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setz dich hin. Wenn du dich hinlegen kannst, tu das. Wenn du ein Schläfchen machen kannst, nur zu. Er hatte die Sandwiches und die M&Ms bereits gegessen.

      Als er so am Dösen war, arbeitete sein Unterbewusstsein munter weiter. Im verschwommenen Zwielicht, befreit vom Geschnatter höheren Intellekts, spürte das Tier in ihm die volle Gefahr, selbst die Unvernunft seiner Lage. Vielleicht war er zu gelangweilt und eingesperrt gewesen, als er im dunklen, feuchten Keller ein Kunstwerk nach dem anderen erstellt hatte. Vielleicht hatte ein älteres Verlangen nach einer Mission ihn nach draußen gelockt. Was auch immer ihn bewogen hatte, er hatte seine Tarnung aufgegeben und sein gesamtes Unterfangen in New York aufs Spiel gesetzt. Alles für ein Versprechen, dass er vor langer Zeit einem Kameraden gegeben hatte. Würde er wirklich jemandem helfen wollen, der Omega so schlecht behandeln musste, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen?

      Andere Ansätze sprangen in Bens Gedanken. Das Geld. Es war überall. La Luz' Karriere, ihre Chance, eine wahre Legende zu werden, das war vorbei. Ihre Plattenfirma im Speziellen und die bereits angeschlagene Musikindustrie im Allgemeinen würde ihr Tod finanziell schwer treffen. Wer würde davon profitieren? Ben hatte vorerst keine Antwort.

      Die Kosten dafür, ihn aufzuspüren, waren immens, überlegte er. Er beherrschte sein Spionagehandwerk. Er wusste, wie man zum Geist wurde und in den Augen der meisten Einrichtungen, die sich für ihn interessieren könnten, tot blieb. Ihn aufzuscheuchen hatte eine Menge Geld gekostet. Falls dieser Botendienst Ben das Leben kostete, würde das wirklich eine Rolle spielen? Der Großteil der Welt hielt ihn sowieso für tot. Diese Tatsache würde demjenigen, der ihn herausgelockt hatte, sehr entgegenkommen; das allein wäre manchen die Ausgabe wert. Und das bedeutete, dass diese Nummer nach Geheimoperation stank.

      Und schließlich fielen astronomische Fix- und Betriebskosten dafür an, ihn in einen Global Hawk zu setzen. Jemand wollte ihn in beträchtlicher Distanz neu aufstellen, aber mit minimalem Kontakt zu anderen Zivilisten. Noch mehr Abstreitbarkeit. Das war für Ben okay. Je weniger Fragen er zu seiner ungelegenen Wiederauferstehung beantworten musste, desto besser. Diese Mission also, dieses Problem, das er lösen sollte, musste beträchtlich sein für jemanden, der eine Menge zu verlieren hatte, sollte er versagen. Ben rutschte in seinem Sitz hin und her. Die ganze Zeit über in New York hatte jemand ohne sein Wissen minutengenaue Kenntnis über seine Position gehabt und ihn in Reserve gehalten. Ben sinnierte wieder darüber nach, dass niemand entbehrlicher war als ein Geist.

      Die Intuition eines Soldaten weckte Ben aufgrund irgendeiner undefinierten Gefahr. Als der Schlaf von ihm wich, bemerkte er, dass der Flug sich genauso fortzusetzen schien wie zu dem Zeitpunkt, an dem er weggenickt war. Das Brüllen des Triebwerks hinter ihm schien ruhig und gleichmäßig. Die sanft keuchende Klimakontrolleinheit pustete ihn immer noch durch die Drehlüfter an, selbst wenn die Luft inzwischen etwas verbraucht war. Der Flugwinkel war gerade, soweit er das beurteilen konnte, was weder Steig- noch Sinkflug bedeutete. Sein unterer Rücken wurde langsam steif. Wie lange hatte er geschlafen? Eines war sicher: Ein wachsendes Angstgefühl, durch das er sich wie eine in einer Kiste gefangenen Ratte fühlte, während hungrige Katzen draußen herumschlichen.

      Kapitel 9

       Der Fremde erwachte aus einem verstörenden Traum. Die Linienmaschine, in welcher der erschöpfte Killer flog, hätte überall auf der Welt sein können, irgendwo zwischen zwei Punkten auf der langen Reise zum nächsten Einsatz; die vereinnahmende Orientierungslosigkeit des Traums war absolut. In letzter Zeit hatte die Vision, oder eher der Albtraum, zu mehr schlaflosen Nächten geführt als dem Attentäter recht war. Immer das Gleiche. Zuerst Dunkelheit. Dann das Geräusch von Marschieren. Ein Eierkokon, der eine unendliche Anzahl an achtbeinigen Schlüpflingen freigab. Dann Tausende und Abertausende von Stiefeln begleitet vom Klimpern und Klappern persönlicher Ausrüstung. Eine riesige Anhäufung von Infanterietruppen stampfte in eine Stadt, geradewegs durch die Schneise der Verwüstung, die von schweren mechanischen Rüstungseinheiten aus der friedlichen Architektur der Zivilisation gehauen war. Die Bordkanonen der Panzer blieben immer nach oben gerichtet, wie ungezügelte Erektionen, die vor den Besiegten prahlten, dass diese Eindringlinge ständig gefechtsbereit waren. Wie es immer geschah, wurde dem Träumer ohne erkennbare Anzeichen oder Beweise bewusst, dass diese marschierenden Soldaten ungestüme amerikanische Truppen waren. Hier ließ man Yankee-Muskeln spielen.

