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Mienen auf.

      „Das ist ja ein richtiges Schloß“, sagte Ben.

      „Prunkvoller als Arwenack Castle“, fügte Shane hinzu.

      Hasard grinste. „Die Geschäfte unserer neuen Freunde scheinen gut zu laufen.“

      Kemil und Balat Haydar luden die fünf Mannen durch Gesten ein, an eins der Fenster in der Eingangshalle zu treten. Von hier aus konnte man auf den Innenhof blicken. Auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich die Stallungen. Dort waren soeben die beiden Pferde eingetroffen.

      „Seht ihr“, sagte Kemil Haydar mit einem verschmitzten Lächeln. „Die Tiere sind eher eingetroffen als wir.“

      „Na, die haben bestimmt Hunger“, sagte Dan.

      „Lieber Kapitän Killigrew, ich möchte Sie und Ihre Männer zu einem Umtrunk einladen“, sagte Kemil Haydar. Es klang feierlich.

      „Das nehmen wir gern an“, entgegnete der Seewolf.

      „Ich weiß schon“, murmelte Sahne. „Es gibt Fruchtsaft und Datteln. Oder süßen Kuchen.“

      Kurz darauf saßen die Männer in einem saalähnlichen Raum auf Kissen und ließen sich von den Dienern der Haydar-Familie bewirten. Milch und Säfte wurden serviert, dazu Gebäck.

      Aber das kannten die Arwenacks bereits zur Genüge. Alkohol existierte im Orient offiziell überhaupt nicht. Der Koran verbot den Genuß von Wein und Schnäpsen. Nur hier und dort konnte man unter der Hand einen „ordentlichen Tropfen“ erstehen.

      Kemil Haydar erkundigte sich im Verlauf der Unterhaltung, die nun begann, höflich nach der Herkunft der Arwenacks. Hasard gab ihm bereitwillig Auskunft und berichtete von den Reisen, die er mit seiner Crew unternommen hatte. Staunend hörten Vater und Sohn zu. Sie erfuhren vieles, was sie noch nicht gewußt hatten.

      Anschließend erzählte Kemil Haydar seinen Gästen alles über die sardischen Banditen, was in Üsküdar über sie bekannt war. Es ging das Gerücht, daß sie in den Dodullu-Bergen in einem verwunschenen Gemäuer hausten, in der Burg des Scheitans.

      Aber noch nie hatte sich jemand getraut, dort nach dem Rechten zu sehen. Es war eine Gegend, die von den Einheimischen gemieden wurde.

      „Ich habe einen Berufskollegen in Beylerbey“, erklärte Kemil Haydar. „Er hat eine hübsche Tochter. Sie heißt Salome. Seit etwa zwei Wochen ist sie spurlos verschwunden. Banditen haben sie entführt.“

      „Warum sucht dieser Kaufmann seine Tochter nicht?“ fragte der Seewolf.

      „Er hat ein großes Aufgebot zusammengestellt“, erwiderte Kemil Haydar. „Und er hat tagelang nach ihrem Verbleib geforscht. Doch es ist ihm und seinen Männern nicht gelungen, auch nur eine Spur des armen Mädchens zu finden.“

      „Warum haben sie nicht in der Burg des Scheitans nachgesehen?“ wollte Philip junior wissen.

      „Keiner kennt den genauen Weg dorthin“, erwiderte der Kaufmann.

      „Das kann doch nicht möglich sein“, sagte Dan O’Flynn.

      „Und doch ist es so“, versetzte Haydar. „Es ist ihnen nicht gelungen, das Gemäuer zu finden.“

      „Ich glaube eher, sie haben Angst, die Burg zu finden“, sagte Shane.

      „Ein Vater, der seine verschwundene Tochter sucht, tut doch alles, um sie zurückzuholen“, erwiderte der Seewolf. „Ich verstehe die Zusammenhänge auch nicht ganz.“

      Der Kaufmann stieß einen Seufzer aus. „Bei Allah und dem Barte des Propheten, ihr habt ja recht. Mein Freund aus Beylerbey hätte sich bis in die Höhle des Löwen gewagt. Doch seine Begleiter haben nicht mitgespielt. Sie fürchten den Fluch des Scheitans. Und allein konnte Salomes Vater nicht in die Burg eindringen.“

      Hasard und seine Männer tauschten Blicke. „Wir würden es uns schon zutrauen, das Mädchen zu befreien und den Porceddus einen Denkzettel zu verpassen, den sie nicht vergessen“, sagte Hasard. „Ich werde mit meiner Crew darüber sprechen.“

      „Es sind noch mehr Gefangene in der Burg“, sagte der Kaufmann.

