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an den Briefen festhalten, von denen ich bei meiner Suche nach Wahrheit und Sinn zehrte.

       C. S. Lewis:

       Mein Bruder Warnie liest Ihre Briefe genauso gern wie ich. Er lacht schallend über Ihre Geschichten. Er wird Ihnen auch bald schreiben. Zurzeit steckt er tief in Recherchen für eine Sammlung zur französischen Geschichte. Habe ich Ihnen schon gesagt, dass er ebenfalls ein famoser Schriftsteller ist?

       Joy:

       Ich beneide Sie (womit ich ein Gebot übertrete, nicht wahr?) um Ihre enge Verbundenheit mit Ihrem Bruder und darum, wie Sie miteinander umgehen. Meine Beziehung zu meinem Bruder ist zerbrochen, und das ist meine Schuld. In der New York Post erschien eine Artikelserie unter dem Titel „Girl Communist“, in der ich viel von meiner Seele preisgab und Geschichten aus meiner Vergangenheit erzählte, wie ich vom Atheismus zum Kommunismus und schließlich zu Christus gekommen war. Damals hatte ich das Gefühl, Integrität zu beweisen, indem ich wahrheitsgemäß von dieser Reise berichtete. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Howie waren diese Familiengeschichten peinlich; es kränkte ihn, dass ich mein Engagement für die Partei gestanden und mich zu meinen jugendlichen Missetaten bekannt hatte. Er ist immer noch wütend und hat seither nicht mit mir gesprochen. Das ist ein großer Verlust. Kennen Sie nicht auch diesen Schmerz, beim Schreiben Ihre Seele offenzulegen und darunter zu leiden?

       C. S. Lewis:

       Ja, Joy, diesen Schmerz kenne ich gut. Wenn wir die Wahrheit schreiben, wird uns nicht immer eine große Masse applaudieren. Aber schreiben müssen wir sie dennoch.

      An jenem ersten Nachmittag in Vermont, nachdem ich ausgepackt hatte und die Männer mit den Kindern zum See hinuntergegangen waren, spazierten Eva und ich in der strahlenden Sommersonne die langen Pfade zwischen wilden Blumenbeeten am Seeufer entlang. Sie erkundigte sich, wie es unserer Familie ging.

      „Das ist zu viel, um darüber zu reden“, sagte ich ihr. „Ich versuche, mich davon frei zu machen und immer ein Lächeln für die Jungs zu haben, Eva. Ich möchte, dass sie glücklich sind. Wir finden es wunderbar, dass wir hier sein dürfen. Lass uns jetzt nicht über schwere Dinge sprechen.“

      „Welche schweren Dinge, Joy? Ich bin doch deine Freundin.“ Sie pflückte eine Schwarzäugige Susanne und steckte sie sich hinters Ohr. Die gelben Blütenblätter hoben sich leuchtend von ihren dunklen Haaren ab.

      Ich wollte ihr nicht alles sagen, wollte nicht klagen. Meine Schilddrüse verhielt sich wieder einmal sehr träge, was mich sehr müde machte. Die Jungs hatten mit Asthma und Allergien zu kämpfen, Bill mit Heuschnupfen, Phobien und einem drohenden Nervenzusammenbruch. Dann der Alkohol, immer wieder der Alkohol. Und insgeheim hatte ich den Verdacht, dass es wieder andere Frauen gab.

      Ich sah forschend in ihr liebes Gesicht, bevor ich sie fragte: „Hast du je das Gefühl, dass es mehr gibt, dass das Leben so viel mehr zu bieten hat und wir es irgendwie verpassen? Ich möchte Teil eines größeren Ganzen sein, möchte etwas bewirken, es sehen und spüren, mich damit auseinandersetzen. Spürst du nicht auch diese Sehnsucht in dir?“

      Sie lächelte mich an. „Aber wir bewirken doch etwas – indem wir uns um das kümmern, was Gott uns mit unseren Kindern gegeben hat.“

      „Das meine ich nicht, Eva.“

      „Ich weiß.“ Sie berührte meinen Arm. „Ich weiß.“

      „Ich möchte ein eigenes Leben – mit Herz, Verstand und Seele, als die, die ich wirklich bin. Ich will, dass mein Leben mir gehört, und doch will ich zugleich auch, dass es meiner Familie und Gott gehört. Ich weiß nicht, wie ich das miteinander vereinbaren soll.“

      Sie lachte. „Und du möchtest das alles auf einmal herausfinden, nicht wahr?“

      „Genau.“

      Sie schüttelte den Kopf. „Es geht nicht immer nur um Logik, aber das weißt du ja – ich habe deine Gedichte gelesen.“ Sie überlegte einen Moment. „Es geht um Hingabe, glaube ich.“ Sie hielt ihre flache Hand über die Augenbrauen, um ihre Augen vor der Sonne zu schützen, und rief nach einer ihrer Töchter. „Madeline?“

      „Wir sind im See, Mami“, rief Madeline zurück.

