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öffnet, legt die Hand auf meinen Scheitel (nachgefärbt in zweiwöchentlichen Intervallen, den vernichtenden Niederschlag von Grau auf die sexuelle Attraktion brauchen wir nicht zu erörtern, biologische Entsprechungen gibt es zahlreich, den Verlust der Pracht eines Fells, Gefieders oder Geweihs), er sagt: Vorsicht, tiefergelegt.

      Schirmt meinen Kopf, bis ich sitze.

      Umrundet den Wagen, windet sich hinein, der Mann zu schwer, zu weich, fließt in den Sitz, knöpft den Mantel auf, im Auto unter dem Himmel blaue Schwaden. Er stößt die Luft aus, zu jeder Bewegung ein Laut, wendet mir das Gesicht zu, alles darin glänzt, Lippen, Nase, Augen, ein wenig hängt das rechte Lid.

      Keine Minute darf man Sie allein lassen, sagt er, eine Bevormundung, die ich nicht übelnehme, sondern mir erkläre als Teil des Balzverhaltens.

      Stört es, wenn ich ein Fenster öffne?, frage ich.

      Auf der Mittelkonsole eine Zigarettenschachtel, die legt Rübesam über meinen Schoß hinweg ins Handschuhfach.

      Ich betätige den Fensterheber.

      Ganz schön streng, sagt er und betrachtet mich, noch immer über die Mitte gebeugt. Sein Gesicht jetzt sehr nah.

      Ich muss mich auf etwas gefasst machen, sagt er, richtet sich auf, startet den Motor.

      Er sagt: Ich bringe Sie nach Hause.

      Ihn vögeln oder nicht. Zwei Kreaturen, die in mir ringen, mich Tag für Tag in Stücke reißen. Die eine Tier, von Alters her wild und schön, bereit, sich selbst zu zerstören, ihr Genital dem starken Körper aufgepflanzt gleich einem Prunkstück.

      Die andere entwicklungsgeschichtlich jung, klar und kühl, dem weiblichen Verstand unterworfen, das Genital in Rückbildung begriffen zugunsten des Großhirns.

      Auch wenn das Tier triumphiert: Es ist wählerisch. Von den verfügbaren Kandidaten wird die Hälfte ausgemustert. Dann jedoch wird die einmal gefällte Entscheidung für oder wider den Beischlaf unumkehrbar sein.

      Im Innenraum des Wagens die Gemengelage von Tabak und Hovard-Parfum und etwas Drittem: Rübesam schwitzt aphrodisisch mit dem Duft frischen Spermas.

      Plötzlich eine an Euphorie grenzende Vorfreude, Vorwegnahme des grenzüberschreitenden Geschlechtsverkehrs mit einem Fremden, der Vorahnung des Scheiterns zum Trotz. Kurz lege ich die Hand auf Rübesams und sage: Danke, sehr liebenswürdig.

      Körpereigene Opioide aus dem Hypothalamus fluten mein Blut, der hormonelle Rückweg verschlossen bis zum Zeitpunkt der Vereinigung.

      Ich bin Erik, sagt Rübesam, und zu Hause wäre wo?

      Ich bin Judith, sage ich, ich wohne in K., und mein Mann wartet schon.

      Sie fragen sich, warum ich meinen Mann erwähne. Gerade jetzt.

      Ich frage Sie: wann sonst?

      Die Nymphomanin ist keine Lügnerin, im Gegenteil. Sie fühlt sich der Wahrheit verpflichtet, dies gilt für beide Seiten, den Gatten und den Liebhaber.

      Hovard weiß um jeden einzelnen. Nicht wenige kennt er persönlich, ich habe sie mit nach Hause gebracht. Manche älter als er (zweiundsiebzig), dann gibt er seiner Freude Ausdruck, der Junior zu sein.

      Erik ist Mitte vierzig.

      Dass sie jünger sind, kommt jetzt öfter vor, da relativ zu mir ihre Zahl zunimmt, während umgekehrt die Alten impotent werden oder aussterben.

      Die Straße wird schmaler, faulige Wiesen saugen das Licht ab. Alle fünfzig Meter ein vom Wind gebeugter Stamm.

      Ein Bauernhof, die Stalltür steht offen. Am Abend brüllen die Kühe, ihre Euter zum Bersten voll, sie brüllen nach ihren Kälbern, jedenfalls nach dem Melkroboter.

      Weiter hinten beginnt der Horizont. Auflaufendes Wasser.

      Ich dirigiere Erik durch das Dorf. Hier und dort ein Licht, die Fenster klein, spinnwebfeine Vorhänge, die Frauen häkeln sie noch selbst.

