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Velho beschrieb eine fast joviale Geste zu seinem Bootsmann hin. „Donnerwetter, Ignazio, das nenne ich einen Geistesblitz. Ausnahmsweise muß ich einmal eingestehen, daß du recht haben könntest. Himmel, es wäre schon ein ungeheuerlicher Zufall, wenn wir hier tatsächlich Killigrew und seinen Bastarden begegnen würden. Ich glaube einfach nicht daran. Aber wir müssen für den Ernstfall gerüstet sein, selbst wenn nur eine lächerliche Seeräuber-Schaluppe versucht, uns aufzulauern.“

      „Also rüsten wir zum Kampf?“

      „Schiff klar zum Gefecht“, sagte do Velho.

      Ignazio eilte zunächst zum Rudergänger und gab ihm den neuen Kurs an, dann teilte er den Offizieren, dem Profos und dem Schiffsvolk die Order des Kommandanten mit. Die Rahen der „Candia“ wurden geradegestellt, das Schiff legte sich platt vor den Wind, aus den Toppen wurde der „Santa Angela“ und der „Sao Joao“ signalisiert, wie sie sich zu verhalten hatten.

      Dann trappelten Schritte über Deck, bewegte sich ein Wirrwarr von Gestalten auf der Kuhl auf und ab. Über die Niedergänge hasteten die Seeleute und die Soldaten auch zum unteren Batteriedeck, und kurz darauf wurden die Stückpforten hochgezogen. Rumpelnd rollten die Kanonen aus. Die Stückmeister, Geschützführer und Gehilfen nahmen an ihren genau vorgeschriebenen Plätzen Aufstellung. Pützen und Kübel mit Seewasser zum Befeuchten der Wischer wurden bereitgestellt, Kellen, Kratzer, Ansetzer, Borstenschwämme und anderes Ladegerät wurden rasch verteilt. Im Nu breitete sich eine fiebrige Atmosphäre aus.

      Lucio do Velho war an die vordere Schmuckbalustrade des Achterdecks getreten und wohnte diesem Schauspiel bei. Er, der studierte Mann, der Mime aus Passion, konnte sich immer wieder an dieser großartigen Szenerie begeistern. Gab es eine überzeugendere Demonstration von Macht, etwas Überwältigenderes als ein schwimmendes Meisterwerk der Baukunst, aus dessen offenen Stückpforten drohend die Kanonenmündungen hervorlugten?

      Zwanzig bronzene 17-Pfünder-Culverinen befanden sich auf der Kuhl der „Candia“, auf dem darunter befindlichen Batteriedeck stand noch einmal die gleiche Zahl von Geschützen desselben Kalibers bereit. Eine Armierung, mit der die „Candia“ fast jedem anderen Schiff haushoch überlegen war.

      Die Klippfelsen schienen auf den Viermaster zuzugleiten. Do Velho erteilte wieder seine Kommandos. Er ließ mehr Zeug wegnehmen und schickte einen Mann auf die Galionsplattform, der auf dem Bauch liegend fortwährend die Wassertiefe ausloten und aussingen mußte.

      Untiefen, Felsenriffe mit messerscharfen Auswüchsen – davor hatten do Velho und seine Mannschaft sich im Augenblick am meisten zu fürchten. Aber der Kommandant ging das Risiko ein. Eine merkwürdige Unruhe hatte ihn erfaßt, er folgte einem schwer zu erklärenden inneren Antrieb und wußte, daß seine Anspannung erst wieder nachließ, wenn er die Felsbucht erkundet hatte.

      Keine Kabellänge trennte die „Candia“ jetzt mehr von der Einfahrt zur Bucht. Do Velho blickte wie gebannt voraus. Nur noch mit Großsegel und Blinde näherte sich die „Candia“ ihrem Ziel.

      „Fünf Faden“, sang der Mann auf der Galionsplattform aus.

      „Ignazio“, sagte do Velho.

      Der Bootsmann fuhr zu ihm herum, do Velho winkte ihm zu, und sie stiegen beide auf die Kuhl hinunter, überquerten sie, klommen die Back hoch und gingen bis nach vorn an die Balustrade, von wo aus sie den besseren Ausblick hatten.

      „Die Wassertiefe!“ rief der Kommandant.

      „Fünf Faden, Senor“, erwiderte der Mann, der das Senkblei bediente.

