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war O’Flynn so schlau wie am Anfang, und er stieß einen ellenlangen Fluch aus.

      „Jedenfalls wird es nicht oft gebraucht, du rothaariger Holzwurm!“ rief er. „Und die verdammte Nagelei gibt überhaupt keinen Sinn, damit willst du mich nur ärgern.“

      Gleichzeitig fiel ihm aber auch ein, daß Ferris nie etwas tat, das keinen Sinn ergab, und daß er keinesfalls die Bretter voller Nägel schlug, um ihn persönlich zu ärgern. Also steckte doch etwas dahinter, und das wollte dieser lausige Zimmermann nur nicht zugeben.

      Zum Glück erschien der Profos, blieb stehen und starrte auf die gespickten Holzbretter.

      „Was ist das denn?“ fragte er stirnrunzelnd.

      „Das will Donegal auch dauernd wissen“, sagte Ferris. „Das sind Bretter mit Nägeln drin.“

      Der Profos stemmte die Arme in die Seiten. Sein Blick wurde düster und drohend.

      „Das sehe ich selbst“, knurrte er. „Wie heißen die Dinger denn?“

      Jetzt muß er Farbe bekennen, dachte Old O’Flynn und rieb sich die Hände.

      „Nagelbretter“, gab Ferris bereitwillig Auskunft und zwinkerte seinem Freund Carberry unauffällig zu.

      Der Profos hatte kapiert und nickte wieder. Er sah, daß Old O’Flynn vor Ärger fast grün im Gesicht wurde, und grinste.

      „Klar, hatte ich ganz vergessen“, sagte er und ging weiter.

      „Old O’Flynn raufte sich fast die paar Harre, die er noch hatte.

      „Verdammt!“ rief er. „Nun sage mir doch endlich den richtigen Namen, Ferris! Daß das Nagelbretter sind, sieht jeder Idiot. Aber wie heißen sie, oder wie nennt man sie?“

      „Man nennt sie Piratenschuhe“, sagte Ferris. „Und jetzt hör endlich auf, mir Löcher in den Bauch zu fragen, und behaupte nur nicht, daß du nicht weißt, wozu man Piratenschuhe braucht.“

      Da drehte sich der Alte grimmig um, maß Ferris vorher noch mit einem galligen Blick und verzog sich aufs Achterkastell. Unterwegs beleidigte er lautstark die unschuldigen Ahnen von Ferris Tucker und brummelte, daß sie sich vor kurzem noch mit Bananen beworfen hätten.

      „Land, zwei Strich Steuerbord voraus!“ rief Jeff Bowie aus dem Großmars. Er lehnte sich über die Segeltuchverkleidung und zeigte mit der ausgestreckten Hand in jene Richtung, wo ein kaum merklicher Strich am fernen Horizont zu sehen war.

      Auf der Kuhl und dem Quarterdeck, wo gerade das Holz mit einer dünnen Mixtur aus Leinöl und Lack getränkt wurde, unterbrachen die Seewölfe ihre Arbeit und rieben sich die Hände.

      „Dann steht uns ja einiges bevor“, sagte Blacky. „Hoffentlich ist dieser Brotfruchtklauer noch da, damit wir ihm ordentlich auf die Flossen klopfen können. Ich habe schon lange keinen Spanier mehr zwischen den Fäusten gehabt.“

      „Denen ihre Klüsen möchte ich sehen, wenn sie merken, wen sie vor sich haben“, meinte Bill. „Aber der Seewolf hat noch nicht gesagt, was er denn eigentlich unternehmen will.“

      „Das wirst du schon früh genug merken“, sagte Matt Davies und kratzte sich mit seiner Hakenprothese den Hals. „Das ergibt meist die Situation selbst, das kann man vorher noch nicht so genau wissen. Aber die Burschen kriegen eins auf die Helme, verlaß dich darauf!“

      Der Seewolf selbst sah diesen schmalen Landstrich jetzt ebenfalls schon ohne Spektiv.

      „Ja, das müßte die gesuchte Insel sein“, sagte er zu Ben Brighton.

      Ben blickte am Besan vorbei auf den dunklen Strich. „Eine Insel ist es jedenfalls, kein Festland. Nur gibt es den Karten nach dort mehrere Inseln.“

      „Kein Problem, die richtige zu finden“, sagte Hasard. „Die spanischen Galeonen entdecken wir auf jeden Fall, und wenn wir eine Bucht nach der anderen absuchen. Sie entgehen uns nicht.“

      Ben stellte dem Seewolf die gleiche Frage, die der Moses auch schon den anderen gestellt hatte.

