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Herzschlag beschleunigte. Er kam sich äußerst blöd vor. Von der vertrauten Umgebung der Basis in ein wohlgefälliges Sicherheitsgefühl gelullt hatte Ben seine Deckung vernachlässigt. Er befand sich auf amerikanischem Boden. Angehörige des Militärs würden diese Art von Scheiße nicht aneinander verüben. Dann fiel ihm ein, dass Tom keinem regulären Zweig des Militärdienstes angehörte.

      Ein Telefon ohne Tasten zwitscherte auf einem Beistelltisch zwischen den Sesseln. Ben nahm den Hörer ab, sagte aber nichts. Tom begann zu reden. »Sorry, ich will hier nicht den Hornochsen markieren. Es ist nicht so, dass wir Ihnen nicht trauen, aber wir kennen Sie nicht. Sie verstehen das. Sie sind eine unbekannte Größe, das ist alles. Ich meine, Sie sind sicherlich ein toller Kerl, aber die Sicherheitsvorkehrungen hier drinnen gehen uns allen auf den Keks. Wir können ja nicht jeden herumschnüffeln lassen. Halten Sie durch und wir melden uns, wenn alles bereit ist. Oh, und die Sandwiches werden hier auf der Basis gemacht. Sogar das Brot. Wirklich hervorragend. Versuchen Sie das Roastbeef. Okay? Okay, großartig.« Dann brach die Verbindung ab. Ben legte den Hörer wieder auf die Gabel.

      Toms Anruf hatte Ben keinen Grund gegeben, sich zu entspannen. Er erkundete den Raum. Absolut dicht. Keine Fenster. Kein Luftschacht, durch den etwas Größeres als eine nasse Bisamratte passen würde. Dasselbe im Badezimmer, das hinter einer kleinen Tür lag. Die Rohrleitungen unter dem Unterschrank des Waschbeckens waren in die Wand gemauert. Keine Revisionsklappe, wie man sie in Wohnhäusern fand. Kein Ausweg in der Richtung.

      Ben schaltete den Fernseher ein und bekam seinen ersten Blick auf die Welt, die er seit Monaten nicht gesehen hatte. Er aß ein Roastbeef-Sandwich. Nicht schlecht. Nichts, was er für sein letztes Mahl ordern würde, aber es würde seinen Körper nähren und seinen Verstand scharf halten, bis Tom und Konsorten ihren gemeinsamen Scheiß auf die Reihe kriegten.

      Plötzlich seiner Freiheit beraubt und damit auch des Frondienstes seiner Arbeit begann Ben, seinen Gedanken an Smith Island nachzuhängen. Er hätte niemals gehen sollen. Er hätte einen Weg finden können, das Gold näher an seiner Heimat zu verarbeiten. Nach New York City zu fliehen, erschien im Nachhinein als drastischer Schritt, aber wo hätte er sich sonst verstecken sollen? Er hatte im Ersten Golfkrieg gedient. Er war ein Lokalheld, ganz zu schweigen von seiner Reputation als geschätzter Künstler. Es gab böse Menschen, die wegen des Verlusts des Goldes sauer waren. Sie wollten es zurück. Ben musste das Handtuch schmeißen. Der Preis stellte sich bereits jetzt als fürchterlich heraus, sogar noch vor der Nachricht des heutigen Morgens.

      Kapitel 5

       Das Wartezimmer war großzügig mit Essen ausgestattet, also war Ben nicht überrascht, dass Stunden anstatt von Minuten ohne jeglichen Kontakt zu Tom oder sonst irgendwem vorübergingen. Er hatte reichlich Zeit zu überlegen, was hier vor sich ging. Die Nachricht heute Morgen war ein für das Militär typischer Fall von Beeilen und Abwarten. Tom hatte gesagt, dass es Dinge gab, die man für ihn vorbereiten wollte. Tom war zaghaft, beinahe verunsichert gewesen. Ben hielt ihn für einen schlechten Lügner, falls er dazu aufgefordert werden sollte. Egal. Das Essen war nicht mit Drogen versetzt. An den Verschlüssen der Wasserflaschen war nicht herummanipuliert worden. Und sie waren von einer Marke, die ihm bekannt war. Alles prima. Er war sich ziemlich sicher, dass er nicht für Folter oder Tod vorgesehen war. Aber wofür dann?

      Die einzigen für ihn verfügbaren Informationen kamen aus dem Fernseher und er wäre durchaus auf dem aktuellen Stand gewesen, wenn er ein eigenes Gerät oder ein Radio besessen oder hin und wieder eine Zeitung gekauft hätte. Aber die Arbeit ließ ihm nicht die nötige Zeit, um sich über globale Ereignisse in auch nur annähernd regelmäßigen Abständen zu informieren.

      Nachrichten hatten Bens Leben nie tangiert. Sogar, als er in der Navy diente, hatten nur seine Befehle gezählt. Es gab keine Kriege. Da waren nur Ecken und Kanten von Kriegen, für deren strafrechtliche Verfolgung er persönlich verantwortlich war.

      Ben wusste, dass viele sagen würden, dass große und kleine Ereignisse auf der Welt sie auf einer persönlichen Ebene berührten, aber ihm kam es so vor, als wären sie gelangweilt oder würden sich etwas vormachen mit diesem fehlgeleiteten Sinn für Selbstherrlichkeit, den heutzutage jeder haben sollte. Oder sie waren von einem drückenden Verlangen nach Selbstbestätigung befallen.

