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schwimmender Augen, hängender Unterlippe, im vorliegenden Fall ist eine Libido erwartbar, mir sind schon Fälle begegnet von umgekehrter Korrelation, von außerordentlicher sexueller Performance bei schwächlicher Konstitution. Er trägt um den Hals ein Schild, Fickbar! Fuckable!, außerdem in Türkisch und Suaheli und wer weiß in welchen Sprachen noch.

      Drei Sekunden sind vergangen, vielleicht fünf. In Gedanken Geschlechtsverkehr gehabt, den Gedanken vermessen, ob er zum Liebeswunsch taugt.

      Der Fremde: Guten Abend.

      Sein Name sei Rübesam, den Sohn wolle er anmelden, der habe krumme Zähne, fünf Jahre alt, ob etwas frei sei, am liebsten schon kommende Woche.

      Dysfunktionelle Stimme, nicht unähnlich einem Eunuchen, reizvoll unstimmiges Bild, hier erbarmungswürdig, dort saftstrotzend.

      Er zieht seinen Mantel aus, legt ihn über den Arm, ist mürbe an Brust, Bauch und Hintern, jeder Versuch, dies zu verbergen, unterbleibt, eine Authentizität, die mich sexuell entzündet, ungleich heftiger als Perfektion.

      Die Peters beugt sich unter die Rezeption, startet erneut den Rechner.

      Zwei, drei Termine sind noch frei nächste Woche, sagt sie, sie spricht durch die Nase.

      Sie sagt: Wenn es recht ist, stelle ich ein paar Fragen.

      Ich schweige, nehme den Kittel vom Boden.

      Die Peters fragt: Wohnhaft auf der Insel?, und trommelt mit den Fingern.

      Rübesam antwortet: Im Ferienhaus.

      Und sonst?

      In der Hauptstadt.

      Beruf?

      Eigentlich Ingenieur. Jetzt Manager.

      Er sieht mich an.

      Die Peters fragt: Gibt es eine Frau Rübesam?

      Da zögert er, verbreitete Angewohnheit unter Ehebrechern, als materialisiere sich die Gattin erst im Moment ihrer Erwähnung, dann nennt er doch den Namen, das Kind ein kleiner Freiherr, Rübesam dem Muttertitel angehängt.

      Wir werden uns erlauben, den Fragebogen zur Krankengeschichte vorab zu mailen, umgekehrt bitten wir um die Übersendung etwaiger Röntgenbilder, sagt die Peters, noch immer stocksteif.

      Rübesam nickt, die Alte geht auf Terminsuche.

      Wir könnten am Montag, 13.30 Uhr, sagt sie.

      Für Montag der erste Eintrag.

      Dann käme das Kind mit meiner Frau, sagt Rübesam, obwohl.

      Obwohl?, wiederhole ich, mein erstes Wort.

      Grundsätzlich bevorzuge ich im Umgang mit Männern ein Muster aus Anziehung und Zurückweisung, von beiden die Zurückweisung zweifelsohne dasjenige Element mit der stärker erotisierenden Wirkung.

      Meine Bemühung um Distanz bei aller Schroffheit vergeblich, auch ich trage das Schild, Fickbar! Fuckable!, die Lust hat ein Gesicht. Obwohl, sagt Rübesam, er habe dem Kleinen versprochen mitzukommen.

      Ich sage: Es ist immer von Vorteil, beide Eltern kennenzulernen, die meisten Gesichtsmerkmale sind erblich.

      Rübesam hängt an meinem Mund, der ist rot geschminkt. Er lächelt. Richtig, sagt er, die Zähne habe der Junior von ihm.

      Auf meiner Wange ein winziger Tropfen Spucke.

      Rübesam rollt die feuchten Lippen ein, schluckt.

      Die Peters druckt einen Terminzettel, überreicht ihn, Rübesam dankt, zurück in seinen Mantel, muss an mir vorüber. Sagt Pardon, berührt meine Hand, nickt, geht aufrechter durch die Tür als gekommen, Eros aus seinem Ei geschlüpft, am Rücken zwei winzige goldene Flügel. Dann ist er fort.

      Ich hebe die Hand, betrachte sie. Dort, wo Rübesam mich gestreift hat, frisst sich ein kleines Feuer durch die Haut.

      Im Raum der Geruch von nassem Mann und etwas anderem.

      Lustig, sagt die Peters, der roch wie Ihr Gatte.

