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      „So. Hat das der Verstorbene behauptet?“

      „Ja. Ehm, nein. Na ja, er hat so was angedeutet … Ich habe sie auch oft streiten gehört.“

      „Worum ging es dabei?“

      „Na, sie war krankhaft eifersüchtig.“

      „So. Das ist eine harte Beschuldigung.“

      „Aber sie war es. Anatol …, ich meine Herr Maus, hat immer wieder darunter gelitten.“

      „Aha.“ Höflich zündete sich erneut eine Zigarette an. „Wieso nannten Sie Ihren Chef beim Vornamen?“

      „Oh, das war mir nur so rausgerutscht.“ Sie wurde wieder nervös. „Er hatte es mir einmal angeboten, ihn beim Vornamen zu nennen.“

      Wieder legte Höflich eine Pause ein. Dabei hielt er die Augen geschlossen.

      „Ehm, kann ich jetzt gehen?“, wagte sie zaghaft die Frage. „Meine Tochter … Sie ist noch klein. Sie wartet zu Hause auf mich. Heute ist ja Heiligabend.“ Höflich hielt die Augen weiterhin geschlossen. „Es ist wirklich ungerecht“, grollte er innerlich. Und was war mit ihm? Hatte er vielleicht kein Recht auf Heiligabend? Dabei vergaß er, dass zu Hause niemand auf ihn wartete. Er war müde. Er brauchte endlich Urlaub, um wieder einmal so richtig ausspannen zu können. Er seufzte.

      „Vielleicht … ja … gleich. Doch vorher gestatten Sie mir noch eine Frage.“ Höflich nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und sah die Frau vor sich eindringlich an. „Warum kamen Sie am Morgen des Heiligabends, während Sie Ihr Kind allein ließen, hier her zu Herrn Maus?“

      „Ehm …“ Sie suchte nach einer Antwort.

      „Zu so einer recht privaten, intimen Zeit?“, fuhr Höflich fort. „Haben Sie nicht wie alle anderen Arbeitnehmer frei an so einem Tag wie heute? Wie die meisten Arbeitnehmer …“, verbesserte er sich.

      „Doch, ja. Ehm, ich wollte nur noch etwas erledigen. Ach ja, ich wollte auch meinen Schal holen.“

      „Ah ja, verstehe. Und was wollten Sie noch erledigen?“

      „Ach, eigentlich nichts Wichtiges.“

      „Frau Klingbeil.“ Höflich erhob seine Stimme, während er seine Zigarette ausdrückte. „Das hier ist ein Mordfall. Daher lassen Sie mich beurteilen, was hier wichtig oder unwichtig ist. Also bitte, was hatten Sie noch zu erledigen!“

      Während die Angesprochene ihre Finger zusammenpresste, schien sie fieberhaft zu überlegen. Schließlich sagte sie leise: „Herr Maus hatte uns, meine Tochter und mich eingeladen, Heiligabend mit ihm zu verbringen. Er hatte Kinder gern, wissen Sie.“

      „Und …?“

      „Ehm, ich wollte nur absagen.“

      „Und …?“

      „Und meinen Schal holen.“

      „Das meine ich nicht. Sie hatten also zuerst zugesagt?“

      „Ehm ja.“

      „Warum hatte er Sie beide eingeladen?“

      „Hatte ich ja schon gesagt. Weil er Kinder gern hatte.“

      „So so. Und warum wollten Sie absagen?“

      „Ehm, ich hatte es mir eben anders überlegt.“ Als Höflich sie immer noch fragend ansah, fügte sie hastig hinzu: „Meine Eltern kommen. Sie wollen meine Kleine endlich einmal wiedersehen.“

      „Hm, da sind Sie also hierher gefahren und haben geklingelt.“

      „Ja. Erst ja. Als niemand öffnete, habe ich aufgeschlossen.“

      „Ach. Sie haben einen Hausschlüssel?“

      Bei dieser Frage zuckte die junge Frau zusammen. „Ehm, ja. Herr Maus hatte ihn mir vor einiger Zeit gegeben, damit ich in seiner Abwesenheit die Korrespondenz erledigen konnte.“

      Noch eine mit Schlüssel. „Hm, Sie sind also mit Hilfe des Schlüssels, den Ihnen Herr Maus gegeben hatte, hereingekommen.“

      „Ja.“

      „Was sagte er zu Ihrer Erklärung?“

      „Na nichts. Er war ja bereits tot“, rief sie mit großen Augen und begann wieder zu weinen.

