sagte Mama, „alle Mann raus hier. Lasst Gib sich etwas ausruhen.“

      Die Familie verabschiedete sich einer nach dem anderen von Daddy. Sie versprachen ihm, den Himmel mit ihren Gebeten zu füllen. Mama gab Avery ein Handzeichen, um das Bett herumzukommen.

      „Komm, meine Kleine. Wir müssen zusehen, dass du nach Hause kommst. Morgen ist Schule.“

      „Gute Nacht, Daddy.“ Avery beugte sich über ihn, um ihm einen Abschiedskuss zu geben. „Tut mir leid, dass ich den Krankenwagen gerufen habe.“

      Daddys schwaches Lächeln erhellte das Zimmer. „Das hast du gut gemacht, Süße.“

      „Das hat sie wirklich gut gemacht.“ Mama gab Avery einen Klaps auf den Hintern, als sie das Zimmer verließ. „Ich komme morgen früh wieder, Gib. Susanna, du auch. Lass uns gehen.“

      „Bleib.“ Daddy winkte Susanna mit einer kleinen Bewegung seiner Finger zu sich. „Muss … mit dir … reden.“

      „Bleib nicht zu lange, Suz“, sagte Mama und beugte sich über Daddy, um ihn zu küssen. „Werd gesund, Gib. Hörst du mich?“ Mama. Sie, der man gehorchen musste. Daddy würde gar nichts anderes übrigbleiben, als völlig wiederhergestellt nach Hause zu kommen. Hundertprozentig.

      Die Tür schloss sich leise hinter Mama, die Sanftheit in ihrer Stimme hing noch im Raum. Hinter aller Ruppigkeit liebte Mama Daddy leidenschaftlich. Und ihre Familie auch.

      „Sie liebt dich“, sagte Susanna und setzte sich auf den Stuhl, aus dem Avery aufgestanden war.

      „Ja, das tut sie, das herrische alte Mädchen.“

      „Was würdest du nur ohne sie tun?“ Susanna schob vorsichtig ihre Hand in Daddys, um seine Infusionsnadel nicht zu berühren.

      „Dann hätte ich mal einen Moment Ruhe.“ Er lachte und drückte ihre Hand. Der Monitor piepte kurz, aber als Susanna den Bildschirm studierte, sah sie, dass Daddys Herzfrequenz gleichmäßig und stabil war.

      „Du hast uns ganz schön erschreckt.“ Susanna rutschte im Stuhl hin und her und versuchte, es sich mit dem Kleid bequem zu machen. Das enge Etuikleid war schick und perfekt, um darin zu stehen und zu gehen. Bequemes Sitzen war allerdings etwas anderes.

      „Das ist nix. Nur eine kleine Verstopfung.“

      „Du weiß, dass wir alle ohne dich aufgeschmissen wären. Besonders Mama.“

      Susanna strich mit ihrem Daumen über Daddys Handrücken, die Augen voller Tränen.

      „Morgen früh machen sie eine Angioplastie. Hinterher bin ich wie neu. Zu stur, zu sterben. Erst 48. Hab vor, dich zum Altar zu führen.“ In diesem Moment sah er ihr in die Augen, klar und fokussiert. „Es tut mir leid wegen Adam, Kätzchen. Du wolltest immer die einzig wahre Liebe, nicht wahr?“

      „Tja, das war er dann wohl nicht.“ Schon wieder Tränen. Susanna pulte mit ihrer freien Hand an den Fäden der Bettdecke herum. „Aber weißt du, es wurde ja schon langsam albern. Warten, nicht weiterkommen,

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