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genau, wo das Schiff lag. Sie sahen das winzige Flackern einer Lampe an Bord und ab und zu eine Gestalt, die sich an dem Feuerschein vorbeibewegte.

      „Wir tauchen am Korallenriff entlang“, sagte der jüngere von ihnen. „Dann schwimmen wir von der Seite, wo kein Licht ist, das Schiff an.“

      „Und durchtrennen unter Wasser das Seil. Dabei werden wir uns ablösen, denn das Seil ist bestimmt sehr stark.“

      Geduckt schlichen sie in die Brandung. Das Wasser war warm, als es über ihren Körpern zusammenschlug. Sie tauchten schon, als sie sich noch in der Brandung befanden. Nur ab und zu hoben sie den Kopf ein wenig aus dem Wasser, um Luft zu holen.

      Es dauerte nicht lange, bis sie das Schiff erreichten, das wild in der See auf und nieder tanzte, mal den Bug zum Himmel reckte, dann wieder das Heck in die Luft hob.

      Der Länge nach tauchten sie unter dem Schiff durch, bis sie die Trosse fanden.

      6.

      An Deck der „Kap Hoorn“ wurde es immer ungemütlicher.

      Es hatte stark aufgebrist. Die dunkle Wolkenwand, die sich zum Land schob, würde sich bald entladen.

      Immer wieder klatschte die See über den Bug, und wenn der Segler sich hob, wurde die Trosse stramm und begann zu zittern.

      Die Vordeckswachen waren durchnäßt, aber es war ein warmer Wind, der von See her blies, nur wurde er immer stärker.

      „Das gibt noch einen verdammt ausgewachsenen Sturm und ein höllisches Gewitter heute nacht“, sagte Miguel zu seinem Kameraden Sanchez, der sich über das Schanzkleid beugte und angestrengt ins Wasser starrte. Außer einer dunklen Wand mit kleinen Schaumwirbeln sah er nichts. Er hörte nur das pausenlose Donnern der Wellen, die unermüdlich den Bug berannten und das Schiff ständig hin und her warfen.

      Sanchez drehte sich wieder um.

      „Hoffentlich hält die Trosse“, sagte er, „sonst sitzen wir auf dem Strand zwischen den Hütten.“

      „Dann spannen wir die Kanaken morgen vor das Schiff und lassen es wieder ins Wasser ziehen“, erwiderte Miguel lachend. „Aber die Trosse hält, darauf kannst du einen Piaster setzen.“

      „Erst mal einen haben.“

      „Bald werden die Münzen im Beutel klingen, und deine Geldkatze wird so dick anschwellen wie dein Schädel, wenn du zuviel gesoffen hast. Warte nur, bis wir die Brotfrüchte an Bord haben und sie eingepflanzt sind. Dann gibt es eine fette Prämie.“

      Ausgiebig unterhielten sie sich darüber, was sie mit dem Geld anstellen würden, wenn sie es erst einmal hatten.

      Keine der Wachen bemerkte, daß inzwischen schon kräftig an der Ankertrosse geschnitten wurde. Selbst wenn sie ab und zu ein Licht über Bord hielten, sahen sie nichts, denn das Wasser war pechschwarz und es spiegelte den Lichtschein zurück.

      Während sie weiter über Geld sprachen, das sie nicht besaßen, begannen die ersten Tropfen zu fallen. Dick und schwer platschten sie auf das Deck.

      „Gleich geht der Tanz los“, sagte Miguel. „Ich kenne diese Tropengewitter. Dann gießt es, als würde man das Meer auf den Kopf stellen. Komm, wir hokken uns unter das Kombüsenvordach.“

      Zwei Schritte weiter sah es so aus, als würde tatsächlich das Meer auf den Kopf gestellt werden.

      Es platschte wie aus Kübeln, und ein Schauer ging nieder, der so dicht war, daß man kaum Atem holen konnte.

      Die beiden Männer stellten sich unter, aber es half nicht. Der prasselnde Regen fiel schräg, und innerhalb von wenigen Sekunden waren sie total durchnäßt.

      Dann fuhr der erste grelle Blitz krachend aus den Wolken und beleuchtete sekundenlang den Strand. Der harte grollende Donner folgte sofort danach und ließ die „Kap Hoorn“ erbeben.

      Von da an verstand man sein eigenes Wort nicht mehr.

