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sinken.

      Missmutig sah er seinem Assistenten dabei zu, wie er sich zielstrebig den richtigen Ordner herausnahm, um ihn dem Kommissar vorzulegen.

      Er konnte Rosenkranz nicht leiden. Immer war der an seiner Seite und wollte über alles unterrichtet sein. Der Kommissar war ein Einzelkämpfer. Er arbeitete lieber allein.

      Doch in einer Dienststelle wie dieser war das nicht immer möglich und auch nicht ratsam. Das sah er natürlich ein. Auch die Tatsache, dass das Zusammenwirken unterschiedlicher Instanzen gerade dazu beitrug, die Hintergründe eines Falles zu durchleuchten, verborgene Tatsachen zu heben und durch professionelle Methoden zu beweisen.

      Schließlich hatte die Zusammenarbeit mit den Kollegen während seiner dreißigjährigen Dienstzeit immer gut funktioniert, fand er, auch ohne dass jemand wie Rosenkranz jeden seiner Schritte beobachtete.

      Höflich nahm die ihm dargereichte Akte, blätterte sie oberflächlich durch und legte sie wieder ab. „Wie wäre es mit einem Kaffee, Rosenkranz?“, wandte er sich an seinen Assistenten.

      Heute war der vierundzwanzigste Dezember, Heiligabend, ein Tag, an dem sich andere auf die Feiertage einstellten, noch schnell die letzten Weihnachtseinkäufe erledigten, den Weihnachtsbaum schmückten oder das Weihnachtsmenü vorbereiteten.

      Und dann gab es die Beneidenswerten unter ihnen, die ihre Koffer gepackt hatten und auf und davon in die Weihnachtsferien gefahren waren. Er dagegen … Höflich blickte auf das Chaos auf seinem Schreibtisch, gähnte und sah auf die Uhr.

      Es war fast Mittag, also Zeit für eine Pause. Rosenkranz kam mit zwei Bechern voll dampfenden Kaffees herein, den er vom Kaffeeautomaten geholt hatte. Höflich angelte nach seinen Zigaretten, nahm seinen Kaffee entgegen und schickte sich an, das Büro zu verlassen.

      Da klingelte das Telefon. Ausgerechnet jetzt! Höflich zögerte. Wer auch immer jetzt anrief, hatte ein sehr schlechtes Timing.

      „Das Telefon klingelt“, meinte Rosenkranz unnötigerweise und sah seinen Chef fragend an.

      „Das höre ich selbst!“ Dieser Rosenkranz! Höflich bedachte seinen Assistenten mit einem verärgerten Blick, als wäre er der Störenfried.

      Pflichtschuldig ging er an seinen Schreibtisch zurück und nahm den Hörer ab.

      „Was gibts?!“, bellte er.

      Es war Zettel, ein Kollege von der Polizeidirektion, zwei Etagen tiefer und zuständig für das gesamte Stadtgebiet und auch wie er dazu verdonnert, über die Feiertage Dienst zu tun, das arme Schwein.

      „Es handelt sich wahrscheinlich um Mord, Herr Kommissar.“

      „So.“

      „Ja. Direkt unterm Weihnachtsbaum.“

      „Verstehe. Ich komme.“

      „Ach übrigens Herr Kommissar, ich hatte bereits mehrmals versucht, Sie zu erreichen. Es war immer besetzt.“

      „Wie das? Ich habe nicht telefoniert. Wohl eine Störung, was?“

      „Na jedenfalls, die Kollegen von der Spurensicherung sind schon da.“

      „Sehr gut!“ Kommissar Höflich knallte den Hörer auf den Apparat. „Tzss.“

      Bevor sie aufbrachen, trat Rosenkranz unauffällig an das Telefon und legte den Telefonhörer richtig auf die Station.

      Mit quietschenden Reifen hielt das Auto in der Pfotenhauergasse 13, am Rande der Stadt.

      Kommissar Höflich hatte eine filmreife Vollbremsung hingelegt, sodass Rosenkranz schützend die Arme vorstreckte, während er nach vorn geschossen kam. Hätte sein Sicherheitsgurt nicht so gute Arbeit geleistet, dann …

      Er verzichtete auf eine Bemerkung, als ihm bewusst wurde, dass sein Chef ihn interessiert betrachtete und nun verächtlich den Kopf schüttelte.

      Wortlos stiegen beide aus.

      Sie standen vor einer imposanten Villa auf einem weitläufigen, parkähnlichen Grundstück. Durch den Zaun sahen sie den Gärtner, der, auf den Schneeschieber gestützt, pausierte und sie neugierig musterte. Im Haus herrschte bereits emsiges Treiben. Kommissar Höflich wurde händeringend erwartet.

