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Ecke. Er war für die drei Männer nur als schwarzer Schatten wahrzunehmen, denn die Nacht war bereits in das Haus gekrochen.

      »Wir sitzen in der Falle!« Fuchs warf den Feuerlöscher gegen die Glastür und riss eine Seitentür auf. Ein Besen kam ihm aus der kleinen Kammer entgegen und im schwachen Schein seines Feuerzeuges erkannte Fuchs, dass es nur ein winziger Verschlag mit Putzutensilien war.

      »Los, hier rein!« Ritter war inzwischen zu einer massiven Doppeltür gehumpelt und hatte sie mit Mühe ein Stück weit aufgezogen. »Los! Kommt schon! Schnell!«

      Sie tasteten sich durch einen geräumigen Saal mit mehreren Liegen und schmalen Glasschränken. Sie befanden sich in der sogenannten Schleuse, in der die Patienten von ihren Betten auf die OP-Tische umgelagert wurden, um anschließend in die Operationssäle gebracht zu werden.

      Fuchs stieß mit dem Schienbein gegen das Metallgestell eines Operationstisches. Er fluchte gotteslästerlich und ließ das Feuerzeug fallen.

      Beck, die auf größere Entfernungen nutzlose Waffe im Anschlag, näherte sich ihrem Versteck. Ihm war der Aberwitz dieser ganzen Situation, vor allem aber seine Chancenlosigkeit bei einem Frontalangriff der drei, durchaus bewusst. Er durfte nicht schießen! Jedenfalls nicht aus der Entfernung, denn, das war Beck klar, sie würden am Schussgeräusch der Waffe sofort erkennen, um was für eine es sich handelte. Und der fehlende Projektileinschlag wäre dann das i-Tüpfelchen auf ihren Verdacht.

      Sie waren nach links verschwunden, soviel hatte Beck noch mitbekommen. Als er an die entsprechende Stelle kam, sah er die offen stehende Tür.

      27

      21:34 Uhr, Krankenhaus Donaueschingen, Aufzug 2

      Thomas Bachmann war erst vor wenigen Minuten eingeschlafen, als Mehmets Maschinengewehrsalve ihn weckte. Er schrak zusammen, umklammerte seine Beine und zitterte. Er fand sich weder in seinem Leben noch in seinem schwarzen Gefängnis zurecht.

      Jetzt!!! Endlich!!! Jaaaaa! Nummer drei brach in Freudenrufe aus. Der Erlöser, er ist ganz nah, hihi, so naaah! Halleluja – er kommt, uns zu massakrieren! Ja, endlich! Reiß uns die verdammten Eingeweide raus und häng sie an den Weihnachtsbaum, oh du mein Herr und Weihnachtsmann! Los, hol die Knarre aus dem Sack, hihi, und strafe uns für unsre Sünden, lieber Weihnachtsmann. Hoho.

      Thomas stieß sich beim Aufspringen den Kopf am Notruftelefon und torkelte zur Seite.

      Und schon schlägt er uns mit seiner Rute den Schääädel ein, der Gute! Thomas blieb am Boden hocken und hielt sich den schmerzenden Kopf. Von draußen hörte er undeutlich zuerst Schritte, wenig später verschwommene Stimmen. Er hatte solche Angst! Er war allein, fühlte sich so unendlich einsam und hilflos und diese Angst, diese schreckliche Angst, sie fraß ihn auf, nagte an ihm.

      Lieber, guter Weihnachtsmann / komm, wirf deine Knarre an! / Denn wir waren niemals brav / und nun ist Zeit für ew’gen Schlaf! Hihihi, dichtete die schrille Stimme in seinem Kopf frei nach einem alten Kinderreim.

      Thomas hielt sich die Ohren zu. Und dann noch diese endlose Dunkelheit! Kein Schatten, kein Licht, kein Hoffen – nur Angst, Angst, Angst!!! Er begann zu wimmern, wimmerte leise wie ein einsames Kind, das erschöpft nach endlosem Rufen die Hoffnung aufgegeben hatte und nur noch leise weinen kann.

      Hättest du doch die Treppe genommen, wie ich gesagt habe!

      »Nein«, wimmerte Thomas, »bitte.«

      Jedes Zeitgefühles beraubt, ohne Orientierung und Ausweg, konzentrierten sich alle Sinne in ihm auf das Hören. Und was er hörte, machte ihm Angst, mehr Angst als die Drohungen seiner Mutter, wenn er einmal wieder – Nebenwirkung eines seiner Medikamente – während des Essens eingeschlafen war (»Wir bringen dich weg!«), mehr Angst noch als Nummer drei: Schreckliches wird mit uns geschehen, huaaah.