      Das Wasser wurde noch härter aufgewühlt, der Regen prasselte wie aus riesigen Zubern herab, und das Krachen, Donnern und Blitzen nahm kein Ende. Immer wieder wurde der Segler in gespenstisches, blauweißes Licht gehüllt. Deutlich sah man dann die Schaumkronen auf dem Wasser, wie sie tanzten, hochstiegen und vom Sturm zerweht wurden.

      Unnatürlich hoch hob sich der Bug aus dem Wasser, und das Schiff begann hart nach Steuerbord zu krängen. Dann fiel es schwerfällig zurück, und der Bug lag nicht mehr im Wind. Er schwang herum, und ein erneutes hartes Überkrängen war die Folge.

      „Die Trosse!“ brüllte Miguel, so laut er konnte.

      Sein Kumpan verstand kein Wort, denn gerade jetzt schmetterte ein harter Blitz nieder und schlug in die See ein. Der anschließende Knall ließ die Männer fast taub werden.

      Aber in dem unnatürlich grellen Lichtschein sahen es nun auch die anderen.

      Nein, die „Kap Hoorn“ lag nicht mehr vor Anker, das stand für jeden Mann der Wache fest, sonst würde sie sich nicht so benehmen.

      „Die Trosse!“ brüllte Miguel aus voller Lunge. „Die Trosse ist gebrochen!“

      Unter den Männern brach Panik aus. Sie verstanden die in panischer Angst gebrüllten Worte zwar nicht, aber sie wußten, was passiert war.

      Miguel rannte nach achtern, dabei schrie er pausenlos. Als ein erneuter Brecher die „Kap Hoorn“ krängen ließ und Wasser über die Kuhl flutete, fiel er der Länge nach hin, prallte mit dem Schädel an die Gräting und blieb bewußtlos liegen.

      Inzwischen trieb der Segler dem Land entgegen, torkelnd und schwankend suchte er sich mit der Breitseite seinen Weg.

      Beim nächsten Überholen ging ein Mann der Wache über Bord und verschwand in dem schäumenden Wasser. Sein Schrei verhallte ungehört. Niemand sah, wie er über Bord ging, und niemand hörte ihn.

      Das Chaos war perfekt.

      Die schlafenden Männer wurden nicht durch die gellenden Schreie der Wache geweckt, denn die hörten sie kaum. Die meisten wurden bei dem jähen Überholen aus den Kojen geschleudert und landeten auf den harten Dielen.

      Sie stürzten an Deck, als eine lang anrollende See das Schiff aus dem Wasser hob.

      Was sie sahen, ließ sie an ihrem Verstand zweifeln. Das Schiff befand sich inmitten einer kochenden Hölle aus gischtendem Wasser, zukkenden Blitzen, rollendem, brüllendem Donner und einem Regenschauer, als hätte der Himmel alle Schleusen geöffnet.

      Dazwischen stampfte, rollte und schlingerte die „Kap Hoorn“ wie ein fahl leuchtendes Ungeheuer.

      Die Panik hatte alle erfaßt, selbst Sinona stand wie betäubt da, als er an Deck erschien.

      Er faßte sich jedoch wieder und brüllte dem ersten Offizier etwas zu, der verzweifelt auf seine Ohren deutete.

      Niemand wußte, was zu tun war, obwohl die meisten erfahrene Seeleute waren. Sie konnten auch nichts mehr tun, der Segler war längst zum Spielball entfesselter Elemente geworden.

      Sinona blickte in das Wasser, und dann durchfuhr ihn ein eisiger Schreck. Eine Eisenfaust preßte sein Herz zusammen, als er den wild kochenden Wirbel direkt vor sich sah. In jedem Wellental erschienen die rasiermesserscharfen tödlichen Korallen.

      Hohen Wänden gleich ragten sie aus der See und zeigten ihre bleichen, tödlichen und von zuckenden Blitzen erhellten Krallen, die sich gierig nach dem Schiff ausstreckten.

      Er wollte noch schreien, irgend etwas rufen, doch es war schon zu spät. Niemand würde seine Warnung mehr hören.

      Doch die meisten anderen sahen es ebenfalls. Einige hielten sich geistesgegenwärtig fest und schrien ihre Angst hinaus.

      Das Korallenriff!

      Der tosende Brecher setzte die „Kap Hoorn“ hohnlachend ab. Es hörte sich an, als hätte der Teufel persönlich seinen Spaß daran gehabt, den Segler in die Korallen

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