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      „Lewis? Das hast du ihm erzählt? Ich wusste nicht, dass ihr euch so nahe steht.“

      Ich lachte. „Wir sind uns noch nicht einmal begegnet, aber ja. Das Erstaunliche ist, dass er sich denselben Ort auch schon vorgestellt hat. Er hat in seinem Buch Das Schloss und die Insel darüber geschrieben, über dieses Feenland. Also, er nennt es ‚die Insel‘, aber es ist die Beschreibung, die Vorstellung von einem Ort, wo die Sehnsucht sich erfüllt.“

      „Wir alle möchten glauben, dass etwas Vollkommenes vor uns liegt. Das ist der Himmel, Joy.“

      „Ich weiß. Aber hier ist der Unterschied – ich habe das schon geträumt, als ich noch gar nicht glaubte, dass es etwas Größeres gibt als das, was wir vor Augen haben. Erst Jacks Buch hat mir die Augen dafür geöffnet, was mein Traum wirklich bedeutet.“

      „Kommt denn sein Pilger je auf seiner Insel an?“, fragte sie, als wäre nichts wichtiger für sie, als das zu erfahren, und vielleicht war es ja auch so.

      „Ja, das tut er.“

      Sie atmete erleichtert aus.

       Jack:

       Sie müssen allmählich frustriert sein, dass ich nicht alle Ihre Fragen beantworten kann, Joy. Ich kenne kaum jemanden mit einem so schnellen und geschmeidigen Verstand wie Sie. Aber manchmal habe ich keine andere Antwort als die, die er selbst gegeben hat, nämlich „Folge mir nach“. Ihre Ehe und die Untreue Ihres Mannes hören sich an wie das blanke Grauen, aber Sie klingen auch entschlossen zur Liebe.

       Joy:

       Ja, bei den Fragen, die mir keine Ruhe lassen, ist es das Beste, mich an Ihre Antwort zu erinnern. Daran werde ich mich immer und immer wieder halten: „Folge mir nach.“

      Eva blieb stehen, als wir die Hügelkuppe erreichten und Bill und Chad mit einem Picknickkorb zwischen sich auf einer Decke liegen sahen. Alle sechs Kinder planschten lärmend am Ufer des Sees herum. Ein Farbenmeer wilder Blumen, Fingerhut und Leberblümchen, Astern und Christophskraut, reckte uns seine offenen Blüten entgegen, als sehnte es sich verzweifelt nach unserer Aufmerksamkeit.

      „Schau dir diese Welt an“, sagte ich. „Was für ein unfassbares Wunder der Schönheit. So möchte ich leben, nicht so, als wäre das Leben eine einzige Last.“ Ich bückte mich, pflückte eine Blume und hielt sie der Sonne entgegen.

      „Das ist ein wunderbarer Gedanke. Meine liebe Freundin, du bist die faszinierendste Frau, die ich kenne. Ich bin überglücklich, dass du hier bist.“ Sie drückte mich fest und setzte sich anschließend in Bewegung, den Hügel hinab, um zu den Männern zu gelangen.

      Ich blieb einen Moment lang stehen. Das Wasser kräuselte sich vom Planschen und Schwimmen der Kinder. Bill und Chad boten einen einladenden Anblick, wie sie da lachend auf der Picknickdecke lagen.

      Es waren zwei Leben, die ich führte: eines hier unter der warmen Sonne, mit dem fröhlichen Lärm der Kinder, dem Gesang der Vögel im Baldachin der Eichen über uns, dem Plätschern des Sees. Parallel dazu gab es ein zweites Leben: das, in dem meine Gedanken darum kreisten, wie ich diese Momente und Gefühle Jack beschreiben sollte. Was von diesem Tag würde ich mit ihm teilen? Ich lebte mit ihm in meinen Gedanken, während ich äußerlich mit meiner Familie picknickte. Es war verwirrend und machte mich zugleich ausgeglichener.

      Langsam ging ich hinunter und erreichte die Decke, wo Eva bereits Platz genommen hatte und unbeschwert lachend ihr Gesicht in die Sonne hielt. Ich war neidisch. Wie glücklich sie war mit ihrem Mann und ihren vier Mädchen.

      Chad lächelte mich an. Seine dunklen Haare klebten feucht an seinem runden, lebhaften Gesicht. „Willkommen, die Damen.“ Ohne es zu merken, kratzte er an ein paar Mückenstichen herum, die sich auf seinen sommersprossigen Armen erhoben.

