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eines Königs war, der wiederum der Sohn eines Königs war … und so ging es weiter, fünfhundert Jahre in die Vergangenheit.

      Und was war mit Vaters Gesundheitszustand, der sich immer weiter verschlechterte? Würde er König werden, bevor er überhaupt bereit dafür war?

      Und als wären seine Gedanken noch nicht wirr genug, tauchte sie auf einmal darin auf.

      Susanna.

      Jon blickte forschend auf den Beifahrersitz. „Weißtduwas? Vergiss das Abkommen. Ich glaube, du hast recht. Deine größte Herausforderung ist wirklich, eine Frau zu finden. Du und Prinz Stephen, ihr seid die Hoffnung des Hauses Stratton.“

      Hatte er seine Gedanken irgendwie über den Äther geschickt? „Ich würde mich lieber weiter durch das Abkommen wühlen.“ Er wollte heiraten. Aber nicht, weil das zur Stellenbeschreibung eines Kronprinzen gehörte.

      Er wollte aus Liebe heiraten.

      Susanna blieb in seinen Gedanken, bis er das Bild, das er sich von ihr gemacht hatte, einfing und es in seinen Gedanken ganz nach unten schob. Von ihr zu träumen war komplette Zeitverschwendung. Er würde mehr Glück dabei haben, einen Erben für den Thron von Hessenberg zu finden, als Susanna Truitt zu heiraten.

      Aber er wollte sie sehr gerne wiedersehen, er sehnte sich regelrecht danach. So sehr sogar, dass Jon am Sonntag gefragt hatte, warum er so ein Gesicht mache. Nathaniel hatte es schnell auf Sodbrennen wegen zu viel Pizza geschoben.

      Am Sonntag war er zweimal fünf Meilen gelaufen – morgens und abends – um sich von ihr abzulenken. Warum sollte er an etwas denken, was so ganz und gar jenseits des Machbaren lag?

      Als er dann heute versuchte, den Text des 99 Jahre alten Abkommens zu lesen, rebellierte sein Verstand. Er weigerte sich schlichtweg, ein weiteres „Infolgedessen“ und „bis dato“ anzunehmen, um von einer Frau mit tiefblauen Augen und einem Lächeln zu träumen, das sein Herz blendete.

      Er war in Geschäftsdingen seines Vaters auf diese Insel gekommen und um ein bisschen auszuspannen. Nicht mehr, nicht weniger. Romantik überhaupt in Erwägung zu ziehen war unklug.

      Weil sein Name, seine Bestimmung, alles, was mit ihm zu tun hatte, dem König und dem Königreich Brighton gehörte.

      Bis hin zu seinem Herzschlag.

      Um halb sieben schlüpfte Susanna in das schwarze Etuikleid, das sie – samt einem passenden Paar Schuhe – für Hochzeiten und Militärbälle im Schrank hatte.

      Schwarz. Wie passend. Nachdem sie herausgefunden hatte, dass sie so schnell wohl kein weißes Kleid tragen würde, erschien ihr ein eleganter Abend ganz in schwarz, in Gesellschaft der Elite des südlichen Georgia, fast ironisch. Aber sie beschloss, das Ganze eher als einen therapeutischen Ansatz zu betrachten.

      Sie bekämpfte einen Anflug von Traurigkeit, als sie sich im Badezimmer ihrem Spiegelbild entgegenlehnte. „Du wirst darüber hinwegkommen. Adam hat nur das gemacht, was du schon lange hättest tun sollen – er hat die Wahrheit gesagt.“

      Aber zwölf Jahre? Bäh. In ihrem Magen formte sich ein Knoten, der allerlei saure Bedenken absonderte. Warum war sie still geblieben, obwohl sie tief in ihrem Inneren … ganz tief in ihrem Inneren Bescheid gewusst hatte? Sie stellte ihre Integrität und ihr Urteilsvermögen infrage. Ihren Mut.

      Aber sie hatte sich von der Aussicht auf ein sicheres Leben an der Seite des kontrollierten und ehrbaren Adam Peters blenden lassen. Natürlich hatten auch sie ihre Auseinandersetzungen und Konflikte gehabt, aber am Ende war er immer ihre sichere und verlässliche Zukunft gewesen. Jemand, auf den sie sich verlassen konnte.

      Ein Hupen in der Einfahrt teilte ihr mit, dass die Zeit zum Nachdenken vorbei war. Sie schnappte sich ihre silbrige Clutch von der Frisierkommode und stopfte eilig einen Zwanzig-Dollar-Schein, einen Lippenstift und ihr Handy hinein.

      Zeit, auszugehen – und weiterzugehen.

      Gage empfing sie an der Haustür mit einem Blumenstrauß in der Hand, den er ihr mit einem unbeholfenen „Hier“ entgegenstreckte.

