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kopfbehaarte ältere Herr mit den bereits ergrauenden Schläfen. Auch als ich das Gebäude betrat, änderte sich an diesem Gefühl nichts. Die einzige Aufmunterung war der Anblick der vielen jungen und teilweise recht hübschen Mädchen in diesem Gebäude. Aber gehörte ausgerechnet ich in diese Welt? Es war Jahre her, dass ich zuletzt ein Schulgebäude betreten hatte – es war damals darum gegangen, dass man meiner Tochter in der HAK eine Entscheidungsprüfung zwischen vier und fünf hatte vorenthalten wollen. Die Erinnerung an die überhebliche, selbstherrliche und komplizierte Person, welche meine Tochter damals unterrichtet hatte, stieg in mir hoch. Ich hatte während der Schulzeit meiner Kinder nur wenige aufrechte, kompetente und engagierte Persönlichkeiten in diesem Metier angetroffen. Zumeist war ihnen der Überdruss an ihrer Tätigkeit anzumerken gewesen. Obwohl es an der PH Domstadt Gott sei Dank keine Garderobe mit »Hausschuhduft« gibt, stieg mir auf der Treppe eine Art Schulgeruch in die Nase. Soll ich das jetzt wirklich machen? Schon stand ich im Büro. Eine ältere Dame (in Wirklichkeit war sie wahrscheinlich etwa gleich alt wie ich) übernahm meine Unterlagen. Nein, sie könne das leider nicht kopieren. Wenn ich meine Originale gleich wieder mitnehmen möchte, solle ich mir beim Kopierer am Gang die Dokumente selbst kopieren, sie würde dann anhand der Originale die Echtheit prüfen und die Kopien zu ihren Akten nehmen. So stand ich mit meinem Zettelpack wieder im weitläufigen Treppenhausbereich. Ein Kopierer war rasch gefunden. So, wie geht das jetzt, wo kann ich da einen Euro einwerfen oder wie … nach einigem Herumfragen hatte ich schließlich fünf Euro »Paycash« oder wie immer das heißt auf meine Bankomatkarte geladen, damit konnte ich die paar Kopien machen. Im Büro übergab ich nun alle Kopien, die tatsächlich nochmals ordentlich mit den Originalen verglichen und in meinen Akt genommen wurden. In etwa zwei Wochen seien dann die Aufnahmetests, und zwar verteilt auf drei Tage, diese Tage müsse ich mir unbedingt frei halten, diese Tests seien obligatorisch für eine Aufnahme.

      Karriereknick

      Als ich mich seinerzeit bei den Bammers bewarb, war dort die Position eines »Marketing-Managers« ausgeschrieben. Zwar hatte ich keine fundierte Marketingausbildung, war jedoch immer im Bereich der Gestaltung, der Werbung, fallweise der Pressearbeit und auch im Randbereich des Marketings eingesetzt. Das war im Vorstellungsgespräch überhaupt kein Hindernis. Ich konnte sehr gelungene Arbeitsproben vorlegen. Meine Kreativität und die erkennbare Fähigkeit, Ideen in gelungener Weise umzusetzen, befähigten mich demnach, in diesem Unternehmen die Position des Marketingmanagers einzunehmen. Als bald darauf Visitenkarten produziert werden mussten, setzte ich diese Jobbezeichnung stolz unter meinen Namen.

      Alle Angestellten der Firma absolvierten etwa einmal jährlich ein Gespräch bei der Chefin. »Novembergespräche« hatten diese Unterredungen ursprünglich geheißen, wohl in Anbetracht der Stimmung, welche deren Ankündigung alljährlich unter den betroffenen Mitarbeitern auszulösen vermochte. Später wurden sie in »Mitarbeitergespräche« umbenannt. Etwa fünf Jahre nach meinem Eintritt in die Firma absolvierte Stella ein solches Mitarbeitergespräch. Stella war die Freundin unseres Juniors und zu dieser Zeit in der Telefonzentrale beschäftigt. Leider war sie nach etwa einem Jahr mit dieser Tätigkeit nicht mehr recht glücklich und wollte ein interessanteres Betätigungsfeld. Natürlich hatte sie erkannt, dass mein Arbeitsbereich eines der interessantesten Beschäftigungsfelder im Unternehmen darstellte, daher deponierte sie bei der Chefin den Wunsch, mittelfristig in eine Tätigkeit im Marketingbereich wechseln zu wollen. Da dieses Ansinnen noch in der Zeit vor dem »Großen Zerwürfnis« geäußert wurde, sann man in der Geschäftsleitung darüber nach, wie der Schwiegertochter in spe dieser Wünsch erfüllt werden könne. Eines Tages rief mich der Chef zu sich: »Als wir Sie damals eingestellt haben, da haben wir ja eigentlich nicht genau gewusst, was dieser Marketingbereich alles umfasst.« Man habe nun festgestellt, dass ich ja fachlich leider nicht ausreichend qualifiziert sei, um weiterhin als Marketingmanager fungieren zu können. Herr Bammer schlug vor, ich solle künftig die Arbeitsbezeichnung »Werbe- und PR-Manager« erhalten, weil dies ja mein Betätigungsfeld optimal bezeichne. So weit hatte er ja recht. Nachdem Stella jedoch im Kollegenkreis keinen Hehl aus ihren Ambitionen gemacht hatte, wusste ich sehr wohl, wer in naher Zukunft »Marketingmanager« unserer Firma werden sollte. Immerhin hatte Stella eine Fachschule für Textiltechnik absolviert, konnte walken und stricken und war auch irgendwie kreativ. Daher fragte ich den Chef, ob denn jemand anderes für die Position des »Marketingmanagers« vorgesehen sei … dies wurde natürlich vehement in Abrede gestellt. So schrieb ich also – völlig vom Gegenteil überzeugt – ein Protokoll, das ich an Chef, Chefin und den Junior sandte und in welchem festgehalten war, dass mir niemand als Marketingmanager vor die Nase gesetzt würde. Das bereits erwähnte »Große Zerwürfnis« (auf das wir sicherlich noch kommen werden) verhinderte schließlich, dass Stella wirklich Marketingmanagerin wurde.

