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      „Ich tue das für uns alle“, sagte ich. „Ich kann den Gedanken kaum ertragen, meine Jungs zurückzulassen, aber ich weiß ja, dass sie euch beide haben. Alles wird besser sein, wenn ich wieder zurückkomme. Es ist nicht anders als eine deiner Geschäftsreisen“, sagte ich zu Bill. „Immer, wenn du zurückkommst, ist es, als wärst du nie weg gewesen.“

      Bill küsste die Innenseite meiner Handfläche. „Wir werden zurechtkommen.“ Dann stand er auf und schlenderte davon, so als hätten wir uns gerade geeinigt, dass es Hamburger zum Abendessen geben sollte.

      Auch Renee erhob sich. Sie hob ein Hundespielzeug aus Plastik, das aussah wie ein Knochen, vom Fußboden auf und warf es in den Korb unter dem Couchtisch. „Hier wird alles prima laufen, Liebes. Alles bestens. Du hast uns gerettet, und ich werde dasselbe für dich tun.“ Sie griff nach meiner Hand. „Werde du nur gesund, damit du zu allem bereit wieder zurückkommst.“

      „Ja, zu allem bereit.“

       Jack:

       Warnie und ich freuen uns darauf, endlich unsere Brieffreundin kennenzulernen. Bitte halten Sie uns über Ihre Reisepläne auf dem Laufenden. Wir können es kaum erwarten.

       Joy:

       Ich lege in der zweiten Augustwoche in New York ab und treffe am 13. in Southampton ein. Ich werde bei einer alten Freundin in London wohnen und melde mich, sobald ich dort angekommen bin und mich eingerichtet habe.

      Während dieser Wochen vor meiner Abreise spürte ich, wie Bereiche in meinem Inneren aufgerissen wurden, die für Jahre ohne jede Empfindung gewesen waren, so als hätte schon die Entscheidung selbst meine Seele geweckt. Ich erzählte meinen Söhnen, wohin ich reisen und was für ein großartiges Abenteuer das sein würde. Wir dachten uns Geschichten darüber aus, wie es in England wohl aussehen mochte. Davy malte Bilder, und Douglas überlegte sich, ob die Wälder dort wohl dichter oder grüner waren. Niemand konnte zählen, wie viele Male ich ihnen sagte, wie sehr ich sie vermissen würde und wie sehr ich mich schon bei dem Gedanken, fort zu sein, noch während sie neben mir saßen, nach ihnen sehnte.

      „Jungs“, sagte ich, als ich sie eine Woche vor meinem Aufbruch zu Bett brachte, „ich habe euch sooo lieb. So wie das Universum.“

      „Das Universum kann man nicht messen“, sagte Davy mit seiner erworbenen Kenntnis über die himmlischen Gefilde.

      „Genau“, sagte ich.

      „Bringst du uns Geschenke mit, wenn du wieder zurückkommst?“, wollte Douglas wissen.

      „Jede Menge.“

      „Glaubst du, Mr. Lewis ist so nett wie der Professor in seinem Buch?“

      „Noch netter“, sagte ich. „Ich werde euch schreiben und euch alles über ihn erzählen.“

      Sie schliefen so schnell ein, wie es nur erschöpfte Kinder können. Ich stand neben ihren Betten, Tränen liefen mir übers Gesicht und sammelten sich in meinen Mundwinkeln.

      Als wir an jenem Augustmorgen am Hafenpier am Hudson River eintrafen, stand Bill so aufrecht und steif da wie die Pfeiler am Kai. „Gute Reise, Joy.“ Unbeholfen nahm er mich in die Arme.

      Ich ergriff seine Hände. „Das ist eine Reise für uns alle. Sie wird eine Rückkehr zur Gesundheit, zu stabileren Finanzen und zur Lebendigkeit für unsere Familie sein. Das weißt du doch, oder, Poogle?“

      Er wandte sich ab, und Renee kam zu mir. Sie drückte mich länger und fester an sich. Dann trat sie in ihrem roten Sommerkleid und mit ihrem breitkrempigen Strohhut einen Schritt zurück und lächelte. „Ich werde dich vermissen, Liebes. Komm bald und wohlbehalten wieder nach Hause.“ Sie küsste mich auf die Wange, und ich wusste, dass ihr Lippenstift eine leuchtend rote Spur dabei hinterließ.