      „Oh-okay.“ Ihre Hand zitterte, als sie die Plastikfolie umschloss. Das Adrenalin und jegliche Hoffnung, schnell über Adam hinwegzukommen, ließen schlagartig nach. Sie fühlte sich schwach und sehr nah am Wasser gebaut. „Gage, ich … danke dir.“

      Das ganze Thema Blumen kaufen, schenken, geschenkt bekommen war mit Adam immer eine heikle Geschichte gewesen. Gage wusste das, oder jedenfalls hatte er das vor einiger Zeit einmal gewusst. Damals hatte er sich auf Susannas Seite gestellt, als Adam auf Heimaturlaub war.

       „Schenk der Dame mal ein paar Blumen, Adam.“

      Der geradlinige Marine betrachtete Blumen als Geldverschwendung. In aller Regel sah Susanna das ja auch ein. Außer an Jahrestagen, Geburtstagen und am Valentinstag. Besonders, weil er die meiste Zeit der letzten sechs Jahre im Ausland verbracht hatte. Bis auf einen einzigen hatte er ihre letzten sieben Geburtstage verpasst.

      „Ja, also, vergiss es einfach. Ich hab sie bei Publix gesehen. Die orangenen Blumen gefielen mir. Hör zu …“ Gage machte eine Kopfbewegung zum Auto hin und bot ihr seinen Arm an. „Heute Abend sollten wir folgendermaßen vorgehen –“

      „Gage, warte mal, vielleicht solltest du doch ohne mich dorthin gehen.“ Susanna ging zurück ins Haus und legte das Bouquet auf ein Beistelltischchen neben der Tür. Sie konnte das nicht bringen … Sie brachte es einfach nicht … Die ganze Insel wusste Bescheid.

       Den richtigen Ring gefunden, aber nicht die richtige Frau.

      „Jetzt komm schon, Suz. Lass uns diesen Auftrag gewinnen. Dieser Krankenhausflügel wird uns ein Jahr lang solide schwarze Zahlen schreiben lassen.“

      „Uns?“

      „Ja, uns. Die Firma.“ Er bot ihr einmal mehr den Arm an, aber Susanna ging alleine die Treppe hinunter. So gut er in seinem schwarzen Smoking und mit seinem sorgfältig frisierten Haar auch aussah, war Gage doch einfach nur ihr Chef. Einfach nur ihr Freund.

      Bei den Butlers reihte sich Gage ein, um das Auto einem dienstbaren Geist zu überlassen. Er überprüfte sein Aussehen im Rückspiegel und wandte sich Susanna zu, bevor er die Autoschlüssel einem Mann in roter Uniform übergab.

      „Einschmeicheln, Honig ums Maul schmieren, umgarnen. Das ist die Strategie für heute Abend. Ach, und die Veranstaltungsmanagerin hat mir gesagt, dass die Mitglieder des Krankenhauskomitees Anstecknadeln mit roten Schleifen tragen werden.“

      „Die Veranstaltungsmanagerin?“ Susanna öffnete die Autotür.

      „Mit einem Abendessen und einer Fuhre Komplimente kann man ganz schön viel in Erfahrung bringen.“

      „Gage, es ist ein Auftrag. Verkauf deine Seele nicht dafür.“

      „Wir brauchen diesen Auftrag, Susanna. Wir. Brauchen. Diesen. Auftrag.“

      Das Herrenhaus der Butlers war schön. Es war aus alten Flusssteinen gebaut, und das Foyer war ganz in Marmor gehalten. Ein Kristalllüster hing über der handgearbeiteten Mahagonitreppe und Damastgardinen zierten die sechs Meter hohen Fenster.

      Susanna war vor vielen Jahren schon einmal im Haus gewesen, als Mrs. Butler sie eingeladen hatte, bei den „Debütantinnen“ mitzumachen, einer Hilfsorganisation. Jedes Jahr im Frühling pflanzten sie Blumen auf der ganzen Insel und hielten an einem Samstagabend einen Abschlussball mit einem jeweils passenden Motto.

      Aber die Opulenz und der marmorne Reichtum des Herrenhauses, die Anmut und der offenkundige Wohlstand der anderen Bewerberinnen für die Debütantinnen hatten Susanna schnell wieder zu sich kommen lassen. Zu ihren Wurzeln. Dorthin, wo sie hingehörte … ins Volleyballteam der Schule und zum Kellnern ins Rib Shack, wo ihr Surfbrett an der Außenwand der Küche lehnte.

      Dann, im gleichen Sommer, war Adam mit seinen Eltern zum Abendessen ins Rib Shack gekommen. Die Eltern waren irgendwann gegangen, aber

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