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er, „die Karten scheinen ganz hervorragend zu sein. Würden Sie sie verkaufen?“

      „Natürlich, wir müssen auch nicht darum feilschen. Ich nenne Ihnen einen annehmbaren Preis.“

      Der Preis, den Aladin nannte, war so lächerlich gering, daß Hasard ihn erstaunt anblickte.

      „Das ist zu wenig“, sagte er entschieden.

      „Dann könnten Sie die Karten auch um den Preis eines Fasses Rotwein verkaufen.“

      „Es kommt immer darauf an, wem ich sie verkaufe“, sagte Aladin ruhig. „Wenn ich sehe, daß jemand wirkliche Freude daran hat und auch etwas damit anfangen kann, dann bescheide ich mich mit einer kleinen Verdienstspanne. Ich will ja nicht reich werden, ich will nur in einem bescheidenen Rahmen meinen Lebensabend genießen. Allah weiß, daß ich kein Mensch bin, der nach Macht, Ruhm oder Reichtum strebt.“

      Aladin war wirklich bescheiden. Er freute sich, daß er mit den Männern plaudern konnte, und das tat er gern und ausgiebig. Er ließ noch frische Melonen reichen und blickte zu Dan, der die Karten intensiv studierte und offenbar etwas nicht richtig verstand.

      „Fragen Sie nur, wenn Ihnen etwas unklar erscheint, Efendi.“

      Dan deutete auf die erste Karte. „Was bedeuten diese schraffierten Linien?“

      Hasard konnte ebensowenig damit anfangen wie Dan oder Don Juan.

      Der alte Seemann erläuterte es ihnen.

      „Am Eingang zum Bosporus liegt Istanbul. Das ist von hier oben aus deutlich und klar zu erkennen. Wenn Sie weitersegeln, gelangen Sie in das Marmarameer, das man früher Propontis nannte. Es ist ein Nebenmeer zwischen dem Ägäischen und dem Schwarzen Meer. Wenn Sie dieses Meer erreicht haben, wird Ihr Kurs etwa Südsüdwest sein. Er führt Sie weiter nach dem antiken Hellespont. Das ist eine Meeresstraße, die man die Dardanellen nennt. Sie liegt zwischen der Halbinsel Gallipoli und Kleinasien und verbindet die Ägäis mit dem Marmarameer.“

      „Interessant“, sagte Hasard. „So genau hat uns das noch niemand erklären können. Das ist wirklich erstaunlich. Diese dünne Linie ist also die Meeresstraße, durch die wir hindurch müssen.“

      „Sehr richtig. Hier müssen Sie besonders gut aufpassen, denn in den Dardanellen herrschen starke Strömungen, die das Marmarameer hineindrückt. Deshalb ist diese Stelle als Markierung besonders schraffiert. Die Straße ähnelt einem breiten Kanal und ist etwa fünfunddreißig Meilen lang. Ja, und dann ist da noch etwas, über das aber nicht gern gesprochen wird.“

      Aladin ließ wieder Tee nachschenken und die Melonenscheiben reihum gehen. Er sah, daß seine Zuhörer beeindruckt waren, und lächelte.

      „Denken Sie beim Durchsegeln an die starke Oberflächenströmung. Schon so manches Schiff ist daran gescheitert, wenn es das ertrunkene Tal durchsegeln will.“

      „Ertrunkenes Tal?“ fragte Don Juan. „Was bedeutet das?“

      „Das ist eine uralte Bezeichnung für jene Wasserstraße mit der starken Strömung. In früheren Zeiten befand sich dort angeblich einmal ein riesiges und fruchtbares Tal. Eines Tages bahnten sich die Wassermassen des Marmarameeres einen Weg und überfluteten das Tal. Man sagt, daß noch heute die Seelen Ertrunkener in diesem Tal umgehen. Sie wirbeln mit den Armen um sich, damit sie wieder nach oben gelangen. Daher rühren auch die vielen Strömungen. So sagt man jedenfalls.“

      „Und was glauben Sie selbst?“ fragte Hasard lächelnd. „Glauben Sie auch an die Geschichte?“

      „Sie mag stimmen, bis auf die Erzählung mit den wandernden Seelen. Ich habe jedenfalls eine andere Erklärung, und die ist ganz einfach. Das Mittelmeer liegt niveaumäßig ein wenig tiefer. Das Schwarze Meer wird von etlichen Flüssen gespeist, und das Wasser sucht sich den Weg durch den Bosporus ins Marmarameer. Und dieses Meer schiebt das Wasser durch die Dardanellen, denn bekanntlich fließt Wasser ja immer den leichtesten Weg und flußabwärts.“

      Die Arwenacks grinsten bis zu den Ohren. Auch der Alte lächelte wieder verschmitzt.

