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nicht verliebt zu sein.«

      Stoner warf ihr einen verärgerten Seitenblick zu. »Himmel, Marylou, ich habe einen Job!«

      »Ja, und du bist schon ganz abgestumpft davon geworden.«

      »Herzlichen Dank.«

      Marylou seufzte. »Spaziergänge im Mondlicht am Ufer des Charles, nächtliches Nacktbaden am Crauestrand …«

      »Es ist zu heiß, um verliebt zu sein, selbst wenn ich eine wüsste, in die ich mich verlieben wollte, was nicht der Fall ist … also, wenn es dir nichts ausmacht, ich muss …«

      »Stumpf, stumpf, abgestumpft«, sagte Marylou. »Nimm einen Cracker.«

      »Ich will keinen Cracker. Ich will mich nicht verlieben. Alles, was ich will, ist der Fahrplan von United Airlines.«

      »Vielleicht kennt meine Mutter ein paar nette Frauen in Wellfleet, die noch zu haben sind.«

      »Marylou …« Sie war nicht in der Stimmung für so etwas. Mordgelüste begannen sich zu regen.

      Ihre Freundin und Geschäftspartnerin sah sie lammfromm an. »Vielleicht ist es in Wellfleet kühler als in Boston.«

      »Vielleicht ist es«, sagte Stoner ruhig, »in der Hölle kühler. Den Fahrplan von United, bitte!«

      »Ich hab ihn nicht. Ehrlich. Du wirst sie anrufen müssen.« Sie füllte einen Plastikbecher mit Wein für Stoner und einen für sich selbst. »Sie werden dich auf ›Bitte warten Sie‹ schalten, du weißt schon.«

      »Was bleibt mir übrig? United Airlines sind nicht mit meinen Gehirnzellen verkabelt.«

      »Und auch nur geringfügig mit unserem Telefon«, bemerkte Marylou.

      Stoner rief die Zentrale an und wurde auf ›Bitte warten Sie‹ geschaltet. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, schlug den Hörer gegen ihre Handfläche und wippte ungeduldig vor und zurück.

      »Du solltest dich wirklich entspannen«, mahnte Marylou ernsthaft. »Das ist nicht gut für dich.«

      »Von irgendetwas müssen wir leben. Dies hier ist kein Non-Profit-Verein.«

      »Es ist Sommer. Du machst dir zu viele Sorgen. Wir kommen über die Runden.«

      »Kaum«, sagte Stoner. Sie nahm einen Schluck Wein und rieb sich mit dem Handrücken die Stirn. »Ich möchte nur einmal genug Geld haben, um etwas Besonderes für Tante Hermione besorgen zu können. Weißt du, in den zwölf Jahren, die ich bei ihr lebe, habe ich nie mehr tun können, als meinen eigenen Kram zu bezahlen.«

      »Oh, Stoner, darauf gibt sie doch nichts.«

      »Aber ich.« Sie trank ihren Wein aus. »Sieh mich doch mal an. Einunddreißig Jahre alt und zu nichts anderem fähig, als irgendwie ›über die Runden zu kommen‹.«

      Marylou füllte ihr Glas auf. »Meine Mutter meint, diese Gedanken sind normal in unserem Alter.«

      »Irgendwie tröstet mich das auch nicht.« Stoner lauschte einen Augenblick in den Telefonhörer. »Verdammt, wenn sie mich schon auf ›Bitte warten Sie‹ schalten, könnten sie mir wenigstens dieses Gedudel ersparen. Ich komme mir vor wie beim Zahnarzt!«

      Marylou zupfte an ihrem Rock. »Ich glaube, ich hab schon wieder ein Pfund zugenommen.«

      »Das wundert mich nicht. Seit heute Morgen um neun hast du drei Brötchen mit Hüttenkäse gegessen – ganze Brötchen, nicht etwa halbe – und eine halbe Schachtel Cracker.«

      »Frauen können nicht von Luft allein leben, so voll diese auch mit nährstoffreichen Pollen sein mag.«

      »Und wir waren Mittagessen.«

      »Mittagessen ist Mittagessen«, sagte Marylou.

