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Unternehmensberater vermitteln, der in Fragen innovativer Produktideen für die WK tätig ist und mir also noch weitere wertvolle Tipps geben könnte. Mit einem überaus positiven Gefühl verließ ich das prachtvolle Gebäude der Domländer WK – hier fühlte ich mich wohl und verstanden, das könnte also mein künftiger Weg werden.

      Der ORF-Skandal

      Etwa 2003 hatte bei uns in der Firma eine Buchhalterin zu arbeiten begonnen, nennen wir sie Adele. Schon sehr bald stellte sich heraus, dass Adele ein irrsinniges Talent hatte, bei den Chefleuten Ansehen zu erlangen. Jede kleinste Kleinigkeit aus den Reihen der Mitarbeiter landete schnurstracks bei der Chefin. Diese hatte dann noch die Möglichkeit, die Angelegenheit auf ihre Weise zu interpretieren und dem Chef fast täglich einen neuen Skandal zu präsentieren. Auch war Adele extrem lieb zum degenerierten »Firmenhund« Burgi, einer altersschwachen, kurzbeinigen Kreatur aus der Kategorie Rauhaardackel, welche in ihren besseren Tagen als Jagdhund den Chef auf seinen ausgedehnten Wanderungen hatte begleiten dürfen. Nun aber lag Burgi den ganzen Tag unter irgendwelchen Schreibtischen herum und war wohl mehr eine Belastung für das ganze Team. Hier konnte sich Adele in besonderer Weise profilieren – oftmals ging sie tagsüber mit Burgi auf den Hof, damit diese ihre Geschäfte erledigen konnte. Und ging einmal ein Gacki oder ein Lulu auf den Teppich, so war sich Adele auch nicht zu schade, dieses zu entfernen (eine Aufgabe, die ansonsten gänzlich der Chefin zufiel).

      Gemeinsam mit ihrer stets frustriert dreinblickenden Kollegin Suuus bildete Adele in diesen Tagen die Speerspitze des firmeninternen Geheimdienstes. Neben ihrer Arbeit in Buchhaltung und Personalwesen kamen die beiden Damen der Aufgabe des Skandalsuchens in perfekter Weise nach. Ein Beispiel: Eines Vormittags sollte der ORF in der Produktion Filmaufnahmen machen – die Bilder sollten der visuellen Bereicherung eines Beitrages dienen, den die Wirtschaftskammer gestaltete. Ich wusste von dieser Angelegenheit nichts. Die Chefin hatte Albrecht, unseren Qualitätsmanager, damit beauftragt, das Kamerateam zu empfangen und in die entsprechende Halle zu führen. Es begab sich jedoch, dass ich just an jenem Morgen ein Dokument im Personalbüro abzugeben hatte. Da ich als PR-Mann üblicherweise den Kontakt zum ORF hielt, bestürmten mich Adele und Suuus (die von der Aktion natürlich Wind bekommen hatten) mit der Frage, worum es bei diesen Dreharbeiten denn gehe. Ich musste die Damen enttäuschen, wusste ich doch wirklich von nichts. Minuten später rief mich unsere Empfangsdame an, es sei gerade ein Kamerateam des ORF eingetroffen und ich möge bitte in die Empfangshalle kommen, um die Herrschaften in Empfang zu nehmen. Nun war ich verunsichert. Hatte man etwa vergessen, mich zu informieren, dass ich in diesem Zusammenhang irgendwelche Maßnahmen zu treffen hatte? Kurzerhand rief ich die Chefin an (die Herren Bammer waren wie fast immer in wichtiger Mission außer Haus). »Das geht Sie aber nichts an, Albrecht kümmert sich schon darum«, kreischte die Chefin ins Telefon. »Und kommen Sie bitte jaaa nicht auf die Idee, in die Produktion zu gehen, das wollen wir nicht.« Okay, ich hatte verstanden. Es war die Art, einem Mitarbeiter zu signalisieren, dass er völlig überflüssig sei: Eine Aufgabe, von der das ganze Team annahm, sie würde in jemandes Verantwortungsbereich liegen, wurde einfach an einen (willfährigeren) Kollegen delegiert. Das wurde aber im Unternehmen nicht weiter kommuniziert, sodass man zwangsläufig davon erfahren sollte. Der krönende Schlusspunkt war dann der Auftrag, sich vom Geschehen nur ja fernzuhalten, weil es dafür ja geeignetere Kollegen gebe. Eins zu null für die Chefin.

      Aber das Ganze war ja noch ausbaufähig. Einige Stunden später rief mich die Chefin zu sich. »Sagen Sie, wie kommen Sie eigentlich dazu, Adele wegen dieser Dreharbeiten auszufratscheln?« Na servass! Ich erklärte ganz schlüssig, dass ich gar niemand »ausfratscheln« hätte können, da ich ja bis zu diesem Morgen überhaupt nichts von irgendwelchen Dreharbeiten gewusst hätte. Ich sei rein zufällig in die Buchhaltung gegangen und die Damen seien mit Fragen auf mich zugekommen. »Aber die beiden haben mir das ganz anders erzählt. Wem soll ich denn jetzt glauben? Also, dass Sie rein zufällig in die Buchhaltung gekommen sind, das glaube ich Ihnen einfach nicht.« Zwei zu null für die Chefin, sie war ja in diesem Betrieb schließlich die Hüterin der Wahrheit.

