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dass ich jemand anderes sei, verglich mich mit meiner Cousine Renee und mit den schönen Frauen auf der Straße. Mein Vater, nun, für den konnte ich nie gut genug sein, geschweige denn auf sein Verständnis hoffen. Meine Eltern hielten Kritik für einen Liebesbeweis. Und Bill? Er erwartet von mir, dass ich eine Art von Ehefrau bin, die ich nicht sein kann, wie sehr ich auch bete oder mich bemühe. Solche Wunden heilen nicht leicht, auch nicht unter der „Aufgabe“ eines falschen Selbst, um das wahre Selbst zu finden.

      Der Winter nahm im Staat New York seinen gewohnten Lauf, und die Infektion, die in meinen Lungen begonnen hatte, breitete sich bis in meine Nieren aus. Schließlich wurden Fieber, Schwindel und Erbrechen so schlimm, dass ich für ein paar Tage ins Krankenhaus musste. Als ich endlich wieder nach Hause durfte, verordnete mir der Arzt strenge Bettruhe.

      Krankheiten verfolgten mich schon mein ganzes Leben lang, aber ich war immer wieder auf die Beine gekommen. Als Kind hatte man mich mit allem Möglichen traktiert, von Radium-Halsbändern gegen meine Schilddrüsenunterfunktion bis hin zu Leberpillen gegen meine Müdigkeit.

      Von diesem letzten Krankheitsschub erholte ich mich jedoch nicht so einfach. Im Bett starrte ich an die Decke, während die Wände immer enger zusammenzurücken schienen und es sich anfühlte, als wäre eine Tür fest verriegelt. Kein Entkommen! Ich ertastete mit den Fingern den Knoten in meiner linken Brust – wenigstens hatte der Arzt gesagt, dass der nichts zu bedeuten hatte.

      Dr. Cohen, unser grauhaariger Hausarzt mit Brillengläsern so dick wie Glasbausteine, kam eines Nachmittags zur Visite und saß mit dem Stethoskop um den Hals, die buschigen Augenbrauen zusammengezogen, auf meiner Bettkante. Seine Worte richtete er an Bill, als wäre ich durch meine Krankheiten unsichtbar geworden. „Ihre Frau braucht dringend Ruhe.“

      Seine Frau. So wurde ich nun definiert. Ich war das Objekt des Lebens eines anderen statt das Subjekt meines eigenen.

      Vom Flur her ertönte plötzlich ein dumpfer Schlag; dann bellte Topsy, und Davy schrie auf. Bill stürzte von meinem Bett zur Tür.

      „Bill“, sagte Dr. Cohen mit Nachdruck.

      „Ja?“ Er drehte mit der Hand den Türknauf, als wolle er fliehen.

      „Ich meine das sehr ernst. Von einem weiteren Schub wird Ihre Frau sich nicht erholen. Es ist zu viel. Sie müssen beide einen Weg finden, um ihr Ruhe zu verschaffen, auch wenn das bedeutet, dass sie für eine Weile woanders hingeht. Mir ist egal, wohin – aber irgendwohin, wo sie genesen kann. Ihr Körper kann in diesem Zustand keine weiteren Krankheiten verkraften. Verstehen Sie die Ernsthaftigkeit dessen, was ich Ihnen sage?“

      Bill nickte. „Ja, ich verstehe.“

      Douglas kam durch die Schlafzimmertür gestürmt, dem Fäuste schwingenden Davy auf den Fersen. Bill beförderte sie schnell wieder nach draußen, folgte ihnen und schlug die Tür hinter sich zu.

      Dr. Cohen und ich hörten ihn brüllen: „Ab in eure Zimmer, alle beide, und wartet auf eure Abreibung! Mir reicht es jetzt!“

      Ich schloss die Augen und stürzte innerlich ab, hinein in die Verzweiflung. Was konnte ich denn jetzt bloß tun? Mein Körper hatte mich im Stich gelassen.

      Hoffnungslosigkeit war meine Gefährtin und Fantasie mein Ausweg.

       Jack:

       Oh, meine liebe Freundin. Wenn Ihr Mann trinkt und untreu ist, welche Wahl bleibt Ihnen dann? Ehebruch ist etwas Ungeheuerliches, ein Versuch, aus der heiligen Vereinigung einen Aspekt herauszulösen. Aber manchmal, Joy, ist eine Scheidung ein chirurgischer Eingriff, der erfolgen muss, um ein Leben zu retten. Sind die Jungen in Sicherheit? Wäre es Ihnen möglich, Urlaub zu machen und nach England zu kommen? Wir beten für Sie, wie immer.

