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schloss die Augen kurz.

      Sollte sie Wulf dankbar sein?

      Ath würde es so sehen, entschied sie dann. Wahrscheinlich wäre er enttäuscht von ihr, wüsste er, dass sie sich aufgegeben hatte.

      Aber war sie dem hier gewachsen? Ehefrau? In einem Land fernab von allem, was sie kannte. Kalt, unwirtlich, abweisend.

      Sie atmete lang und geräuschvoll aus. Seitdem sie sich hingelegt hatte, schmerzte ihr Ohr etwas weniger. Für kurze Zeit schien der Schlaf Nachsicht mit ihr zu haben.

       Bevor sie ihn sehen konnte, hörte sie ihn. Ein kraftvolles Rauschen. Ein Aneinanderreiben und Aufbrausen unzähliger Blätter. Der Wind durchfuhr den Baum mit unsichtbarer Stärke, in unregelmäßigen Abständen. Wieder. Und wieder. Und wieder.

       Sie konnte die Stärke des Baumes körperlich spüren. Ihr Atem ging tief, als atme sie sie ein. Sie atmete mit dem Wind, fühlte das Rauschen in ihren Ohren, meinte einen Schlag zu hören. Wieder. Und wieder. Und wieder. Es klang, als schlüge ein Herz. Sie wusste, sie lauschte dem Baum, seinem Herz, seiner Seele.

       Ein Windstoß, lauter als all jene zuvor. Blätter wurden vom Baum abgetrennt und streiften ihre Wange mit einem kratzenden Geräusch. Er befahl ihr aufzuwachen.

      Da hörte sie es. Schritte, leise, vorsichtig, nicht die Schritte eines Heimkehrenden. Wulf hätte sich dem Haus nicht so genähert. Die Tür im Nebenraum, wo der Stall war, hätte sich geöffnet. Aber das tat sie nicht.

      Wieder Schritte. Als ging jemand das Haus von außen ab, um zu sehen, ob sich jemand darin befand. Der winzige Rauchabzug hatte ihn wahrscheinlich nicht überzeugen können.

      Robyn wagte nicht, sich zu rühren. Vielleicht würden sich die Schritte wieder entfernen. Doch der Schnee knirschte auch weiterhin gedämpft.

      Wie gelähmt hielt sie den Atem an. Die Schritte verstummten, doch sie konnte jetzt einen schweren Atem vernehmen. Direkt vor der Tür. Es klang mehr wie das Japsen eines Hundes.

      Dann wurde die Tür geöffnet, nicht vorsichtig wie das Abschreiten des Hauses zuvor vermuten ließ. Geräuschvoll schwang sie auf, blieb offenstehen, ließ kalte Luft und Schnee hinein. Leichter Flockenwirbel hatte draußen eingesetzt, doch Robyn sah nur den Mann, der in den Feuerschein getreten war. Sein Atem ging noch immer schwer. Und roch nach Met. Mehr als das. Der ganze Mann stank danach.

      »Für eine Weile hatte ich fast geglaubt, mein Bruder hätte dich zu seinem kleinen nächtlichen Ausflug mitgenommen. Aber wie ich sehe, hatte er ein Herz und setzte dich in deinem neuen Heim ab.«

      Ehe sie sich versah, kam er um das Feuer und packte ihr Fußgelenk, um sie an sich zu ziehen.

      »Bevor er wiederkommt, haben wir beiden noch etwas Zeit. Nicht viel wahrscheinlich, aber du scheinst alt genug, um mir auch in kurzer Zeit zu meinem Vergnügen zu verhelfen.«

      Seine andere Hand krallte sich ihr Handgelenk und er riss sie zu sich heran. Er wollte ihre Hand zwischen seine Schenkel legen, doch Robyns andere Hand kratzte nach seinem Gesicht. Er musste ihr Fußgelenk loslassen, um Schlimmeres zu verhindern, gab ihr jedoch damit die Gelegenheit, ihn zu treten. Und das tat sie. Mit aller Macht. Wie irrsinnig trat sie gegen seinen Unterleib, würgte am Schmerz und am Metgeruch, der ihn umgab wie eine betäubende Hülle.

      »Aber, nicht so heftig«, amüsierte er sich. Seine Stimme war rau, sein Atem faul und süßlich zugleich. »Du scheinst rechtmäßig in Doras Fußstapfen getreten zu sein. Sie mochte es auch ein bisschen wilder ...«

      Er stemmte plötzlich sein gesamtes Gewicht gegen sie, warf sie dabei neben der Holzbank auf den Boden und zerrte ihr die Decken fort.

      »So gefällst du mir schon besser«, raunte er. Er blickte an ihr hinunter, auf ihre nackten Beine, das halbgeöffnete Hemd und leckte sich über die aufgesprungenen Lippen.