      „Natürlich ist es so“, sagte Hasard. „Eine absolut einleuchtende und logische Erklärung. Hoffentlich akzeptiert sie dein Vater auch, Dan.“

      „Das bleibt noch abzuwarten“, murmelte Dan.

      „Sie erwähnten vorhin etwas, über das nicht gern gesprochen wird“, sagte Don Juan. „Bezieht es sich auf diese Wasserstraße?“

      Aladin nickte ein paarmal. „Ja, man sagt, daß sich in jeder Ecke Gesindel herumtreibt, das die Unwissenheit mancher Kauffahrer ausnutzt, um sich zu bereichern. Diese Leute verlangen einen hohen Zoll und sind manchmal recht unverschämt. Es soll auch schon zu harten Kämpfen gekommen sein. Aber, wie gesagt, darüber wird hier nicht gern gesprochen. Vermutlich stecken ein paar hohe Herren dahinter.“

      „Aber die Benutzung dieser Straße ist zollfrei?“ vergewisserte sich Hasard.

      „Ja, hier werden keine Zölle erhoben, denn der Handel wirft sehr viel ab.“

      Sie staunten immer wieder über den alten Burschen, der hier nach Jahren der Plackerei vor Anker gegangen war. Vor allem verfügte er über ein beachtliches Wissen. Das bewies er jetzt wieder, als er sich über die Karten beugte und ihnen den weiteren Weg erklärte, der sie ins Mittelmeer brachte.

      „Diesmal haben wir erstaunliches Glück gehabt“, sagte Dan. „Damit habe ich wirklich nicht gerechnet.“

      Aladin zeigte ihnen etwas später seine Schätze, auch die Papageien und die kleinen Affen, die er von Seeleuten erworben hatte.

      Es war ein Laden, in dem man sich stundenlang aufhalten konnte und immer wieder neue und interessante Dinge entdeckte.

      Hasard sah sich ein paar Bücher an. Dabei erzählte er Aladin ein wenig über den Kutscher.

      „Koch und Feldscher ist er“, sagte Aladin. „O ja, da habe ich auch eine ganze Menge. Es gibt Bücher in lateinischer Schrift über die ärztliche Kunst, über Heilkräuter und Magie. Es sind gelehrte Bücher, in denen er sicher etwas findet.“

      Er zeigte ihnen ein paar Folianten, Bücher über Magie, die Kunst des Kochens, über Kräuter und Medizin. Insgesamt waren es sieben ziemlich dicke Bücher.

      „Die kaufe ich alle“, sagte Hasard. „Ich werde den Mann morgen oder übermorgen noch einmal persönlich vorbeischicken, damit er seine helle Freude an all den Schätzen hier hat.“

      Aladin war sehr erfreut, daß er endlich mal auf Leute traf, mit denen man über „Gott und die Welt“ plaudern konnte. Er ließ es sich nicht nehmen, die Seewölfe zum Essen einzuladen, und Hasard wollte ihm die Bitte auch nicht abschlagen. Sie hatten ja ohnehin noch Zeit, und dieser Mann hatte ihnen sehr geholfen.

      Sie hatten jetzt alles, was sie brauchten, um den Weg ins Mittelmeer zu finden. Keiner von ihnen hatte das erwartet.

      Aladin ließ auftafeln. Es gab ein Haschee mit Reis und Eiern, in Butter gebraten und scharf gewürzt.

      „Das ist Kadinbudu“, erklärte ihr Gastgeber lächelnd. „Das heißt soviel wie Frauenschenkel. Die türkische Küche hat da mitunter sehr eigenwillige Bezeichnungen für die Gerichte. Aber sie schmecken hervorragend.“

      „Das kann man wohl sagen“, stimmte Hasard zu. „Vor allem erstaunte mich die Schnelligkeit bei der Zubereitung.“

      „Man hat so seine guten und fast unsichtbaren Geister“, sagte Aladin verschmitzt.

      Nach Kadinbudu folgte ein Auberginengericht. Die Auberginen waren mit Speckstreifen umbunden und mit einer scharfen pikanten Masse gefüllt. Auch das kannten sie noch nicht. Der Kutscher hätte mal wieder seine helle Freude daran gehabt.

      „Das nennt sich Iman Bayaldi“, erläuterte Aladin. „Auch das ist wieder ein sehr eigenwilliger Name.“

      Jung Hasard grinste bis an die Ohren. „Das heißt: Der Vorbereiter fiel in Ohnmacht. Oder habe ich das falsch ausgedrückt?“

      Aladin

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