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wieder zu melden, legte sie auf und griff nach einem Stift, um sich ein paar Notizen zu ihren kommenden Terminen zu machen, doch schon bald schweiften ihre Gedanken ab. Beinahe nervös kaute sie auf dem Stift herum und fixierte den Computermonitor, bevor sie sich unwirsch durch ihren blonden Pony fuhr.

      Dupree Williams hätte ihr gestohlen bleiben können, wenn nicht er ausgerechnet das Aushängeschild der New Yorker Brustkrebshilfe gewesen wäre. Vor zwei Jahren war er als einziger Spieler mit einem T-Shirt, auf dem die rosafarbene Schleife der Brustkrebshilfe abgedruckt gewesen war, zum jährlichen Spendenlauf erschienen und hatte die Herzen der New Yorker Frauen im Sturm erobert. Jedenfalls wurde es sich genauso erzählt. Seitdem war er der Pate ihrer Organisation und machte ehrenamtlich Werbung, was zwar lobenswert war, Sarah jedoch nicht beeindruckte, da sie ihn auch anders kannte.

      Vor vier Monaten war sie gerade erst nach New York gekommen und hatte ihre Stelle angetreten, als eine Arbeitskollegin sich mit ihr in einem Club verabredet hatte. Sarah, die von dem Großstadtflair beeindruckt gewesen war, hatte im besagten Club auf ihre Kollegin warten wollen und sich an die Bar gesetzt, während sie sich eingeschüchtert umgesehen hatte. Dabei war ihr Blick auf einen Mann gefallen, der sie ein wenig zurückhaltend gemustert hatte. Sie hatte das ausgesprochen sympathisch gefunden und hatte ihm zugelächelt, als er zögernd nähergekommen war. Trotz seiner riesigen Erscheinung und wahren Muskelbergen, die beinahe das Shirt mit dem Totenkopf gesprengt hätten, das er an jenem Abend getragen hatte, hatte er ein unverfängliches und nettes Gespräch mit ihr begonnen, bei dem sie bemerkt hatten, dass sie sogar aus der benachbarten Gegend stammten, da Mobile und Pensacola zwar in zwei verschiedenen Bundesstaaten lagen, jedoch nicht weit voneinander entfernt waren.

      Sarah hatte Dupree und seinen Irokesenhaarschnitt sogar richtig niedlich gefunden und hing gebannt an seinen Lippen, bevor er den Macho markierte und sich in einen widerlichen Idioten verwandelte, der sie lediglich ins Bett bekommen wollte. Als er dann auch noch erzählte, dass er Footballspieler sei, war ihr alles klar. Footballspieler waren sowieso völlig hirnlose Typen, die andere hirnlose Typen in den Boden rammten und mit einem Ball über ein Feld rannten, wofür sie Unsummen an Geld kassierten.

      Dupree hatte augenscheinlich gedacht, dass er ihr lediglich seinen Superbowlring zeigen müsste, um sie aufreißen zu können. Sarah war maßlos enttäuscht gewesen, da sie ihn anfangs für einen wirklich netten Kerl gehalten hatte, der putzigerweise sogar schüchtern erschienen war.

      Leider hatte sie sich getäuscht. Wenige Tage später war sie von der Nachricht, dass sie für die Öffentlichkeitsarbeit um den erfolgreichen Footballspieler und Werbepartner Dupree Williams zuständig war, überrollt worden und hatte ihn erst vor ein paar Wochen beim Spendenlauf wiedergesehen. Sein erschrockener und ungläubiger Blick hätte sie beinahe versöhnt, wenn sie nicht die dummen Sprüche einiger seiner Mitspieler gehört hätte. Sarah konnte Menschen, die lediglich auf die äußere Erscheinung achteten und furchtbar oberflächlich waren, einfach nicht leiden, was vermutlich auch mit ihrem Job zusammenhing. Man lernte sehr schnell, worauf es tatsächlich im Leben ankam und dass Schönheit vergänglich war, wenn man tagtäglich mit todkranken Menschen zu tun hatte. Wer das nicht verstehen konnte, war ihrer Meinung nach nicht nur furchtbar gefühlskalt, sondern schlicht und ergreifend dumm.

      Sie fand Dupree Williams Engagement zwar löblich, aber hielt es für nichts anderes als für einen Marketingtrick. Eigentlich hätte ihr das egal sein sollen, solange es ihrer Organisation nützte, aber sie war immer noch aufgebracht, dass sie sich kurze Zeit von einem Mann hatte täuschen lassen, der nicht anders als all die anderen Typen war, die sich nie für das Innere einer Frau interessierten, sondern allein das Äußere betrachteten.

      Nachdem Sarah einige Telefonate erledigt hatte, verließ sie das Büro und kaufte sich in einem kleinen Bistro einen Salat, um im Park Mittagspause zu machen und den Skateboardern zuzusehen, die sich spektakuläre Tricks einfallen ließen. Sie hatte sich an New York noch nicht gewöhnen können, freundete sich jedoch immer mehr mit dieser Stadt an. Früher hatte sie es nie für möglich gehalten, nicht in Florida zu wohnen und jederzeit zum Strand zu fahren, doch dann hatte sie in Boston studiert und die Ostküste zu schätzen gelernt. Im Gegensatz zu Boston war New York wiederum völlig anders.