      Robyn holte Luft, zog den Arm hervor, auf dem sie selbst und der Nordmann lagen und krallte ihre Hand in die roten Haare des ältesten Thronerben. Bereits in der Halle hatte sein Blick unentwegt auf ihr gelegen. Sie zog an seinem Haar, bis er zornig aufschrie. Er ließ sie für einen Moment los. Sie kämpfte sich unter ihm hervor und war halb aufgestanden, da packte er erneut ihr Fußgelenk. Sie fiel auf den Boden, konnte einen Schmerzensschrei nicht mehr verhindern. Das Echo in ihrem Kopf ließ sie zusammenzucken. Das gab Harold die nötige Zeit, um sich wieder auf sie zu stürzen.

      Sie wimmerte kurz, doch er drehte sie rücksichtslos herum.

      »Schluss jetzt! Er hat sich nicht um Dora gekümmert, er wird sich auch nicht um dich kümmern. Lass mich das für ihn erledigen.«

      Er riss an der Tunika, schien mit weniger Widerstand zu rechnen. Doch er irrte. Robyn fasste diesmal nach seinen Handgelenken und versuchte sie wegzudrücken, was ihn nur noch wütender machte.

      Er schlug ihr ins Gesicht, sie schrie auf, diesmal langanhaltend und ohne wieder aufzuhören. Der Schmerz in ihrem Kopf ließ sie die Verzweiflung und Machtlosigkeit herausschreien. Schreie, die in den Wald hallten. Und Gehör fanden.

      Robyn strampelte unter ihm, halb besinnungslos vor Pein. Der sachte Wind von draußen fachte das Feuer an, sprühte Funken auf, die auf ihren nackten Beinen verglühten. Wie lange würde sie sich noch wehren können?

      Harold hielt ihre Kehle umfasst, um sich selbst von seinem Umhang zu befreien. Sie bekam kaum noch Luft, sah den Schatten über Harold nicht. Erst als Harold von hinten ergriffen und von Robyn fortgezogen wurde, um dann, zwei Tischbeine durchbrechend, an die hintere Wand geschleudert zu werden.

      Das Bersten des Holzes scholl in Robyns Ohren. Schnaufend holte sie Luft. Wulf kniete neben ihr nieder, umfasste ihr Gesicht, ohne Rücksicht auf ihre Verletzung. Ihre Nasenflügel vibrierten sichtlich, ihre Augen tränten ohne Unterlass, blickten ihn ebenso ängstlich an wie Harold nur Augenblicke zuvor. Seine Augen, seine Hände, eisige Kälte umgab ihn. Und schneidend war seine Stimme. Ungläubig lauschte sie seiner indirekten Anschuldigung.

      »Hast du ihm Anlass gegeben hierher zu kommen?«

      Wie konnte er glauben, sie hätte etwas mit seinem Erscheinen zu tun?

      »Antworte mir, sonst führe ich zu Ende, was er begonnen hat!«

      Ein Wimmern drang aus ihrer Kehle. Es entwich ihren Lippen.

      »Wulf, nā ...«

      Es dauerte einen Moment, dann erst verstand Wulf. Zu sehr überraschte ihn ihre Stimme. Sie war heiser, leise durch den Schmerz. Doch sie war dunkel und klang älter, als er sie eingeschätzt hatte. Und sie sprach angelsächsisch. Sie war keine Nordfrau, sie war eine Angelsächsin. Und für einen winzigen Atemzug nur schmerzte ihn die Erinnerung an eine Angelsächsin. Doch das ging schnell vorbei.

      Nā. Nein. Sie hatte seine Frage verneint. Seine Augen hingen an ihren Lippen. Sie sprach weiter.

      »Ič ne misdyde.« Ich tat nichts Böses.

      »Warum ist er dann hier?«, stieß Wulf hervor. Er wurde sich bewusst, dass er noch immer die nordische Zunge sprach. Aber sie schien zu verstehen.

      Schwer schlossen sich ihre Augenlider, öffneten sich mit ebenso viel Anstrengung.

      »He ... he spræc of Dora ...« Er hatte Dora erwähnt.

      Wulf lockerte bei Erwähnung dieses Namens augenblicklich seinen Griff.

      Zu Robyns Überraschung entspannten sich seine Züge, ein zynisches Lächeln erschien auf seinen Lippen.

      »Verzeih, Nixe. Ich tat dir Unrecht ... ich hätte es besser wissen sollen ...«

      Fast entschuldigend strich er eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht, drehte sich im selben Augenblick um und stand auf.

      Harold hatte sich mühselig erhoben und ordnete seine Kleider. Er konnte kaum stehen.

      »Du bekommst einfach nicht genug, nicht wahr?«

      Harold grinste.

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