      Eva wandte sich ihm zu, und er beugte sich über sie und küsste sie auf den Mund. „Was treibt ihr Jungs denn hier unten?“

      Bill setzte sich auf. „Poogle!“, rief er so überschwänglich, dass es sich anhörte, als wäre ich gerade von einer weiten Reise zurückgekommen. Auch er beugte sich über mich und küsste mich. Seine Lippen schmeckten nach Chianti, und er legte sanft seine Handfläche an meine Wange. „Bist du nicht froh, dass wir hergekommen sind?“ Er wandte sich wieder an Chad. „Wie können wir euch das je danken?“ Übermütig sprang er auf und rannte an den See zu den Kindern. Im Laufen schnappte er sich Davy, hob ihn hoch über den Kopf und stürzte sich mit ihm begeisternd quietschvergnügt ins Wasser.

       Jack:

       Ich habe den Aufsatz „Longest Way Round“ gelesen, den Sie über Ihre Bekehrung geschrieben haben. Ich staune über Ihre Fähigkeit, etwas zu erklären, was beinahe unmöglich in Worte zu fassen ist – die Kraft einer Umkehr und die Erkenntnis, dass der Atheismus zu simpel war. Das ist flammend geschrieben. Nicht vieles in unserer Welt ist so einfach, wie es erscheint, und wenn man tiefer graben will, wie Sie es tun, Joy, muss man sich auf die Schwierigkeiten auf diesem Weg gefasst machen. Die meisten tun das nicht. Und es ehrt mich, dass Sie in Ihrem Aufsatz meine Werke erwähnen. Danke dafür.

       Joy:

       In diesem Aufsatz sage ich, dass ich mich seit jener halben Minute ganz allmählich in eine neue Person verwandle. Und zum ersten Mal seit langer Zeit spüre ich diese Veränderung wieder – die Umgestaltung hin zu einem neuen Leben mit meinem wahren Ich.

      Ja, natürlich habe ich Ihre Werke erwähnt. Sowohl die Dienstanweisung für einen Unterteufel als auch Die große Scheidung haben die schlummernden Bereiche meines geistlichen Lebens aufgeweckt. Es hat ein wenig gedauert, aber die Geschichten rumorten in meinem Innern, bis ich bereit war. Ist es nicht mit allen guten Geschichten so? Aber Sie waren es, Jack, der mich gelehrt hat, wo ich in meiner intellektuellen Analyse in die Irre gegangen war. Ihre Worte waren nicht der letzte Schritt zu meiner Bekehrung, sondern der erste.

      Chad nahm eine Flasche Chianti, füllte ein Glas damit und reichte es mir.

      Eva sah zu Bill im See hinüber und senkte dann ihre Stimme, als sprächen wir über ein Geheimnis. „Ich möchte wissen, wie das alles angefangen hat“, kam sie auf das Thema Jack zurück. „Worüber schreibt ihr beide in euren Briefen?“

      „Alles Mögliche. Bücher. Theorien. Wir führen eine ausgedehnte Debatte über Empfängnisverhütung. Liebe. Mythologie. Unsere Träume. Unsere Arbeit.“ Ich lachte. „Kein Thema ist tabu.“

      Eva lächelte. „Es gibt überall gelehrte Männer, die sich darum reißen würden, mit Lewis über Philosophie und Träume zu korrespondieren.“

      „Eva, mir kommt es so vor, als hätte mich alles, was ich in meinem Leben gelesen und geschrieben habe, zu dieser Freundschaft hingeführt.“

      „So ein Gefühl kenne ich gar nicht.“ Eva lächelte mich an. „Außer für meine Mädchen.“

      „Und was ist mit mir, mein Schatz?“, fragte Chad und zog sie an sich.

      „Für dich auch.“

      Ich warf einen Blick hinunter zu Bill, der am Seeufer gerade Davy vom Ende des Bootssteges ins Wasser warf.

      Ich schrieb über die Zehn Gebote, doch ich kämpfte damit, was sie für mein eigenes Leben bedeuteten. Ja, ich war entschlossen, verheiratet zu bleiben. Ich wollte, dass es mit Bill funktionierte, und doch drehten sich meine Gedanken darum, was ich einem anderen Mann sagen oder schreiben könnte und was er mir wohl darauf antworten würde. Das war keine Untreue, aber was war es dann?

       Jack:

       Sie haben nach der Mythologie gefragt. Es war Tolkien (Haben Sie schon etwas von ihm gelesen?), der mich von dem einen wahren

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