      „Na endlich! Da sind Sie ja …“ Kirschkern, der Mann von der Spurensicherung, flankiert von seinen Assistenten, kam auf sie zu. „Kommen Sie und sehen sie sich das an!“

      Höflich ließ sich nicht drängen. Gemächlich schritt er durch die Eingangshalle ins Wohnzimmer, dem Tatort. Hier lag ganz offensichtlich der Hausherr unter seinem Weihnachtsbaum auf seinem Gesicht und regte sich nicht, während um ihn herum der Boden untersucht wurde.

      Man hatte am Tatort noch nichts verändert, denn man wartete auf den Kommissar. Lediglich der Arzt hatte den Toten untersucht, um seine Diagnose zu stellen. Er war es auch, an den sich Kommissar Höflich mit ernster Miene als Ersten wandte.

      „Nun Herr Doktor, was können sie mir zur Todesursache sagen?“

      „Der Mann, übrigens der Hausherr, wurde mit einem harten, schweren Gegenstand mehrmals am Kopf getroffen, sodass er vom Sessel fiel und kurz darauf verschied, was vor circa zwei bis drei Stunden geschehen sein musste.“

      „Gibt es Anzeichen dafür, dass ein Kampf stattgefunden hat?“

      Der Arzt verneinte.

      „Nein?!“, rief Kommissar Höflich und suchte nach seinem Assistenten, der sich im Zimmer umsah. „Würden Sie sich einfach so mit einem harten Gegenstand eins überziehen lassen? He, Rosenkranz?“

      „Eh nein, Herr Kommissar, natürlich nicht. Das Opfer wurde überrascht.“ Rosenkranz hatte sich schnell wieder seinem Chef angeschlossen.

      „So! Meinen Sie. Und wie kommen Sie darauf, dass er Opfer einer Gewalttat geworden ist? Vielleicht ist er eingeschlafen, vom Sessel gefallen und so hart mit dem Kopf aufgeschlagen, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als zu sterben. Also höchstens ein Opfer seiner eigenen Ungeschicklichkeit, würde ich sagen. Könnte es nicht so passiert sein?!“, forderte er seinen Assistenten heraus.

      „Nun, das wäre eine Möglichkeit, doch eher unwahrscheinlich, meine ich.“ Rosenkranz blieb vorsichtig, denn er kannte die spontanen Attacken des Kommissars.

      „Das finde ich aber doch. Es muss sich nicht immer um Mord handeln, wenn es einen Toten gibt. Nur wenn ein Unfall ausgeschlossen werden kann, dann … Also sie müssen noch viel lernen, Rosenkranz.“ Mit diesen Worten wandte er sich zwecks eingehender Untersuchung dem Opfer zu.

      Rosenkranz nahm sein Notizheft zur Hand und begann die Beobachtungen niederzuschreiben.

      Der Tote lag lang hingestreckt auf dem edlen Parkettboden. Ein Bein war leicht angewinkelt. Beim Sturz aus dem Sessel hatte er einen Schuh verloren, der in unmittelbarer Nähe seines Fußes lag. Überhaupt hatte er offenbar zu Lebzeiten großen Wert auf elegantes und teures Schuhwerk gelegt. Denn es handelte sich um ein Paar auffallend schöner brauner Krokodillederschuhe.

      Auch die graue Hose war aus edlem Stoff. Über einem weißen Hemd trug er einen roten Kaschmirpullover.

      „Er legte scheinbar wert auf besonders edle und teure Kleidung“, warf Rosenkranz ein. „Vielleicht von Armani?“

      „Besonders edle Kleidung ist grundsätzlich teuer“, murmelte der Kommissar und starrte mit gerunzelter Stirn auf den roten Pullover. „Doch ob sie immer eine gute Wahl ist …?“

      Der Tote selbst war von großer und kräftiger, schon fast massiger Statur. Das lockige, einst dunkle Haar war von vielen grauen Strähnen durchzogen.

      An der Schläfe war eine scheußliche Wunde zu sehen, aus der Blut gesickert war und sich auf dem Parkettboden verteilt hatte. Die Arme des Toten lagen unmittelbar neben dem Körper, was vermuten ließ, dass er bereits vor dem Fallen tot oder zumindest bewusstlos war, sonst hätte er sicher versucht, sich abzustützen.

      Rechts neben dem Toten stand der bewusste Sessel, aus dem er höchstwahrscheinlich

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