      „Gleichbleibende Tiefe“, sagte Lucio do Velho. „Ausgezeichnet. Wir dürfen hoffen, daß wir bis in die Bucht gelangen. Wir befinden uns jetzt direkt vor der Passage und können in die Bucht spähen. Was siehst du?“

      Der Mann aus Porto hob das Spektiv ans Auge, hielt angestrengt Ausschau und verkündete dann: „Felsen, nichts als Felsen, Senor Comandante.“

      „Was schließt du daraus?“

      „Daß sich niemand in der Bucht befindet.“

      „Aber es könnte einen toten Winkel geben, den wir von hier aus nicht einsehen. Wir werden auch den erkunden. Ignazio, ist auch auf den Felsen kein menschliches Wesen zu sehen?“

      „Nein, Senor.“

      Do Velho blickte selbst durchs Rohr und befand, daß die Landschaft rund um die Bucht tatsächlich trostlos und verlassen erschien.

      „Al diablo“, murmelte er. „Wie ist das nun eigentlich – sind sämtliche Männer der ‚Sao Sirio‘ ertrunken, oder haben sie Angst, sich uns zu zeigen?“

      Nördlich der Buchteinfahrt erhoben sich die mächtigsten Klippfelsen, und genau dahinter hatte der Seewolf seine „Isabella“ jetzt gesteuert, sonst hätten do Velho und seine Leute mittlerweile zumindest die Mastspitzen der Galeone gesichtet.

      So aber lag die „Isabella“ für eine Weile völlig versteckt. Sie dümpelte nahe der Felsenmauer, die die Bucht zur See hin abschirmte, und lief nur ganz wenig Fahrt. Weder Bill noch sonst jemand an Bord konnte den Gegner in diesen Minuten sehen, das war der Nachteil des Manövers, jedoch im Vergleich zu allen Widrigkeiten, die noch eintreten konnten, ein Handikap, das man verkraften konnte.

      Hasard stand auf dem Achterdeck unweit des Besanmastes. Ben Brighton, Ferris Tucker und die beiden O’Flynns befanden sich in seiner Nähe. Big Old Shane war mit Pfeil und Bogen in den Großmars zu Bill aufgeentert, Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia, hatte den Vormars erklommen.

      Smoky und Al Conroy hatten auf Hasards Anweisung hin auf der Back an den beiden vorderen Drehbassen Position bezogen. Carberry und der Rest der Crew hielten sich auf der Kuhl zum Einsatz bereit. Rudergänger Pete Ballies Hände verkrampften sich ein wenig um das Ruderrad der „Isabella“. Er wußte, daß er, wenn es hart auf hart ging, eine Meisterleistung zu vollbringen hatte.

      „Sie kommen“, sagte Hasard. „Daran besteht kein Zweifel mehr. Als wir sie zum letztenmal gesehen haben, haben sie Direktkurs auf die Bucht genommen. Die ‚Candia‘ segelt ihren beiden Begleitern voran.“

      „Das gibt ein Wiedersehen“, versetzte Ben Brighton grimmig. „Ich möchte wirklich wissen, wie der Hundesohn do Velho es fertiggebracht hat, sein Fell zu retten. Nach menschlichem Ermessen hätte er bei dem Kampf in der Walfisch-Bucht krepieren müssen.“

      „Und mit ihm sein verdammter Bootsmann“, sagte Ferris Tucker. „Haben die einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, daß sie immer wieder mit einem blauen Auge davonkommen, oder was ist los?“

      „Vielleicht sind sie wirklich mit Satan und den Dämonen der Hölle im Bund“, orakelte Old Donegal Daniel O’Flynn. „Ich habe ja stets gesagt, es geht nicht mit rechten Dingen zu, daß diese Himmelhunde es schaffen, sich immer wieder an unsere Fersen zu heften. Seit Formosa sind sie jetzt hinter uns her, um den halben Erdball sind sie uns gefolgt. Die müssen magische Kräfte haben, Männer, und …“

      „Hör doch auf“, fiel sein Sohn ihm ins Wort. „Selbstverständlich gibt es für alles eine vernünftige Erklärung. Ich begreife nicht, wieso du immer wieder deine Spukgeschichten auspacken mußt, Dad, das ist doch nun wirklich nicht angebracht.“

      „Was?“ zischte der Alte. „Fängst du jetzt auch schon an, mich zu kritisieren? Habt ihr Halunken denn alle keinen Respekt mehr vor einem weisen, erfahrenen Seemann?“

      „Ich finde, es ist richtig, frei von der Leber weg zu reden“, entgegnete sein Sohn. „Keiner kann deine Gruselmärchen verkraften, Dad. Du solltest wirklich endlich damit aufhören, dieses Zeug zu verbreiten.“

      „Also, das schlägt doch dem Faß den Boden aus“, ächzte Old Donegal.

      „Ich hätte am besten gar nicht erst vom Teufel gesprochen“, meinte Ferris.

      „Schluß jetzt“, sagte der Seewolf. „Ihr könnt das von mir aus später erörtern. Ben, es ist klar, daß wir unter normalen Umständen kreuzen würden, um die Bucht zu verlassen und auf die offene See hinauszugelangen. Wir haben den Wind ungünstig von Nordwesten,

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