      „Wie wollen wir vorgehen?“ fragte er. „Hast du schon ein bestimmtes Konzept entwickelt?“

      „Bisher noch nicht“, gab Hasard zu. „Wir haben nur ein paar Fakten von dem Don erhalten. Wir wissen, daß die ‚Kap Hoorn‘ sich dort aufhält, daß noch ein paar andere Spanier unterwegs sind und sie den Insulanern mit Gewalt die Brotfrucht wegnehmen wollen, um sie woanders anzubauen. Ganz abgesehen davon, daß es eine hundsgemeine Lumperei ist, bleibt zu fragen, ob das alles einen Sinn ergibt. Vielleicht wächst die Brotfrucht auf anderen Inseln gar nicht an oder gedeiht nicht weiter.“

      „Das ist natürlich möglich. Wir wissen aber noch, daß die Dons die Insulaner bekehren wollen, und das sind doch genügend Anhaltspunkte, um gezielt vorzugehen.“

      „Erstens kommt es anders“, sagte Hasard, „und zweitens ist das meist der Fall. Wir können diesen Vorfall nicht mit der Armada gleichsetzen, wo man nur nach einem gewissen Schema vorgehen konnte. Hier sieht alles ganz anders aus, wir warten ab und benehmen uns so, als wären wir ebenfalls Dons. Wie sich das entwikkelt, werden wir früher oder später schon merken.“

      Ben Brighton, der mitunter erst den richtigen Anlauf brauchte, um Fahrt draufzukriegen, sah das ein. Ihm selbst wäre ein Vorgehen nach Plan leichter gefallen, er konnte nicht so schnell improvisieren wie der Seewolf, aber Hasard hatte recht: Es lag immer an der jeweiligen Situation und ihrer Entwicklung. Ihm würde im entscheidenden Augenblick schon das richtige einfallen, und bisher hatten sie die Spanier immer noch überlistet.

      Als die Insel größer wurde, griff Hasard zum Spektiv.

      Die Vergrößerung zeigte vor der Insel eine leichte Brandung, die sanft an den Strand rollte. Dahinter standen in unregelmäßigen Abständen schlanke, vom Wind gebogene Palmen. Danach gab es einen dunkelgrünen Streifen Dickicht, an den sich dicht bewachsene Hügel anschlossen, die allmählich in hohe, bewaldete Berge übergingen. Größtenteils waren die Berge so dicht bewachsen, daß man nicht einmal das darunter befindliche Gestein erkannte.

      Hasard erkannte den Einschnitt einer Bucht mit ebenfalls hohen Palmen, aber er sah keine Hütten.

      „Mastspitzen?“ fragte Ben Brighton hoffnungsvoll.

      Der Seewolf gab seinem ersten Offizier das Spektiv und schüttelte dann den Kopf.

      „Keine Mastspitzen, nichts zu sehen. Es hat den Anschein, als wäre der vorausliegende Teil der Insel unbewohnt.“

      „Nun, sie scheint ja ziemlich groß zu sein“, meinte Ben. „Auf der Steuerbordseite liegt wieder eine Bucht, und die scheint in eine weitere überzugehen.“

      Hasard wartete noch ein paar Minuten, bis sich die „Isabella“ noch näher an die Insel herangeschoben hatte.

      Aber auch dann zeigten sich keine Mastspitzen, und Hütten tauchten ebenfalls nicht auf.

      Er wandte sich an den Rudergänger Pete Ballie.

      „Wir laufen an der äußeren Bucht dicht vorbei, Pete. Gehe nicht zu dicht an Land, hier gibt es verdammt viel Korallenbänke.“

      „Aye, aye, Sir. Da vorn sieht man schon einen Wirbel im Wasser.“

      Hasard legte die Hände an den Mund und rief zu Jeff Bowie hoch: „Jeff! Scharf aufpassen auf Untiefen und Korallenriffs!“

      „Verstanden, Sir!“ klang es zurück.

      Pete Ballie änderte leicht den Kurs, und der Profos ließ Segel nachtrimmen, wobei er die Arbeit wieder mit seinen Lieblingssprüchen kräftig würzte.

      An Backbord zeigte sich jetzt ein fast hellgrüner Ring im Wasser. Ein kleines Atoll war es, kreisförmig mit bunten Korallen, die bis zur Meeresoberfläche wuchsen. Die scharfen Grate ließen sich in dem klaren Wasser einwandfrei erkennen.

      Wer hier aufbrummte, etwa bei Nacht, überlegte Hasard, dem würden die messerscharfen Korallen den Rumpf von achtern bis vorn aufschlitzen.

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