      Die Nachrichten berührten auch sie niemals wirklich, es sei denn ein Unglücksfall irgendeiner Art brachte ihnen das Scheinwerferlicht für ihre persönlichen fünfzehn Minuten des Warhol-Ruhms ein. Damit waren sie dann zufriedengestellt. Für Ben waren die Nachrichten dieser Tage nur ein weiteres Genre der Unterhaltung, zurechtgeschnitten aus Tratsch, Hörensagen und Blut, gesammelt von Journalisten und von Redakteuren und Produzenten zum Verkauf abgepackt. Ben fand, die einzige Wahrheit von Wert war, was vor ihm lag; seine Arbeit, seine wenigen guten Freunde und sein Zuhause. Momentan hatte er keinen Kontakt zu diesen drei Pfeilern seines Lebens. Er war allein, weit weg von Smith Island und nicht am Arbeiten, obwohl man einwenden könnte, dass Warten für manche eine Art von Arbeit war. Also aß er ein Sandwich und sah fern.

      Ben hatte seine Vermutung, welchen Fehler er in den letzten Monaten begangen hatte. Er hatte spartanisch gelebt, den Keller so nackt wie möglich gehalten, um sich härter zur Arbeit anzuspornen. Es gab keinerlei Annehmlichkeiten. Er hatte sich bewusst dafür entschieden, es sich nicht bequem zu machen. Je eher das Gold zu Geld gemacht war, umso früher würde er nach Hause entlassen. Wenn er den Keller weniger trostlos gestaltet hätte, wäre er sich vielleicht weniger elend vorgekommen und wäre weniger dazu bereit gewesen, sich auf diese wahnwitzige Mission einzulassen. Seine Frau LuAnna hätte den Keller in einen Ort der Schönheit verwandeln können, aber sie war mit ihm gestorben. Sie war nicht in New York, konnte nicht helfen.

      Ben hätte einen CD-Player kaufen können, um sich die heißen, elenden Stunden damit zu vertreiben, Chester River Runoff zu hören, seine Lieblings-Newgrass-Band. Er ahnte, dass sein Exil und seine Gefangenschaft in New York nicht nur eine taktische Notwendigkeit war. Es war eine Form der Selbstbestrafung. Wie lautete die Anklage? Ben wusste nicht, aufgrund welcher Beweise er verurteilt worden war. Als Ankläger, Richter und Jury hätte er das alles verstehen sollen. Und doch war er hier, seit Stunden auf einer Mission, über die er nichts wusste. Hatte er sich selbst zu Tode verurteilt? Er hatte keine Ahnung.

      Jeder Bissen des Sandwiches schmeckte so ziemlich genauso wie der vorherige und jeder Sender leierte leicht variierende Reportagen über den Mord an einer Sängerin in Los Angeles herunter. Obwohl er von Luz gehört hatte, kannte er ihre Musik nicht. Die Songschnipsel in den kurzen Konzertrückblicken waren recht eingängig. Ihre Moves in den Videos waren sexy. Ihre Bemerkungen in den Interviews quollen über vor Lobgesängen auf ihre Fans.

      Laut O-Ton hysterischer Mädchen auf der Straße war eine Heilige in ihrer Blüte zu Fall gebracht worden. Es war nicht so, dass diese tränenreichen Menschen die Sängerin persönlich gekannt hätten, aber sie glaubten, dass es so war, denn ihre Gefühle waren stark und schienen dadurch real. Gefühle waren keine Fakten, dachte Ben, egal wie intensiv. Es war nicht so, dass es heute Abend einen leeren Platz an ihren Esstischen gäbe, jetzt, wo die Sängerin gestorben war. Ihre Alben waren immer noch erhältlich, oder nicht? Und es würde vermutlich für eine Weile noch neue Musik herauskommen, indem unveröffentlichte Aufnahmen für den Verkauf zusammengestellt wurden, da ihr Tod deren Wert nur gesteigert hatte. Ben nahm an, dass die Konzertgänger am härtesten betroffen waren, aber auch nicht wirklich. Es würde keine Livekonzerte mehr geben, richtig, aber man versuche mal, einen Fan dazu zu bringen, zuzugeben, dass seine Aufmerksamkeit bei diesen Veranstaltungen meistens tatsächlich auf den Großbildschirmen lag und nicht auf der erbsengroßen Figur auf der Bühne, Hunderte von Metern unterhalb seines billigen Platzes im Rang.

      Die Berichterstattung war monoton, hypnotisch, mit den gleichen Konzertausschnitten, die unaufhörlich wiederholt wurden, und den immer gleichen Bildern vom Tatort, wo Rettungspersonal versuchte, diejenigen, die an Leib oder Seele verletzt worden waren, zu behandeln oder einfach nur zu beruhigen. Es war klar, dass der Mord vor aller Augen geschehen und gewalttätig war, aber jeder, der sich vor Ort und in den Nachrichtenredaktionen damit befasste, war frustriert, dass die genaue Todesursache ungeklärt blieb.

      Die Sängerin schien auf dem Rücksitz ihres Wagens explodiert zu sein, gerade

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