      Der Pausenskandal

      Noch so ein Schmankerl: Seitens der Geschäftsleitung war es bei der Firma Bammer stets erwünscht, dass Mitarbeiter die 45-minütige Mittagspause dazu nützen, im Speisesaal den launigen Ausführungen des Chefs zu seinen Jagd- und Fliegereierlebnissen zu lauschen. Bei Abwesenheit des Chefs sollten dort aber jene wichtigen dienstlichen Informationen ausgetauscht werden, welche während der Arbeitszeit unterzugehen drohten. Dennoch verließen etliche Mitarbeiter über Mittag die Firma, um sich die Zeit anderweitig zu vertreiben. Zu diesen Abtrünnigen gehörte auch ich – meist stoppelte ich mir Ohrhörer mit meinem geschätzten Mittagsjournal in die Ohren und marschierte einige Kilometer. Im Zuge eines Gesprächs forderte mich die Chefin eines Tages auf, ich solle – sobald ich das Firmengelände verließe – »ausstempeln«. Von einer früheren Lohnverrechnerin wusste ich jedoch, dass das Lohnverrechnungsprogramm bei jedem Mitarbeiter automatisch 45 Minuten täglich als Pausenzeit abzog; hätte ich ausgestempelt, wären mir täglich also 90 Minuten von meiner Arbeitszeit abgezogen worden. Darauf wies ich Frau Bammer hin und regte an, erst eine technische Lösung für das »Pausenproblem« zu erarbeiten und dann eine Regelung zu erlassen, welche für alle Mitarbeiter gelte, nicht ausschließlich für mich.

      Etwa zwei bis drei Wochen später brachte Suuus mir etwas in mein Büro. Ganz beiläufig meinte sie: »Ach, übrigens: Letzten Donnerstag bist du erst um fünf vor eins von deiner Mittagspause zurückgekommen, ich hab dir da eine Viertelstunde abgezogen.« Okay. Da ich regelmäßig übers Jahr ein (pauschal abgegoltenes) Stundenplus von etwa 180 bis 200 Stunden anhäufte, interessierte mich die Viertelstunde nicht wirklich. Aber ich war mir sicher, dass ich nie und nimmer erst zehn Minuten nach dem Schlag der Pausenglocke in der Firma eingerückt sein konnte, da war ich immer sehr pedantisch. Ich begab mich also ins Lohnbüro, in dem auch die Buchhaltung untergebracht war. Dort informierte ich Suuus, dass mir zwar diese Viertelstunde komplett egal sei, zumal ich dafür ja ohnehin nichts bekam, ich ließe mir aber nicht nachsagen, dass ich die Mittagspause mit zehnminütiger Verspätung beenden würde. Wie aus einem Munde beteuerten Adele und Suuus, dass sie beide gerade zufällig um 12 Uhr 55 zeitgleich aus dem Fenster gesehen hätten und beide bestätigen könnten, dass es exakt fünf vor eins gewesen sei, als ich über den Hof gehuscht war. Das kam mir nun sehr verdächtig vor. Ich glaubte, die Urheberschaft dieser angeblichen Verspätung zu kennen. Im Empfangsbüro der Firma stand ein Videorekorder, der die Bilder von vier verschiedenen Überwachungskameras aufzeichnete. In einer der darauffolgenden Mittagspausen bat ich die Kollegin aus der Rezeption, ob sie das Band für mich auf die besagte Mittagspause zurückspulen könne. Und siehe da – ich sah mich über den Hof flitzen, just nachdem die anderen Kollegen sich von ihren sonnigen Plätzen erhoben und sich an ihre Arbeitsplätze begeben hatten. Also wohl zu spät, aber nur etwa 30 bis 40 Sekunden nach dem Signal der Glocke. Was nun? Die Damen hatten mich doch eindeutig verleumdet, das bewies das Video. Wie würde die Firmenleitung darauf reagieren, dass zwei Kolleginnen in vollem Bewusstsein unisono gelogen hatten? Also berichtete ich dies der Chefin. Ihre Entrüstung darüber hielt sich sehr in Grenzen. Es schien fast, als hätte sie von der Sache gewusst. »Ja, und was wollen Sie jetzt?« Eigentlich wollte ich gar nichts, außer eben beweisen, dass man etwas früher aufstehen muss, um mir Dinge anzudichten, deren Gegenteil so leicht zu beweisen ist. Ich wies also nur darauf hin, dass die Chefin zur Kenntnis nehmen möge, dass Adele und Suuus jederzeit lügen würden, um mich zu belasten. Sollte daher in einer schwerwiegenderen Angelegenheit einmal die Aussage der Damen gegen die meinige stehen, so möge dies bitte berücksichtigt werden.

      Adele muss gehen

      Wirklich gedankt hat man Adele ihre Loyalität jedoch nicht: Nach einem Mitarbeitergespräch Adeles mit der Chefin, über dessen Inhalt man bis heute nichts Genaueres weiß, kühlte die Beziehung schlagartig ab. Die Chefin würdigte ihre einstige Geheimdienstoffizierin keines Blickes mehr. Hatte sie ihr etwas mitzuteilen, betrat sie das Büro und beauftragte Suuus, Adele dieses und jenes auszurichten, obgleich die Angesprochene nur fünf Meter entfernt an ihrem Arbeitsplatz saß. An einem frühen Winternachmittag vor einigen Jahren sah ich Adele – hochrot im Gesicht und begleitet von Albrecht, dem allerengsten Vertrauensmann der Geschäftsleitung – die Treppen hinuntersteigen.

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