      „Wann war das?“ Höflich räusperte sich. Rosenkranz, der mit großer Aufmerksamkeit das Verhör verfolgt hatte, warf seinem Chef eindringliche Blicke zu. „So gegen 11 Uhr. Kann ich jetzt gehen?“

      „Woher wussten Sie, dass er tot war?“ Höflich ignorierte ihre Frage.

      „Er sah tot aus, wie er da so in seinem Blut lag.“ Tränen rannen über ihr Gesicht.

      „Was taten Sie dann?“

      „Ich weiß nicht. Ich glaube, ich habe geschrien. Dann bin ich in die Küche gelaufen, weil ich hoffte, die Köchin wäre schon da. Doch niemand hörte mich. Niemand war im Haus. Da wollte ich das Haus verlassen.“

      „Und warum taten Sie es nicht?“

      Sie antwortete ihm nicht. Sie schluchzte nur. Höflich hatte eine Idee. „Hatten Sie eigentlich Angst vor Ihrem Chef?“

      „Ehm nein?“ Sie sah ihn fragend an.

      „Auch nicht vor seiner Reaktion, wenn Sie die gemeinsame Heiligabendfeier abgesagt hätten?“

      „Ehm, nein. Herr Maus hätte es verstanden. Er war so ein verständiger Mensch“, sagte sie und drückte ihr Taschentuch an die Augen.

      Daran zweifelte Kommissar Höflich allerdings. Denn wäre er das gewesen, würde er jetzt nicht mausetot in seinem eigenen Haus unter seinem eigenen Weihnachtsbaum liegen.

      Plötzlich klopfte es. Gleich darauf steckte Kirschkern seinen Kopf herein.

      „Entschuldigen Sie. Können Sie für einen Moment herauskommen, Herr Kommissar?!“

      „Wir haben aller Wahrscheinlichkeit nach die Tatwaffe gefunden.“ Mit diesen Worten wurde Höflich von Kirschkern empfangen, als dieser gerade die Tür zur Bibliothek hinter sich geschlossen hatte. Beide gingen in den Garten.

      Im Blumengarten des weit angelegten Grundstückes säumte dichtes Buschwerk, säuberlich beschnitten, den Gehweg, der um das Haus führte. Hinter einem der Sträucher war der über Nacht gefallene Pulverschnee durch viele Schuhabdrücke festgetreten. Die Mitarbeiter der Spurensicherung ließen Kommissar Höflich und seinem Assistenten, der ebenfalls herausgekommen war, den Vortritt, damit sie den Fund genaustens betrachten konnten.

      Rosenkranz sah viele verschiedene Spuren, die ineinander übergingen und größtenteils verwischt waren. Daneben verliefen Tierspuren, wahrscheinlich von einer Katze oder doch eher von einem Hund, bis zu den Rosenstöcken und wieder zurück.

      Kommissar Höflich starrte auf das Ding im Schnee hinter dem Strauch, und in ihm stieg das unangenehm peinliche Gefühl auf, dass ihn schon damals in der Schulzeit beschlichen hatte, wenn er mal wieder so richtig von seinen Mitschülern verladen wurde.

      Verärgert wandte er sich Kirschkern zu und wollte ihm gerade seine Meinung über diese Art von Scherzen kundtun, als dieser ihm zunickte und meinte: „Eigentlich unglaublich, nicht?“

      Neben ihnen sog Rosenkranz geräuschvoll die Luft ein. Höflich sah erneut auf den Fund und schüttelte ungläubig den Kopf.

      Denn im festgetretenen Schnee zu seinen Füßen lag, noch in der handelsüblichen durchsichtigen Folie verpackt, eine hart gefrorene Mastgans. Gewicht: 5 kg, so stand es auf der Verpackung.

      „Eine Weihnachtsgans?“ Endlich fand Höflich die Sprache wieder. „Sind Sie sicher?“

      „Nun ja, so ziemlich. Wir fanden Blut und Hautpartikel der Leiche an diesem Vogel. Hier sehen Sie? Es wird im Labor natürlich noch genauer untersucht werden. Doch unsere bisherige Untersuchung bestätigt diese Annahme.“

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