      Die nervliche Verschaltung von Geruchssinn und Triebverhalten könnte dem Liebesobjekt zum Vorteil gereichen. Im vorliegenden Fall tut sie es nicht, von den Sinneszellen meiner Nase neuronales Querfeuer zur eigentlichen Absicht. Jemandem den Schwanz zu lutschen, der den gleichen Duft trägt wie mein Mann, könnte zum Debakel werden.

      Lustig, sagt die Peters, der hatte gar keinen Ehering.

      Begibt sich unter die Rezeption, schaltet zum zweiten Mal den Rechner aus, für heute ihre letzten Worte.

      Ich senke die schmucklose Hand. Mein Ring zu Hause hinter den Tampons im Badezimmerschrank, gelegentlich hole ich ihn hervor, manchen Männern gefällt es, die Frau eines anderen zu vögeln.

      Das Dorf im Osten der Insel. Der Sandstrand einige Meter breit, statt eines Meeres schwarzer Schlick. Niedrige, reetgedeckte Häuser, manche vierhundert Jahre alt, die Menschen gebeugt, ausgenommen jene, die in den letzten Jahrzehnten zugezogen sind.

      Ich bin einen Meter vierundsiebzig.

      Das Haus ist von Wasser umgeben. Eine kleine Landzunge, darauf die Warft, bei Hochwasser steht die Flut im Garten. Dann leckt sie am Rasen, fließt in die Kaninchenbaue, die Hasen warten auf unserer Schwelle, bis wieder Ebbe ist. Es sind zehn oder zwölf, eine graue Sippschaft und eine schwarze.

      Mein Mann ist pensioniert, Analytiker im Ruhestand, Freudianer.

      Im Ruhestand auch sein Glied.

      Er heißt Hovard, altnordisch Ho für Heim, Vard für Beschützer.

      Ich heiße Judith, mein Schoß, wie Judiths in der Bibel, ist trocken geblieben.

      Statt mich zu vögeln, ist Hovard mein Deichgraf, Schutzherr unserer Halbinsel, sie gegen die Flut zu verteidigen, das Haus gegen das Salz, füllt seine Tage. Das Salz verschlingt Dach, Balken und uns, besonders gefräßig ist der Ostwind.

      Trotz Fäulnis und Moder: Wir sind reich, die Insel hat einen Ruf, das verfallende Walfängerhaus auf der Landzunge ist ein Vermögen wert, regelmäßig treffen Kaufanfragen ein, man bietet uns Millionen, obwohl der Tag, an dem die Sturmflut es in Besitz nehmen wird, nicht fern sein dürfte. Im Flur gekreuzt die Kiefer eines Schweinswals, vor Jahren in unserem Garten gestrandet, von Hovard grob zerlegt und entbeint, darunter eine Landkarte, 1654. Damals, was heute unser Grund und Boden ist, Hunderte Meter hinter der Küste.

      17.30 Uhr an einem kalten Freitag Ende Januar. Für gewöhnlich hat Hovard das Licht gelöscht, in die vereiste Scheibe einen Ausguck gekratzt, Platz genommen in seinem Sessel, Fernglas auf das Watt gerichtet. Die da leben: Austernfischer, Säbelschnäbler, das Möbel ist aus rotem Samt.

      Mein Mann ist aufgewühlt, Grund ist ein Eisberg, der alle zwölf Stunden von der Tide versetzt wird, mit jedem Hub, jeder Böe, einige Meter näher an unser Gartentor. Der Wind kommt seit Weihnachten von Ost.

      Ein kleiner Parkplatz neben der Praxis. Von einer Funzel beleuchtet, statt Asphalt Eisbahn, der Hausmeister hat vergessen zu streuen oder hat schon Wochenende.

      Außer meinem Wagen (Porsche) noch ein anderer (Porsche, das neuere Modell). Der Fahrer sitzt im Dunkeln, das Glimmen einer Zigarette, aus dem geöffneten Fenster quillt Rauch, den der Wind mitreißt.

      Einen Fuß vor den anderen, ich rutsche, grätsche, die Tasche schlägt zuerst auf, dann die Hüfte.

      Die Tür der Karosse schwingt auf, irgendein Mechanismus, der dem Scharnier zu Geräuschlosigkeit verhilft, in wenigen Schritten ist der Fahrer bei mir. Wirft seine Zigarette fort, geht in die Knie.

      Sind Sie verletzt?, fragt Rübesam.

      Ich schüttele den Kopf, will auf und kann nicht, der rechte Absatz im Mantelsaum verhakt, Rübesam löst ihn, fasst mich am Arm. Sein eigener kamelhaarfarbener Schoß schleift im grauschwarzen Schnee.

      Wir stehen.

      Meine Hüfte, sage ich.

      So dürfen Sie nicht fahren,

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