      Die Stadt, in die die Truppen einfielen, begann Form anzunehmen. Die Skyline wirkte mehr und mehr vertraut. Alte Kuppeln. Türme. Kirchturmspitzen. Das Motiv von Millionen verkaufter und verschickter Postkarten, aber diese waren bekritzelt mit: »Wünschte, du wärst niemals hergekommen.«

      Der Agent des Blutes, der es gewohnt war, bei anderen Angst auszulösen, sah sich nach dem Flugbegleiter um, um sicherzugehen, dass niemand die schweißbedeckte Braue und Oberlippe bemerkte. Der angrenzende Sitzplatz war auf diesem Flug leer, aber das war nur ein schwacher Trost. Oft genug war er besetzt gewesen, wenn der Fremde erwachte und starrende Männer oder Frauen vorfand, die sich offensichtlich einen anderen Sitzplatz wünschten, um auf sichere Entfernung gehen zu können.

      Der Traum musste verhindert werden. Obwohl der Agent sich nicht scheute, das Blut von Individuen zu vergießen, setzte diese spektrale Vision Menschlichkeit und Anstand irgendwie außer Kraft und fühlte sich grundlegend unrechtmäßig an. Diese seltsamen Skrupel waren für den kaltblütigen Killer verstörend. Warum sollte ein Traum über Krieg so lähmend sein? Der Fremde hatte sich seine Sporen in bewaffneten Konflikten verdient. Reue war schon vor langer Zeit mit dem Blut der Opfer in der aufgewühlten Erde vieler Schlachtfelder versickert. Nun schlich diese Reue zurück, um den Schlummer des Killers zu verpesten. Der anonyme Passagier musste etwas unternehmen und holte ein winziges Stück Papier aus dem Handgepäckskoffer. Das kleine Quadrat war farbenfroh mit einer Cartoonfigur dekoriert. Es war außerdem mit einer Chemikalie versetzt. Lysergsäurediethylamid. Pappe. LSD. Zusammengepantscht von einem Schützling von Owsley Stanley höchstpersönlich. Der missgestimmte Fremde aß das Papier und wartete darauf, dass die lähmenden, albtraumhaften Szenen durch neue, erträglichere Halluzinationen ersetzt wurden. Eine Handvoll Schlaftabletten folgten, um Schlummer während der neuen Visionen herbeizuführen.

      Kapitel 10

       Der Pyramid Lake, Nevada gebar gemächliche, sich windende Phantome aus Dunst in die Nacht, als kalte Luft vom Ufer über die wärmeren Gewässer driftete. Die vier Männer auf ihren Trittleitern warfen ihre Fliegenruten geistesabwesend im seichten Wasser aus; dankbar, dass die Sterne hoch über ihnen funkelten, aber der zunehmende Mond noch nicht aufgegangen war, um den Himmel, das Wasser oder den Boden zu erhellen. Sie waren still. Es war ihnen egal, falls eine Cutthroat-Forelle sich in ihren Schnüren verhakte. Tatsächlich wäre das sogar verdammt ungünstig für ihre Pläne. Sie erwarteten einen größeren Fisch.

      Ein Zuschauer am Ufer hätte vielleicht darauf hingewiesen, dass die Forellen zurzeit nicht anbissen und sich vermutlich am Grund des Sees aufhielten. Der gleiche Zuschauer würde anmerken, dass die Ausrüstung der Angler nicht ganz passte, dem Ansinnen nicht gerecht würde, selbst wenn ihr Timing für den Fisch perfekt gewesen wäre. Die Schlechtwetter-Nymphen an ihren Schnüren waren falsch, da das gute Wetter laut Vorhersage halten sollte. Die Kescher waren geradeso außer Reichweite. Die Weidenfischkörbe schienen altmodisch und fehl am Platze; sowohl sie als auch die Taschenwesten, welche die Männer trugen, waren leer. Die Kleidung der Männer schien durchgehend neuwertig zu sein und die originalen Bügelfalten aufzuweisen; sie hatten sich ebenso nach Gemälden von Izaak Walton wie nach einem Sportkatalog gekleidet.

      Der erste Angler sah zum vierten Mal in ebenso vielen Minuten auf seine Uhr. Dieses Mal steckte er seine Fliegenrute in eines der Löcher oben an der Leiter, das für Farbwalzengriffe gedacht war. Aus seinem Fischkorb zog er ein Computer-Tablet hervor und verband es mittels eines kleinen USB-Kabels mit einem leistungsstarken Transmitter. Ein weiteres Kabel führte vom Transmitter zu einem Port in der Fliegenrute. Die Rute war tatsächlich eine Antenne. Er bearbeitete den Touchscreen des Tablets für einen Moment und lächelte breit durch seinen dichten Bart, als ihm gefiel, was er da sah. Alles startklar.

      Kapitel 11

      

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