      Eine feuchte Brise, begleitet von einem stechenden Rauch- und Diesel-Geruch, wehte über uns hinweg, als ich meine Arme für meine Söhne ausbreitete. Hinter mir wartete der große Ozeandampfer, ein Gigant von Schiff, den ich bald besteigen würde. „Davy, Douglas. Kommt zu mir.“

      Ich drückte die beiden mit je einem Arm an mich und bedeckte ihre Gesichter mit Küssen. „Ich bin bald wieder zu Hause. Ich liebe euch so sehr!“ Meine Stimme blieb an den Tränen hängen, die mir meine Kehle zuschnürten.

      „Nicht weinen, Mami!“ Douglas tätschelte mir die Wange. „Bitte bring uns Geschenke aus England mit.“

      Davy vergrub sein Gesicht in meiner Schulter und fing leise an zu weinen. Seine Brille fiel zu Boden. Ich hob sein Gesicht zu mir, hielt sein Kinn in der Hand und sah in seine dunkelbraunen Augen. „Schau zum Mond hinauf und denk daran, dass ich auch dorthin schaue. Wir werden unter denselben Sternen und demselben Himmel sein. Und er wird mich wieder nach Hause bringen. Das verspreche ich dir.“

      Wir klammerten uns aneinander, bis Bill verkündete: „Machen wir es nicht schlimmer, als es ist. Du musst jetzt los.“

      Noch zwei Küsse auf die Wangen meiner Söhne, dann sah ich zu, wie Bill ihre Hände nahm und die vier zurück zu Bobby und Rosemary gingen, die am Ende des Bürgersteiges warteten. Nur Douglas schaute noch einmal zurück und winkte. Ich rührte mich nicht von der Stelle, bis sie außer Sicht waren. Erst dann hob ich langsam meinen Blick auf zu dem Ozeandampfer. Mit baumstammdicken Seilen war er fest am Kai vertäut und rührte sich nicht, obwohl rings um ihn her die Wellen schaukelten, tanzten und gegen seinen Rumpf klatschten. Riesige weiße Buchstaben an seiner glatten Hülle verkündeten seinen Namen: SS United States.

      An Bord wehte ein warmer Wind, und ich konnte beinahe schon die süß-salzige Mitte des offenen Meeres erahnen, wo die Wärme verfliegen würde. Ich stand auf dem Achterdeck, mein Kleid flatterte wie ein Vogel, der nicht vom Boden hochkam. Dort blieb ich, bis die Freiheitsstatue so klein war wie ein Spielzeug in einem Souvenirladen, bis das letzte Stück Land meinem Blick entschwand und mich nur noch die weite, offene See umgab.

      Teil II

       ENGLAND

       „… man kann ihn nicht halten. Es ist ja nicht so, als ob er ein zahmer Löwe wäre.“

      „Die Reise auf der Morgenröte“, C. S. LEWIS

       9

       Love is this and that and always present

      „Sonnet III“, Joy Davidman

       August 1952

      Ich ging in Southhampton von Bord der SS United States und blinzelte durch meine Brille in die fremde, in Küstennebel und Kohlenstaub gehüllte Umgebung. Das Land und die üppig-grüne Pracht, die es für mich bereithielt, warteten irgendwo da draußen.

      Vermutlich bot ich einen ziemlich sehenswerten Anblick, als ich mein Gepäck energisch hinter mir her zerrte, denn trotz des Nebels und des Drecks fühlte ich mich so leicht und fröhlich, dass das Unwohlsein, das ich seit Jahren mit mir herumgeschleppt hatte, von mir abfiel wie eine alte Haut. Es hätte mich nicht überrascht, wenn jemand hinter mir hergerannt wäre und mir zugerufen hätte: „Sie haben da hinten eben etwas fallen gelassen!“

      Meine Familie hatte ich in Amerika zurückgelassen, und ich wusste, dass manche meiner Nachbarn und Freunde dafür kein Verständnis hatten. Die Leute in unserer Kirchengemeinde runzelten die Stirn. Andere Frauen redeten über mich. Starben nicht doch auch ihre Seelen in ihnen ab? Spürten sie nichts von jener Unruhe, die wie ein inneres Licht in einem aufleuchtet

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