      Vorsichtig war ich trotzdem. Unverzüglich begann ich mit einer berufsbegleitenden Ausbildung zum »ISO zertifizierten Marketingmanager«, welche ich zwei Jahre später erfolgreich abschließen sollte. Das Zertifikat darüber hinterlegte ich bei Suuus, welche die Personalakten verwaltete und von der ich mit Sicherheit wusste, dass sie ca. binnen einer Minute die Chefin von meinem provokanten Verhalten benachrichtigen würde. Schließlich würde es nun nicht mehr ganz so einfach sein, irgendeine nicht ausgebildete Person als »Marketingmanager« einzusetzen und mich dieser zu unterstellen. Die Strafe folgte auf dem Fuß: Es wurde daraufhin festgestellt, dass ich die Bezeichnung »Werbe- und PR-Manager« eigentlich ja auch zu Unrecht führen würde, weil ich ja doch kein Manager sei. Der Junior war es schließlich, der für mich eine neue, besser geeignete Dienststellenbeschreibung erfand: »Creative Activities« stand von da an unter meinem Namen auf den Visitenkarten. Gott sei Dank geschah dies bereits zu jener Zeit, da ich die Firma dienstlich kaum mehr verlassen durfte, daher konnte ich auch nicht allzu viele dieser peinlichen Visitenkarten unters Volk bringen.

      Selbstverständlich war ich nicht der Einzige, dem solches widerfuhr. Bereits kurz nach meinem Eintritt in die Firma gab es ein kleines Fest: Tom, unser vom Chef über alles geschätzter Produktionsleiter, und Juppe, ein verdienter Kollege, der zudem weitschichtig mit dem Chef verwandt ist, wurden in Anwesenheit des Teams zu Prokuristen ernannt. Ich hatte damals die ehrenvolle Aufgabe, ansprechende Urkunden für diese Ernennung zu kreieren und auf besonders hochwertigem Papier auszudrucken. Der Chef überreichte den beiden die schön gerahmten Dokumente, welche von den neuen Prokuristen mit stolzgeschwellter Brust entgegengenommen wurden. Das Ganze hatte jedoch einen Pferdefuß: Im Kollektivvertrag des metallverarbeitenden Gewerbes ist für Prokuristen ganz eindeutig eine Gehaltsstufe vorgesehen, die den beiden Kollegen ein weitaus höheres Salär zugedacht hätte, als diese zum damaligen Zeitpunkt hatten – der Chef hätte also zusätzlich zu den Kosten für Urkunden, Bilderrahmen und Sekt auch noch die Bezüge der Ernannten erhöhen sollen. Damit war der Spaß auch gleich wieder vorbei. Als ich mich einige Wochen später mit Tom unterhielt und ihn scherzhaft »Herr Prokurist« nannte, verriet er mir hinter vorgehaltener Hand, dass ihm und Juppe dieser Titel mittlerweile aus pekuniären Gründen wieder aberkannt worden sei. Das solle aber niemand in der Belegschaft erfahren, nach außen solle dieser Schein gewahrt bleiben. Tom arbeitet heute als Leiter der US-Niederlassung eines deutschen Großunternehmens und wird sich vermutlich mit einigem Schaudern an die damaligen Ereignisse zurückerinnern.

      Erstes Bewerbungsgespräch

      Eines muss ich aber zugeben: Bereits meine dritte Bewerbung war insofern erfolgreich, als ich zu einem Gespräch samt Persönlichkeitstest eingeladen wurde. Ein Domstädter Headhunter hatte die Position ausgeschrieben. Besetzt werden sollte die Stelle des Marketingmanagers in einem Unternehmen, welches im Eigentum dreier Domländer Körperschaften steht.

      Zuvor jedoch war Einkaufen angesagt: Ich hatte meinen Kleiderkasten gesichtet und war mit dem Vorgefundenen nicht recht zufrieden gewesen. Zwar war eine reichliche Auswahl an beliebig kombinierbaren und auch ziemlich neuwertigen Teilen vorhanden, allerdings bevorzugte ich auch in der Arbeit ein eher legeres Outfit – nicht unbedingt optimal für Vorstellungsgespräche. Ganze zwei Nachmittage investierte ich in die »Gestaltung« meines Auftritts. Dabei ließ ich mich von einer umfangreichen Damenriege beraten – meine Frau und ihre Freundin, meine Tochter, meine Schwester und meine Nichte durften meine Einkäufe unterstützen und mich beim Kombinieren beraten. So gelang es mir schließlich, elegant, aber nicht arrogant, lässig, aber nicht schlampig,

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