      Eva nahm mich an der Hand. „Komm schon, Joy. Lass uns ein bisschen Spaß haben!“

       C. S. Lewis:

       Sie fragen nach meinem traurigsten Moment? Ganz offensichtlich der Tod meiner Mutter, als ich zehn Jahre alt war. Sie wurde vom Krebs dahingerafft; es war der prägende Moment des Grauens in meinem Leben, in dem alles verlässliche Glück verschwand. Es war, als ob der Kontinent meines Lebens im Meer versank. Und übrigens, nennen Sie mich bitte Jack, wie es alle meine Freunde tun.

       Joy:

       Ja, sind es nicht unsere Tiefpunkte, die anschließend unser ganzes Leben beeinflussen? Welcher war meiner? Vielleicht gibt es zu viele, um sie zu zählen, aber wenn ich einen auswählen soll, dann ist es der Tag, als ich mit ansah, wie sich ein junges Mädchen das Leben nahm. In meinem zweiten Jahr auf dem Hunter College – ich saß gerade an meinem Schreibtisch und lernte –, schaute ich aus dem Fenster und sah sie wie einen Vogel vom obersten Geschoss des Gebäudes auf die gegenüberliegende Seite des Innenhofs fliegen. Als sie auf dem Pflaster aufschlug und ganz verrenkt und blutig dalag, wusste ich, dass ich nie wieder dieselbe sein würde. Und nachdem ich herausgefunden hatte, dass ihre Armut und ihr Hunger die Ursache gewesen waren, war das, glaube ich, mein erster Impuls, der mich zum Kommunismus trieb – die Ungerechtigkeit.

       Und übrigens, ja, es ist mir eine Ehre, dass Sie mich als Freundin betrachten und ich Sie Jack nennen darf. Bitte nennen Sie mich Joy.

      „Wovon träumst du, wenn du dir mehr erträumst als das hier, Joy?“, wollte Eva wissen, als wir den Hügel hinabschlenderten.

      „Als ich ganz klein war, und noch viele Jahre danach, hatte ich immer wieder denselben Traum.“

      „Erzähl mir davon!“ Eva blieb abrupt stehen und schob ihre Sonnenbrille hoch.

      „Ich gehe eine Straße entlang. Es fängt immer in einer vertrauten Nachbarschaft an, aber wenn ich weitergehe, komme ich an eine Biegung auf einem Feldweg, und plötzlich kenne ich mich da nicht mehr aus. Aber ich gehe immer weiter. Ich weiß, dass ich mich verlaufen habe, aber aus irgendeinem Grund habe ich keine Angst. Der Pfad ist von Weiden und Eichen gesäumt, mit hohen Ästen, die sich schützend über mich breiten. Osterglocken und Tulpen blühen leuchtend wie in den Parks meiner Kindheit. Das Gras ist dicht und smaragdgrün. Es kommt mir alles zu üppig und zu vertraut vor, als dass ich Angst haben müsste. Ich gehe immer weiter, bis der Weg sich weitet.“

      „Und dann?“ Eva war neugierig geworden.

      „Weckt nicht schon das Bild dieses Pfades in dir die Sehnsucht nach etwas Wunderbarem? So, als würde ich dir gleich die beste Geschichte erzählen, die du je gehört hast? Eine Geschichte, die dich zutiefst erfüllen wird?“

      Sie lachte. „Ja, das stimmt. Erzähl weiter.“

      „Der Weg ergießt sich in eine immergrüne Waldlandschaft mit mächtigen Felsen und einem Waldboden voller kleiner Pilze und Blüten“, sagte ich. „Es ist ein Ort, den ich Feenland nenne. Und wenn ich dort ankomme, habe ich das Gefühl, dass mir das Herz vor Glück zerspringt. Weit hinten hinter dem Hügel steht ein Schloss, dessen Turmspitzen sich bis in die Wolken erheben. Ich bin noch nicht dort, aber ich weiß schon, dass es dort keinen Hass gibt, kein Herzeleid. Alles Traurige oder Schreckliche ist nur eine Lüge. Alles ist gut. Friede regiert.“

      „Gelangst du jemals dorthin?“, fragte Eva. „In deinem Traum?“

      „Nein.“ Ich schüttelte den Kopf

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