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ab.“

      „Zu gefährlich“, erwiderte sein Bruder. „Laß uns lieber warten.“

      „Ah! Hast du etwa Angst?“

      Dario sah Silvestro an. Fast wirkte es, als wolle er sich auf ihn stürzen. Doch Brodzu stieß plötzlich einen warnenden Laut aus. Zwei Gestalten schritten unmittelbar am Eingang der Gasse vorbei – türkische Soldaten.

      Die Sarden zogen sich zurück. Zu spät. Die Soldaten, Mitglieder der Stadtgarde, hatten die Köpfe gedreht und waren auf sie aufmerksam geworden.

      „Heda“, sagte der eine. „Stehenbleiben!“

      Dario gab seinen beiden Begleitern einen Wink. Silvestro hatte schon sein Messer in der Hand. Doch es hatte keinen Sinn, sich mit den Soldaten anzulegen. Es konnten sich noch andere Gardisten in der Nähe befinden.

      Aus Erfahrung wußte Dario, daß man im Handumdrehen ein ganzes Dutzend von ihnen auf dem Pelz haben konnte. Sie riskierten, im Kerker zu landen. Und was sie dann erwartete, ließ sich ohne Scharfsinn ausrechnen: das Schwert des Henkers.

      Dario, Silvestro und Brodzu ergriffen die Flucht. Sie stürmten die Gasse entlang und bogen in einen schmalen Seitengang ein. Von hier aus eilten sie auf einen winzigen Hof. Hinter sich hörten sie das Trappeln der Soldatenstiefel.

      Brodzu deutete auf eine Tür. Silvestro versuchte, sie aufzustoßen. Doch die Tür war verriegelt. Silvestro und Brodzu warfen sich mit den Schultern dagegen, da gab der Riegel nach. Sie drückten die Tür auf. Rasch schlüpften sie durch den Spalt ins Innere. Dario folgte ihnen, nachdem er noch einen prüfenden Blick über die Schulter zurückgeworfen hatte.

      Offenbar waren die Soldaten in der Gasse weitergelaufen. Sie hatten nicht bemerkt, daß die drei Männer in den Gang abgebogen waren. Doch das war kein Anlaß zu großen Hoffnungen. Bald würden sie umkehren und alles absuchen. Und dann stießen sie zwangsläufig auch auf den kleinen Hof und sahen in allen Häusern nach, ob sich hier jemand versteckt hatte.

      Dario, Silvestro und Brodzu standen in einem Warenlager, das mit Kleidung und Stoffen bis unter die Decke vollgestopft war. Sie atmeten tief durch und blickten sich in dem Raum um – da stand plötzlich ein kleiner Mann mit einem Fes vor ihnen und fuchtelte mit den Händen.

      „Was wollt ihr hier?“ stieß das Männchen wütend hervor. „Was habt ihr hier zu suchen? Wie seid ihr überhaupt reingekommen?“

      „Zu viele Fragen“, entgegnete Dario.

      „Ich rufe die Garde!“

      „Nein.“ Dario schüttelte den Kopf. „Das wirst du nicht tun.“

      Etwas blitzte in seiner Hand auf. Das Messer. Es zuckte durch die Luft – und das Männchen brach röchelnd zusammen. Dario hatte gut gezielt und ebenso perfekt getroffen. Das Messer steckte im Hals des Mannes.

      „Rasch!“ zischte Silvestro. „Weg mit dem Kerl!“

      Sie verbargen die Leiche unter Stoffballen. Dario hatte sich eingehender umgeschaut und deutete auf einen Stapel Kleidung.

      „Da müßte für uns was dabeisein!“ raunte er. „Schnell!“

      Kurz darauf verließen drei Gestalten in langen türkischen Gewändern das Gebäude, in dem sich das Lager befand, durch die Vordertür. Keiner behelligte die Banditen. Jeder trug einen Fes. Sie mischten sich unter das Volk und fielen keinem auf – auch nicht den beiden Soldaten, die an ihnen vorbeimarschierten und sich nach allen Seiten umschauten.

      Dario grinste seinem Bruder zu. „Wie haben wir das hingekriegt?“ flüsterte er.

      Silvestro war jetzt besser gelaunt. Er grinste ebenfalls.

      „Wie in alten Zeiten“, entgegnete er.

      Nur wenige Minuten verstrichen, und sie standen wieder dem Palast der Haydar-Familie gegenüber. Dario stieß Silvestro mit dem Ellenbogen an. Ein junger Mann verließ das Gebäude – Balat Haydar.