       Joy:

       Danke für Ihre Freundlichkeit. Ich stimme mit Ihnen überein, doch wenn man mittendrin steckt, ist es schwer, eine Perspektive zu gewinnen.

       Oh Jack, ein Urlaub? Ja, ich träume davon, nach England zu kommen. Ich träume von so vielem.

      Die Tage zogen sich und waren voller Schmerzen. Die Pillen vermochten das Pochen in meinen Nieren kaum zu lindern. In einer Nacht gab es ein schreckliches Wintergewitter, das die Fenster mit einer durchsichtigen Eisschicht überzog, und Bill war nicht nach Hause gekommen. Erinnerungen an frühere Vorfälle, wo er verschwunden war, tauchten auf wie quälende Gespenster. Schließlich hörte ich ihn irgendwann in dieser schlaflosen Nacht hereinkommen. Erst seine Schritte auf der Treppe, das Klicken der Mechanik der alten Türknäufe und dann stand er in unserem Schlafzimmer.

      Sein Schatten fiel längs neben das Bett, und seine Gestalt beugte sich über mich, um mich auf die Stirn zu küssen. „Poogle, dein Fieber scheint weg zu sein.“

      Der klebrig-schwülstige Geruch von Sex, der an ihm haftete, überwältigte meine Sinne und machte mich schwindlig. Könnten doch Schmerzmittel bloß auch den Schmerz des Verrats lindern! „Wo bist du gewesen?“ Ich erhob meine Stimme, sie klang erschöpft, aber war fest.

      „Hey“, sagte er leise, „sei nicht böse. Das hat nichts damit zu tun, wie sehr ich dich liebe, Poogle. Verstehst du das nicht? Die Bedürfnisse eines Mannes müssen befriedigt werden, und du bist nicht in der Verfassung, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Ich versuche nur, gut zu dir zu sein und dir Zeit zu lassen, wieder gesund zu werden, während ich meine Batterien auflade.“

      „Wer war es dieses Mal?“ Meine Frage kam flüsternd, wie ein letzter Atemzug.

      „Ach Joy, mein Schatz. Frag mich doch nicht nach Dingen, die du gar nicht wissen willst.“ Er stand auf und wich zurück, als hätte er selbst gerade erst bemerkt, wie er roch.

       Jack:

       Natürlich spricht Gott in unseren Schmerzen zu uns – es ist sein Megafon, um uns zu erreichen.

       Joy:

       Könnte ich doch nur hören, was er sagt; meistens übertönt dieses Megafon des Schmerzes alles andere, sodass ich nichts verstehen kann. Im Moment meiner größten Schwäche – mein Roman ein Flop, meine Gesundheit zerrüttet – hat Bill beschlossen, dass es das Beste sei, seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.

      „Ach Joy“, sagte Bill mit diesem aufgesetzten Südstaaten-Singsang in seiner Stimme. Er legte sich neben mich, streckte sich und legte dabei sein Bein über meine, eine Geste der Liebe und Vertrautheit. Sein Atem roch nach schlechtem Whisky und Zigarren. „Ruh dich aus. Werde gesund. Und wenn es so weit ist, wird es uns beiden besser gehen. Warte nur, du wirst schon sehen.“

      Aber mir war klar, dass es nicht besser werden würde. Wenn ich nicht wegging, würde ich sterben. Das spürte ich so sicher, wie ich wusste, dass es bald Frühling werden würde, dann Sommer, dann Herbst, und dann wieder der verfluchte eisige Winter.

      Gott, betete ich verzweifelt, bitte hilf mir. Ich weiß nicht, was ich tun soll.

       7

       Knew, in the lonely midnight afterward, The terrible third between us like a sword

      „Sonnet II“, Joy Davidman

       Februar 1952

      Der Tee im Becher neben meiner Schreibmaschine war kalt geworden, aber ich nahm trotzdem einen Schluck heraus. Ich war versunken in den Artikel über die Zehn Gebote, an dem ich gerade schrieb. Er ist die Quelle aller Freuden; er ist Vergnügen und Licht und Lachen. Ich kam jetzt schnell voran und näherte

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