      „Und die Behörden von Üsküdar unternehmen nichts?“ fragte Ben Brighton verblüfft.

      „Doch, es sind schon Soldaten in die Berge geritten“, erwiderte Kemil Haydar. „Aber auch sie haben nichts ausrichten können. Sie sind zurückgekehrt, ohne auch nur eine Fährte der Banditen zu entdecken.“

      „Ein schwaches Bild“, sagte Dan. „Ich kann es verstehen, daß die Türken abergläubisch sind. Das sind die meisten Seeleute auch. Aber es muß doch einen Weg geben, die Gefangenen der Sarden zu befreien. Man kann doch nicht darauf warten, daß die Porceddus und ihre Hunde sie umbringen.“

      „Wir kehren an Bord der Dubas zurück“, sagte der Seewolf. „Und dort beratschlagen wir.“ Er richtete seinen Blick auf Kemil Haydar. „Wären Sie bereit, uns Pferde zur Verfügung zu stellen, mein Freund?“

      „Pferde, Waffen, Männer“, erwiderte der Kaufmann. „Alles, was Sie wollen. Und natürlich würden mein Sohn Balat und ich Sie begleiten.“

      „Wir sehen uns morgen früh wieder“, sagte der Seewolf und erhob sich.

      Kemil Haydar klatschte in die Hände. Ein Lakai erschien. Er trug ein rotes Kissen auf den Händen. Auf dem Kissen war ein glitzernder Gegenstand zu erkennen – eine Öllampe aus Gold.

      „Dies ist mein Dankes-Geschenk für Sie und Ihre tapferen Männer, Kapitän Killigrew“, sagte der Kaufmann. „Die Lampe gehört zum privaten Schatz meiner Familie. Es ist ein sehr altes Stück. Ich weiß, daß Sie das Geschenk in Ehren halten und pflegen werden.“

      Hasard hob ablehnend die Hand. „Das kann ich nicht annehmen.“

      „Sie müssen es tun“, entgegnete Kemil Haydar. Um seine Mundwinkel zuckte es leicht. „Ich würde es als eine Beleidigung empfinden, wenn Sie dieses ehrlich gemeinte Geschenk zurückweisen würden.“

      „Dad“, sagte Philip junior. „Du mußt es wirklich akzeptieren. Du kennst doch die Bräuche und Sitten im Orient.“

      Der Seewolf atmete tief durch. Schließlich nickte er. „Also gut, Kemil, ich danke Ihnen.“

      „Wir haben Ihnen zu danken.“ Vater und Sohn verneigten sich.

      Hasard nahm das Geschenk entgegen. Die goldene Lampe war so blank, daß sich sein Gesicht darin spiegelte.

      „Vater“, sagte Balat Haydar. „Ich möchte noch in die Moschee gehen und Allah dafür danken, daß er seine schützende Hand über uns gehalten hat.“

      „Tu das, mein Sohn“, erwiderte der Kaufmann.

      Balat verabschiedete sich von allen und verließ das Haus. Hasard und seine Mannen versprachen Kemil Haydar noch einmal, daß sie am nächsten Morgen wiederkommen würden. Dann traten auch sie aus dem palastähnlichen Gebäude auf die Straße.

      Der Seewolf schaute Balat Haydar nach. Er konnte gerade noch sehen, wie der junge Mann in einer Gasse verschwand.

      „Ganz allein?“ sagte Hasard nachdenklich. „Ist das nicht riskant?“

      „Was denn?“ fragte Ben Brighton.

      „Daß er keinen Begleiter mitnimmt. Zum Schutz.“

      „Hier in der Stadt herrscht doch keine Gefahr für ihn“, sagte Big Old Shane.

      „Trotzdem“, sagte der Seewolf. „Ich habe so ein merkwürdiges Gefühl. Besser, wir gehen ihm nach. Bis zur Moschee ist es sicher nicht sehr weit. Von dort aus können wir dann direkt zum Hafen zurückkehren.“

      Die Brüder Porceddu und ihr Kumpan Brodzu hatten ihre Feinde bis zu dem Wohnhaus der Haydars verfolgt. Sie beobachteten, wie die Männer der Dubas und die Kaufleute im Inneren verschwanden. Die Banditen standen im Eingang einer Gasse. Hier konnten sie in der zunehmenden Dunkelheit nur von

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