      „Na so was, wen haben wir denn da?“ raunte Brodzu.

      „Das Söhnchen vertritt sich die Füße“, murmelte Dario.

      „Ganz allein“, fügte Silvestro leise hinzu.

      „Ist das was?“ fragte Brodzu.

      Dario nickte. „Und ob. Den greifen wir uns.“

      „Es wird mir ein Vergnügen sein, ihm die Kehle durchzuschneiden“, sagte Silvestro.

      „Heb dir das für später auf“, erwiderte Dario mit verhaltener Stimme. „Erst nehmen wir das Bürschchen nur gefangen. Er ist die beste Geisel, die es gibt. Mit ihm als Gefangenen dringen wir bei Papa Haydar ein und verlangen die Herausgabe sämtlicher Gelder. Wenn wir die Gelder haben, räumen wir mit dem ganzen Pack auf.“

      Silvestros Augen flackerten. „Du glaubst, daß das wirklich klappt?“

      „Ja.“

      „Dann los“, erwiderte Silvestro. „Ich bin einverstanden.“

      Sie hefteten sich an Balat Haydars Fersen, ohne daß dieser etwas davon bemerkte. Allmählich holten die drei Sarden etwas auf. Der Abstand zwischen ihnen und ihrem auserkorenen Opfer schrumpfte zusammen. Doch bevor sie ihn ganz erreichten, verschwand Balat im Inneren einer großen Moschee.

      Dario grinste hämisch. „Ist das nicht herrlich? Söhnchen betet zu Allah und bittet ihn darum, daß alle bösen Buben krepieren mögen. Aber ich glaube, wir stören ihn ein bißchen dabei.“

      Brodzu kicherte. „Ja, irgendwie können wir das nicht zulassen. Er wird wohl nur Schlechtes über uns sagen.“

      „Los“, sagte Silvestro. „In unserer Verkleidung erregen wir nicht den geringsten Verdacht. Man wird uns für echte Moslems halten.“

      „Die Idee mit den Klamotten war wirklich gut“, meinte Brodzu.

      Die Banditen schritten auf den Eingang der Moschee zu. Sie schauten sich noch einmal nach allen Seiten um. Aber nirgends war auch nur der Schatten eines Gardisten zu entdecken. Sie waren hier völlig ungestört. Mit gezügelter Hast betraten sie das Innere des Bethauses. Kühle schlug ihnen entgegen.

      Auf dem mit Teppichen ausgelegten Boden der Moschee knieten die Betenden. Sie verneigten sich in Richtung Mekka, bis ihre Stirn den Boden berührte.

      Dario, Silvestro und Brodzu hatten keine Schwierigkeiten, Balat Haydar unter den Gläubigen zu entdecken. Der junge Mann kniete etwas weiter rechts, halb hinter einer Säule versteckt.

      Dario grinste seinen Bruder und Brodzu an. Sehr gut – sie würden Balat überwältigen und wegschleppen, ohne daß einer der anderen Türken es registrierte. Zu dritt hatten sie leichtes Spiel mit ihm. Ein Hieb, und er war bewußtlos.

      Das Trio würde nicht einmal Geräusche verursachen. Alles sollte sich lautlos abspielen, mit der nötigen Diskretion sozusagen. Schließlich befand man sich in einem Gotteshaus.

      Hasard, Ben, Shane, Dan und Philip junior folgten Balat Haydar in einiger Entfernung durch die Gassen von Üsküdar. Einmal verloren sie ihn fast aus den Augen. Aber Dan entdeckte ihn wieder. Der Seewolf wahrte weiterhin die Distanz. Er wollte auf keinen Fall, daß der Sohn des Kaufmannes darauf aufmerksam wurde, daß sie ihn beschatteten.

      Dan war der erste, der auf die drei Fes-Träger aufmerksam wurde.

      „Seht mal“, sagte er. „Die drei Türken da. Ich glaube, die sind auch hinter Balat her.“

      „Vielleicht sind es Freunde von ihm“, sagte Ben Brighton.

      „Möglich ist es“, sagte Hasard. Er beobachtete die drei Männer mit den langen Gewändern und dem Fes. Es entging ihm nicht, daß sie die Köpfe zusammensteckten und auf Balat deuteten.

      Die Moschee tauchte vor den Mannen auf. Balat betrat sie – und kurz nach ihm verschluckte der Eingang auch die drei Fes-Männer.

      „Das ist mir nicht ganz geheuer“, sagte der Seewolf. „Los,

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