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was er übrigens mit Leichtigkeit könnte“, fügte sie hinzu.

      Manfred hatte interessiert zugehört. Er konnte es kaum fassen, dass die Showhypnose, von der er gerade erzählt hatte, ohne versteckten Trick abgelaufen sein sollte. Ganz langsam dämmerte es ihm, dass die Hypnose wohl eine sehr wirksame Methode sein könnte, um Veränderungen herbeizuführen.

      „Führen Sie auch Showhypnosen durch?“, fragte er lauernd. „Nein“, antwortete sie lächelnd, „wir führen keine Showhypnosen durch, noch nicht einmal im Freundeskreis und“, fügte sie hinzu, „das könnten wir auch gar nicht. Mein Kollege und ich führen ausschließlich therapeutische Hypnosen durch. Die Hypnose lässt sich zwar für das eine wie für das andere einsetzen, aber hier kommt es auf die innere Einstellung des Hypnotiseurs an.

      Ein Showhypnotiseur möchte sein Publikum gut unterhalten und seine Fähigkeiten als Hypnotiseur darstellen. Hierbei dient ihm derjenige, den er gerade hypnotisiert, als Mittel zum Zweck.

      Zu uns kommen Menschen, die tiefgreifende, persönliche Probleme haben. Für sie ist eine Hypnosebehandlung vielfach der letzte Versuch, nachdem sie in aller Regel bereits jahrelange Therapien durchlaufen haben. In der Hypnosetherapie steht also der Mensch im Mittelpunkt und die Hypnose ist Mittel zum Zweck. Das ist der Unterschied.“

      „Wenn Sie einverstanden sind“, fuhr sie fort, „dann erkläre ich Ihnen jetzt zuerst einmal etwas über die Wirkungsweise der Hypnose und wie eine Hypnosebehandlung vor sich geht. Dann gebe ich Ihnen einen Erfassungsbogen, also ein Formular, das einige wesentliche Fragen zu Ihrem Problem enthält. Sie nehmen sich dann bitte alle Zeit, die sie brauchen, um den Bogen vollständig auszufüllen. Anschließend besprechen wir Ihre Angaben in aller Ruhe und dann, wenn alles besprochen ist und Sie keinerlei Fragen mehr haben, dann werde ich Sie fragen, ob Sie eine Hypnose wirklich möchten. Und wenn dies nicht der Fall sein sollte, dann trinken wir vielleicht noch in Ruhe eine Tasse Kaffee. Was ich damit sagen will, ist, dass Sie zu jedem Zeitpunkt selbst darüber entscheiden, ob Sie aufhören oder weitermachen wollen. Sind Sie damit einverstanden?“

      Manfred fiel schlagartig ein Stein vom Herzen. Er fühlte sich nicht mehr als das Opfer, das irgendetwas über sich ergehen lassen sollte, ohne es kontrollieren zu können. Er würde die Möglichkeit haben, etwas über die Hypnose zu erfahren. Wenn er wollte, würde er über seine Probleme, die ihn tief bewegten, sprechen können. Und das Beste: Er würde jederzeit gehen können, wenn er sich unwohl fühlte. Dankbar antwortete er: „Ja, sehr gerne.“

      „Schön“, freute sich die Hypnosetherapeutin, „dann können wir ja anfangen. Aber vorher noch eine andere Frage: „Ihre Frau hat den heutigen Termin für Sie gemacht. Sind Sie jetzt hier, weil Sie das selbst wirklich möchten oder nur, um Ihrer Frau einen Gefallen zu tun?“ Manfred fühlte sich ertappt. Er überlegte kurz, ob er jetzt lügen oder die Wahrheit sagen sollte. Intuitiv entschied er sich für die Wahrheit: „Ich habe“, murmelte er leise „ein riesiges Problem mit meiner Eifersucht, die ich manchmal nicht kontrollieren kann. Um Doris nach unserem letzten Streit meinen guten Willen zu zeigen, hatte ich sie gebeten, für mich einen Termin in einer Praxis zu machen, in der ich professionelle Hilfe erhalten könnte. Und stattdessen, nehmen Sie es bitte nicht persönlich, bin ich jetzt in einer Hypnosepraxis gelandet.“ Manfred atmete hörbar auf. Er war froh, dass es raus war.

      Frau Papenfuß lachte vergnügt. „Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit. Das erleichtert die Sache sehr. Und nun gestatten Sie mir bitte, Ihnen gegenüber genauso offen zu sein. Eine Hypnosebehandlung wird nur funktionieren, wenn Sie sich mit Ihrem eigenen freien Willen bewusst hierfür entscheiden. Ich denke, dies gilt übrigens auch für jede andere Form der Behandlung. Wenn Sie also nur gekommen sind, um Ihrer Frau einen Gefallen zu tun, dann sollten wir das Ganze jetzt beenden. Wenn Sie allerdings von sich aus grundsätzlich bereit sind, Ihr Problem mittels Hypnose zu lösen, dann können wir gerne jetzt weitermachen. Bitte entscheiden Sie sich jetzt!“ Die Hypnosetherapeutin sah Manfred freundlich und zugleich erwartungsvoll an.