      »Dann beschwer dich nicht über dein Gewicht.«

      »Ich kann nichts für mein Gewicht, es ist geerbt.«

      Stoner schüttelte hilflos den Kopf. »Marylou, deine Eltern sehen beide wie die personifizierte chronische Magersucht aus!«

      »Die Natur verschmäht Wiederholungen.«

      »Eines Tages«, sagte Stoner, »werden sie mich hier um mich schlagend und schreiend heraustragen, in einer Zwangsjacke.«

      Marylou prüfte ihren wohlgerundeten Busen und runzelte die Stirn. »Findest du mich abstoßend?«

      »Oh, Marylou, natürlich nicht!«

      Im Telefon klickte es und eine verbindliche Stimme gurrte: »Guten Tag. United Airlines. Was kann ich für Sie tun?«

      Stoner legte eine Hand über die Sprechmuschel. »Das ist sie«, flüsterte sie. Marylou stürzte sich auf das Mithörgerät auf ihrem Schreibtisch.

      »Einen Moment bitte«, sagte Stoner mit Sekretärinnenstimme, dann räusperte sie sich. »Hallo. Hier ist Stoner Mc Tavish, von Kesselbaum & Mc Tavish.«

      »Oh.« Die Stimme wurde eisig. »Sie wünschen, bitte?«

      Marylou wand sich in lautlosen Zuckungen und legte auf. »Ich liebe es, ich liebe es, ich liebe es!«

      Stoner kippte ihren Stuhl nach hinten, stützte einen Fuß auf ihrer Schreibtischkante ab und verbrachte die nächsten zehn Minuten damit, Flugtickets durchzugeben. Als sie fertig war, brüllte Marylou: »Rufen Sie nächste Woche bei uns an. Wir machen operative Geschlechtsumwandlungen.«

      Stoner lachte. »Also wirklich, Marylou!«

      Marylou fegte United Airlines mit einem Schlenker ihres Handgelenks fort. »Was soll’s, sie hasst Frauen. Ich wette, wenn sie mit Crimsons Reisebüro zu tun hat, überschlägt sie sich.«

      »Was meinen Tag rettet«, sagte Stoner grinsend, »ist, dass ich ihren ruiniert habe.«

      »Ich hab eine Idee. Ruf noch mal an und frag, ob sie mit dir ausgeht.«

      »Niemals!«

      »Warum nicht?«

      »Sie könnte zusagen.« Stoner fasste sich ein Herz und nahm die Post in Angriff. Wie üblich bestand sie fast nur aus Werbebroschüren. Drei neue Ferienhotels auf den Jungferninseln, ein Trans-Amerika-Las-Vegas-in-zwei-Tagen-mit-Flug-und-Mietwagen-Sonderangebot (Frühstück, Casino-Spielchipsund Cocktail auf dem Zimmer inbegriffen) und Annoncen von Weihnachtskreuzfahrten nach Rio. »Das ist ja toll.« Stoner hielt einen Hochglanzprospekt in die Höhe.

      »Was?«

      »Eine Hundeschlittentour um den Polarkreis.«

      Marylou sah auf. »Vielleicht solltest du das ausprobieren?«

      »Ist erst im Januar.« Stoner stand auf, um die Ordner wieder in ihren angestammten Lücken zu verstauen.

      »Ich war mal in dich verliebt«, sagte Marylou.

      Stoner sah sie an. »Du?«

      »Während meiner polymorph-perversen Adoleszenz.«

      »Marylou, ich hatte keine Ahnung!«

      Marylou seufzte. »Es passierte, als ich dich zum ersten Mal sah. Erinnerst du dich an den Abend, als meine Mutter dich zum Essen mit zu uns brachte?«

      Stoner erinnerte sich. Sie fand damals, dass es für eine Psychotherapeutin ein ungewöhnliches Verhalten sei. In den vergangenen Jahren war ihr dann klar geworden, dass es für Dr. Kesselbaum nichts Ungewöhnliches gab.

      »Himmel, du warst anbetungswürdig«, sagte Marylou. »Die Art, wie du dich an der Tür herumdrücktest, in deinen ausgewaschenen Jeans und dem ollen Hemd, den Blick auf deine mottenzerfressenen Turnschuhe gesenkt.«

      »Motten fressen keine Turnschuhe.« Stoner merkte, wie sie rot wurde.

      »Und als du schließlich hochsahst, mich mit diesen grünen Augen anblicktest, dachte ich, der Halleysche Komet schlüge in Boston ein.«

      Stoner warf mit einer nervösen

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