      Erst vorgestern hatte sie nach der Arbeit in der U-Bahn gesessen und entsetzt einen älteren Obdachlosen bemerkt, der in aller Ruhe masturbierte, während Teenager direkt vor ihm standen. Viel schockierender als der sich selbst befriedigende Mann waren die Reaktionen der anderen U-Bahnfahrer gewesen, die sich nämlich nicht gerührt hatten. Anstatt empört auf die Szenerie zu reagieren, hatten sie sich mit ihrer Zeitung oder ihrem Smartphone beschäftigt. Sarah war vor lauter Entsetzen beinahe der Kaugummi herausgefallen und sie hatte bemerkt, dass sie tatsächlich ein Dorfkind war, wenn sie sich als einzige an einem masturbierenden Obdachlosen störte, während pubertierende Teenager das Ganze hinnahmen und lässig Fotos davon machten, was den älteren Mann wiederum nicht zu stören schien.

      Sarah stocherte in ihrem Salat herum und pickte die Karotten heraus, da sie die nicht mochte. Sie hoffte inständig, dass ihr heutiger Nachhauseweg ohne Komplikationen verlief und sie sich bei einem heißen Schaumbad entspannen könnte. Wenn sie ganz viel Glück hatte, waren vielleicht sogar ihre Nachbarn, ein heißblütiges Paar aus Albanien, das bereits zum Frühstück geschmorte Lammkeule mit Knoblauchsauce zu verzehren schien, für einen Abend ruhig und verschonten sie mit ihrem Lärm. Heute wollte sie nicht mehr an den Termin mit Dupree Williams nachdenken, der ihr in der nächsten Woche bevorstand, sondern ein wenig abschalten.

      Morgen könnte sie sich Gedanken darum machen, was sie diesem arroganten und selbstherrlichen Footballspieler für eine Werbemaßnahme vorschlagen könnte, aber heute hatte sie ihm schon genügend Gedanken gewidmet.

      3. Kapitel

      Liv Scott seufzte in den Telefonhörer, den sie sich zwischen Schulter und Ohr geklemmt hatte, warf einen kurzen Blick in den Garten und hackte gleichzeitig die Zwiebeln, während sie ihrer Freundin Claire zuhörte, die lauthals jammerte: „Wieso bin ich nicht einfach lesbisch geworden, Liv? Mein Leben wäre um einiges leichter, wenn ich mit dieser ganzen Mann-Frau-Sache abgeschlossen hätte.“

      „Das wäre auch keine Lösung ...“

      „Und ob! Männer sind wirklich das Letzte!“

      Liv verdrehte kurz die Augen, die wegen des scharfen Zwiebeldampfes langsam zu tränen begannen, und legte das Messer weg. Wenn sie weiterhin in dieser verkrampften Haltung telefonierte und dabei auch noch das Mittagessen zubereiten wollte, hätte sie bald eine Haltung, die der des Glöckners von Notre Dame sehr ähnlich wäre. Zwei Schritte brachten sie an das Küchenfenster, durch das sie nach draußen blicken konnte. Das amüsierte Grinsen zauberte sich von ganz allein auf ihr Gesicht, als sie Dupree beobachtete, der mit Brianna im Sandkasten saß und mit einer Engelsgeduld kleine Sandkuchen buk. Der große Footballspieler mit dem beinahe bübchenhaften Gesicht konnte sie schon lange nicht mehr täuschen. Hinter der großspurigen Art, die er anfangs an den Tag gelegt hatte, und hinter der riesenhaften Erscheinung steckte ein warmherziger Kerl, der ein Herz aus Gold hatte. Natürlich hätte Liv ihm dies nie ins Gesicht gesagt, schließlich hatte Dupree seinen Stolz und wollte nicht wie ein kleiner Junge behandelt werden, aber dennoch wusste sie, dass er ein absolut weichherziger Mann war.

      „Wieso gerate immer ich an diese Freaks?“

      Erschrocken verdrängte Liv ihre Gedanken an Dupree und konzentrierte sich auf Claires Baustelle, die ziemlich heftig sein musste, wenn man bedachte, dass Claire aus dem Büro anrief und Liv schon seit geschlagenen zwanzig Minuten ihr Leid klagte.

      „Ich fand Pete sehr nett ...“

      „Pete war auch nett“, Claires Stimme bekam einen weinerlichen Ton, was gar nicht zu ihr passte. „Aber Pete kam nicht mit meinem Job klar. Er war der Meinung, dass eine Frau nicht mehr Geld als ihr Freund verdienen sollte.“

      Liv schnaubte in den Hörer. „Dann sei bitte froh, dass du ihn los bist.“

      „Ach, Mist, Liv! Ich bin dreiunddreißig Jahre alt, mein Arsch beginnt langsam die Erdanziehung zu spüren, sehr bald werde ich die ersten grauen Haare entdecken und jedes Mal, wenn mir warm wird, bekomme

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