      Manfred schluckte. Er spürte, dass er seine grundsätzliche Entscheidung für oder gegen eine Hypnose hier und jetzt treffen musste. So freundlich und nett Frau Papenfuß auch sein mochte, irgendwie war die Tante knallhart. Die latente Hoffnung, ihr etwas vorspielen zu können, hatte er schlagartig aufgegeben. Urplötzlich traf ihn wieder dieser stechende Schmerz in seinem rechten Oberschenkel. Er verzog unmerklich für einen Moment das Gesicht und strich abwesend über sein Bein. Ihm wurde schlagartig klar, dass er die Chance hatte zu gehen, aber auch, dass er dann sein Problem wieder mitnehmen würde. Das hatte er bis jetzt unbewusst immer so gemacht, aber jetzt war es ihm plötzlich bewusst. “Zu gehen“ hatte für ihn in diesem Augenblick die gleiche Bedeutung wie “zu fliehen“ – zu fliehen vor sich selbst. Eine immense, innere Kraft stieg in ihm auf. Eine Kraft, die er nie zuvor bemerkt hatte und die ihm doch so vertraut war. Nein, er würde nicht fliehen – diesmal nicht. Entschlossen blickte er Frau Papenfuß an: „Ich bin bereit!“

      „Gut“, sagte sie. „Das freut mich sehr. Dann werde ich Ihnen erst einmal etwas über die Hypnosetherapie erzählen: Wenn Sie sich nachher für eine Hypnosebehandlung entscheiden, dann willigen Sie darin ein, sich in den Zustand einer hypnotischen Trance zu begeben. In diesem Zustand werden Sie eine gesteigerte Aufmerksamkeit erfahren. Sie werden viel mehr wahrnehmen, als Sie sich in Ihrem jetzigen, bewussten Zustand vorstellen können. Aber das wird Ihnen alles vollkommen egal sein. Sie werden möglicherweise von sehr berührenden Emotionen, also sehr intensiven Gefühlen durchströmt werden. Aber auch das wird Ihnen aus Ihrer jetzigen, bewussten Sicht, vollkommen egal sein. Mit anderen Worten: Im Zustand einer solchen hypnotischen Trance befinden Sie sich in Ihrem tiefsten Inneren – im Reich Ihrer intensivsten Gefühle. Es werden Erinnerungen und Erfahrungen in Ihnen aufsteigen, die Ihnen im bewussten Zustand niemals zugänglich wären – ein tiefes, inneres Wissen. Sie werden dies alles intensiv fühlen, wissen und wahrnehmen und trotzdem wird Ihnen alles vollkommen egal sein. Es wird Ihnen deshalb vollkommen egal sein, weil Sie in diesem Zustand nicht werten. Und das kommt daher, dass Ihr Bewusstsein, aus dem Ihr Ich-Gefühl herrührt, dem Ganzen teilnahmslos zuschaut. Eine hypnotische Trance ist also ein Zustand erhöhter Aufmerksamkeit bei völlig eingeschränkter Kritikfähigkeit – vom Gefühl her etwa zu vergleichen mit einem intensiven Traum. Der einzige Unterschied besteht darin, dass in diesem Traum jemand mit Ihnen spricht und Ihnen Fragen stellt. Sie antworten und erzählen, was Sie sehen und was Sie fühlen. Aber auch das ist Ihnen vollkommen egal. Die Worte kommen wie von selbst. Und dabei werden Sie sich manchmal fragen, wer da eigentlich spricht. Aber das interessiert Sie nicht wirklich. Sie bemerken es nur, aber im Grunde ist es Ihnen völlig gleichgültig.“

      Frau Papenfuß lehnte sich bequem zurück. „In diesem Zustand sind Sie erhöht suggestibel. Alles, was man Ihnen in diesem Zustand suggeriert, geht ungefiltert direkt in Ihr Unterbewusstsein ein und wird dort zu einer festen, bleibenden Überzeugung. Eine Überzeugung, die man auch als “feste Regel“ bezeichnen könnte oder auch als “unbewusstes Programm“.

      Manfred schluckte. „Bedeutet das, dass Sie einen Menschen durch Hypnose umprogrammieren können wie einen Computer? Und dass dieses neue Programm, also diese neue, unbewusste Regel dann auch nach Beendigung der Hypnose bestehen bleibt?“ „Genau das bedeutet es“, antwortete Frau Papenfuß ernst.

      „Ich gebe Ihnen ein banales Beispiel: Stellen Sie sich vor, ein Hypnotiseur würde jemandem im Zustand der hypnotischen Trance suggerieren, dass jede Form von Kaffee, die er von nun an trinkt, wie Salzwasser schmeckt. Dieser Mensch würde nach der Hypnose noch einige Male versuchen, Kaffee zu trinken. Aber jedes Mal, wenn er den ersten Schluck nähme, würde er das Gesicht verziehen, weil er nur reines Salzwasser schmeckt. Wenn er das drei Mal probiert hätte, dann würde er vermutlich keinen Kaffee mehr anrühren -für den Rest seines Lebens.

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