      Wer hatte geschossen? Und warum? Warum rettete ihn niemand? Warum ließ man ihn so allein?

      Sein Wimmern wurde lauter, schon hörte man das undeutliche Schluchzen im Treppenhaus, da schrie er plötzlich aus vollem Hals …

      Ja doch, zeig ihm, wo wir uns verstecken!

      … Thomas sprang auf und schlug mit den Fäusten gegen die Stahltür seines Gefängnisses …

      Nein! Nein! Wir stürzen ab!

      … er sprang im Aufzug herum, verzweifelt, mit weit aufgerissenen Augen, die doch nur blind in die Dunkelheit starrten. Er schrie …

       Lauter, hihi, wir müssen noch lauter schreien!

       Nein, sei still! Oder vielleicht doch? Schrei etwas leiser, nur ein bisschen …

      Lasst ihn! Er macht das schon richtig!

      … schrie, bis ihm der Hals schmerzte und nur noch undeutliches Krächzen über seine Lippen kam. Noch zwei-, dreimal schlug er gegen die Kabinenwand, dann sank er auf die Knie und begann hemmungslos zu weinen. Gehört hatte ihn niemand.

      Warum nur, warum?

      Warum?

      28

      21:38 Uhr, Krankenhaus Donaueschingen, OP-Trakt

      Mehmet stützte Ritter. Fuchs folgte ihnen aus dem schwarzen Raum auf einen neuen Flur, von dem aus es in die verschiedenen Operationssäle ging. Ohne Orientierung und ohne etwas zu sehen stolperten die drei Männer ausgerechnet in den einzigen fensterlosen Raum des ganzen Traktes. Gestank schlug ihnen entgegen. Fuchs zog die Tür hinter sich zu und lehnte sich schwer atmend dagegen. Das Geldbündel war noch da. Sehr gut.

      Von draußen hörten sie, wie der Bulle gegen einen der Schränke stolperte. Sie hörten sein Fluchen und den Lärm, den der zerberstende Glasschrank machte.

      »Los! Weiter!« Ritter schubste Mehmet vor in die Dunkelheit, gegen einen Operationstisch.

      »Was für’n Dreck ist das denn?!« Mehmet versank mit beiden Hän den im lauwarmen Gedärm eines Mannes, dessen Operation, als das Notstromaggregat ausfiel, ein jähes Ende gefunden hatte. Der allein operierende Chirurg und der Anästhesist hatten daraufhin alles stehen und liegen gelassen und waren ihren Kollegen gefolgt, die ihre Pa tienten schon lange im Stich gelassen hatten. Sie gingen zu ihren Familien.

      Mehmet ahnte, worin sich seine Hände befanden. Er stand da wie paralysiert, unfähig, sich zu bewegen, unfähig zu einem klaren Gedanken und seine Stimme überschlug sich.

      »Halt die Klappe!«, befahl Ritter, aber der Junge war nur noch Ekel und Angst. Er quiekte wie ein Schwein, dem man gerade die Hoden abgetrennt hat. Trotz der absoluten Dunkelheit hielt er die Augen fest geschlossen und Arme und Hände steif von sich gestreckt. Er ekelte sich, warmes Gewebe umspülte seine Finger und Flüssigkeiten und es stank so abscheulich!

      Fuchs tastete nach dem Jungen und als er ihn gefunden hatte, packte er ihn an den Schultern und zog ihn weg. Etwas, das sich wie ein glitschiges Seil anfühlte, verhakte sich am Verschluss der dicken goldenen Kette, die Mehmet am Handgelenk trug und folgte ihm durch den Raum.

      »Da ist noch was, da hängt irgendwas!!!«

      Beck war mittlerweile auf der anderen Seite der Tür angelangt. Seine Finger ertasteten die kalte Lackierung der Tür und die harte Klinke. Und den kleinen Drehschalter genau darunter! Beck zögerte keine Sekunde. Er schloss die Tür ab und klemmte unter den nun quer liegenden Drehschalter den kleinen Wagen, den er neben der Tür gefunden hatte und in dem Spritzen, Kanülen und Ampullen lagerten.

      Inzwischen hatte sich Fuchs entlang der kalt gefliesten Wände einmal komplett durch den Raum getastet. »Wir sitzen in der Falle«, schrie er.

      »Blödsinn!« Ritter wollte ihm nicht glauben und humpelte nun sei nerseits die Wände entlang.

      »Nehmt das weg, bitte«, wimmerte Mehmet, der stocksteif stehen geblieben war.

      »Scheiße«,

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