      Erik erzählt. Hier haben seine Frau und er sich auch etwas angesehen, aber dann sei es der Freifrau zu einsam gewesen. Und für das Kind gebe es keinen Spielplatz.

      Ich antworte: Ihre Frau hatte recht. Es ist einsam. Aber der Spielplatz ist der Strand.

      Erik nickt. Die Freifrau und er seien nicht immer einer Meinung.

      Meinerseits bedarf es keiner Worte, während Erik seine Gattin desavouiert.

      Ein für unser Vorhaben unverzichtbarer Vorgang.

      Unterdessen haben wir vor unserer Pforte gehalten. Weiß lackiert, zwischen runden Findlingen, auf den Wällen eine feste Grasnarbe. Der Ostwind trägt Gischt auf die Windschutzscheibe.

      Ohne mich anzusehen, fragt Erik, ob ich Kinder habe. Obwohl er die Antwort schon kennt.

      Ich schüttele den Kopf und weiß, dass er, der Ehebrecher, meine Antwort begrüßt.

      Dies aus zwei Gründen:

      Ein weiblicher Körper, der nicht geboren hat, kommt dem Ideal der Jungfräulichkeit näher, selbst wenn es sich um eine alternde Frau handelt.

      Eine kinderlose Geliebte ist verfügbarer als eine Mutter.

      Erik hat den Motor abgestellt. Am Tor erscheint Hovard, trägt Strickjacke, hat den Sturm im Rücken, wie ein Kragen die am Hinterkopf verbliebenen Strähnen. Tritt durch die Pforte, richtet seine Brille, verschränkt die Arme.

      Sein Abschiedsküsschen und gleichzeitig unser erstes platziert Erik an meinem Mundwinkel, was an der Dunkelheit liegen kann, wahrscheinlich jedoch nicht, da öffnet Hovard die Beifahrertür. Irgendwie vom Tor zum Wagen gekommen, er nimmt meine Tasche, hilft mir aus dem Wagen, nickt Erik zu. Alles mit Erhabenheit, auch wenn der Sturm an ihm reißt und anderes noch. Wirft die Tür zu.

      Ich winke, Erik winkt, der Wagen rollt davon.

      Ein Patientenvater!, übertöne ich das Heulen, und dass mein Porsche nicht habe anspringen wollen!

      Die Pforte schlägt auf und zu.

      Hovard, für einen Moment im Windschatten der Westmauer: Ich bringe dich Montag zur Praxis. Dann sehe ich mir das Auto an.

      Küsst mich auf die andere Wange, die unbenutzte.

      Er ist nicht schön, Ohren groß, Nase spitz, der Mund Ringmuskel, dem die Lippen abhandengekommen sind.

      Spreizt die Nüstern, eine Bewegung knapp über der Wahrnehmungsschwelle, und: Lass uns noch mal ums Haus gehen, ich muss dir etwas zeigen.

      Grundsätzlich ist Hovard das Ausmaß meiner Promiskuität bekannt, er ist bemüht, ihr mit Gefasstheit zu begegnen, sich Seelenruhe durch Aussicht auf die Freiheit von Leidenschaften zu beschaffen, nicht anders zu erlangen als durch Gefühlsabschaffung.

      Wir pflegen einen kultivierten Umgang, aber nicht immer gelingt sein Bemühen um Selbstformung. Im Versagensfall kann ihn eine Unruhe befallen, wenn ein Ärgernis seinen Sinnen Schärfe verleiht, dann offenbart er eine Empfindsamkeit, die im Normalzustand auf seinem Sessel am Fenster nicht zu erahnen ist. Insbesondere, wenn ich rieche, zum Beispiel hier und jetzt nach Nikotin.

      Ein Raucher also!, ruft Hovard.

      Ich folge ihm in den Sturm, Wind und Gischt tragen den Erik-Geruch davon.

      Wir drücken uns entlang der Hauswand, weißer Putz, unter den Füßen glattgetretener Stein. Hovard ruft, die Hände zum Trichter: Jahrhundertelang trug der Weg den Walfänger ins Heim, nach einem Jahr auf rauer See zurück in die Stube, wo in der Wiege ein neues Kind schlief, vielleicht sein Blut, vielleicht auch nicht!

      Das sagt er nicht von ungefähr, wie er grundsätzlich nichts von ungefähr sagt.

      Wir stehen an der Veranda, verwitterte Eichenrahmen, Gläser geschliffen, Anbau von 1890, als man den Walfang industrialisierte und die Dörfler Muschelfischer wurden oder Künstler. Das Haus fiel an einen Maler, Impressionist, Pointillist, wie ich muss er die Einsamkeit geliebt haben, anders ist die Insel nicht zu ertragen. Muss

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