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wandte sich der Seewolf noch einmal an die Frau. „Haben Sie einen Verdacht, wer der Mörder sein könnte?“

      Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Wirklich nicht.“

      „Das reicht jetzt“, sagte der Kutscher. „Sie braucht nichts dringender als Ruhe.“

      Kurz darauf, als die Männer wieder im Park des Palastes standen, tauchte der Leibarzt auf. Er schlich um sie herum und schien nach Worten zu suchen. Schließlich war es der Sultan, der ihn zu sich rief.

      „Du solltest mit glühenden Zangen gezwickt werden“, sagte er. „Aber ich will Gnade vor Recht ergehen lassen. Du bist ein Narr, und du hast noch viel hinzuzulernen. Laß dir von dem englischen Arzt erklären, was er getan hat. Lerne von ihm. Höre auf ihn. Tust du es nicht, schneide ich dir die Ohren und die Nase ab.“

      „Ja, Herr, ja, Herr“, stammelte der Leibarzt.

      Dem Kutscher tat der Mann nun doch leid. Er gab sich die größte Mühe, ihm mit Mustafas Unterstützung einige Methoden der Behandlung, wie sie in der Alten Welt üblich waren, beizubringen. Es wurde ein langes Gespräch – und allmählich wurde es darüber dunkel. Sehr schnell waren die Stunden verstrichen.

      „Bevor ich wieder in den Schacht steige, muß ich mich mit meinen Männern absprechen“, sagte Hasard. „Sie brennen sicherlich schon darauf, den letzten Stand der Dinge zu erfahren.

      „Ich gebe dir mein bestes Pferd“, sagte der Sultan.

      Wenige Minuten später ritt Hasard zum Hafen hinunter. Er kletterte ins Boot. Jack Finnegan und Paddy Rogers hatten die Wache am Boot übernommen. Sie pullten ihren Kapitän zur „Santa Barbara“.

      Der Seewolf trank eine Muck Rum mit seinen Männern und berichtete ihnen, was sich zugetragen hatte. Einige stießen leise Pfiffe aus.

      Carberry sagte: „Das gibt Zunder, schätze ich. Brauchst du Verstärkung bei der Jagd auf den Mörder? Wie wär’s, wenn wir ein paar Flaschenbomben mitnehmen würden?“

      „Davon halte ich nichts“, erwiderte Hasard. „Außerdem haben wir die Palastwachen, die sind schwer genug bewaffnet. Im übrigen will ich, daß ihr vollzählig an Bord bleibt. Wir dürfen nicht vergessen, daß nach wie vor mit einem Gegenschlag der Portugiesen zu rechnen ist.“

      „Die sollen ruhig aufkreuzen“, sagte Shane.

      „Ja, in der Nacht sind bekanntlich alle Katzen grau“, meinte Ferris Tucker grinsend.

      „Und wir hatten schon lange nichts mehr zu tun“, meinte der Profos. „Das ewige Rumsitzen hängt mir zum Halse heraus.“

      „Du bist unverbesserlich, Ed“, erklärte Ben Brighton. „Aber was Hasard sagt, leuchtet mir ein. Es hat keinen Sinn, wenn wir mit zehn Mann oder mehr diesen geheimen Brunnenschacht belagern. Viel wichtiger ist, daß die ‚Santa Barbara‘ jetzt voll gefechtsbereit bleibt. Sollte Moravia mit einem größeren Aufgebot anrücken, sind wir wenigstens darauf eingestellt.“

      „Spitz deine Pfeile“, sagte Carberry zu dem grinsenden Batuti. „Nachher hast du keine Zeit mehr dazu.“

      „Reitest du allein zum Palast zurück?“ fragte Ben seinen Kapitän.

      „Ja.

      „Ist das nicht zu gefährlich – im Dunkeln, meine ich?“

      „Ich kann auf mich aufpassen“, entgegnete Hasard.

      „Man könnte einen heimtückischen Anschlag auf dich verüben“, gab Ben zu bedenken.

      „Moravia oder der Frauenmörder“, sagte Don Juan de Alcazar.

      „Es geht nicht mit rechten Dingen zu“, brummte der alte O’Flynn.

      „Keine Sorge“, sagte der Seewolf. „Ich brauche keinen Geleitschutz. Und zu viele Leute wirken zu auffällig. Wir halten weiterhin Kontakt. Sollte sich hier etwas ereignen, Ben, schickst du mir einen Melder zum Palast hoch.“

      „Aye, Sir, geht klar.“

      „Der Mörder ist ein Araber“, sagte Old Donegal Daniel O’Flynn.

      Hasard sah ihn an. „Bist du sicher?“

      „Das sagt mir mein Holzbein.“

      „Ich halte es auch für wahrscheinlich“, erwiderte der Seewolf. „Aber vor Überraschungen sind wir natürlich nicht sicher.“

      „Hier nicht und in diesem ganzen verfluchten arabischen Land nicht“, schimpfte der Alte. „Ich bin froh, wenn wir endlich mal wieder in Cornwall an Land gehen und ein wenig vertraute Luft schnuppern.“

      „Heimweh“, sagte Shane spöttisch. „Mann, das gibt’s doch nicht, Donegal.“

      „Du kannst mich mal.“

      „Auf Cornwall mußt du noch ’ne Weile warten, Dad“, sagte Dan O’Flynn. „Und was mich betrifft, ich bin nicht sonderlich scharf auf England. Du hast wohl schon vergessen, daß da auch nicht alles eitel Zuckerschlecken ist, was?“

      „Ich vergesse gar nichts“, brummte der Alte. „Doch diese Gegend ist mir absolut nicht geheuer. So meine ich das, kapiert?“

      „Ja, kapiert“, erwiderte der Seewolf. „Aber bisher haben wir unsere Haut immer noch retten können. Das soll auch weiterhin so bleiben. Haltet Augen und Ohren offen.“

      „Aye, Sir“, sagten die Männer.

      Der Seewolf verließ sein Schiff und kehrte zum Palast zurück. Während des Rittes ereignete sich nichts Unvorhergesehenes. Alles blieb ruhig. Erstaunlich ruhig. Fast konnte man zu dem Eindruck gelangen, Masquat sei ein friedliches Plätzchen Erde. Doch im Dunkel lauerte das Grauen.

      Silvestro Moravia brauchte nur seine Beule zu befingern, und schon stieg eine glühende Welle des Hasses in ihm hoch. Als er zu sich gekommen war, hatte er im ersten Sturm seiner Wutgefühle den „Bastarden“ nachstürmen wollen, die ihm und seinen Mannen zu dieser Niederlage verholfen hatten. Dann aber hatte er sich anders besonnen.

      Es hatte keinen Zweck. Die Engländer konnten zuschlagen, das hatten sie bewiesen. Und sie waren nicht allein. Sie waren eine ganze Crew von Hundesöhnen. Ein Spitzel hatte Moravia inzwischen mitgeteilt, wie groß das Schiff war, das auf der Reede ankerte, und wie viele Kerle es waren.

      Noch etwas anderes spielte in Moravias Überlegungen mit hinein. Es hatte wenig Sinn, am hellichten Tag einen Angriff zu unternehmen. Das erregte zuviel Aufsehen. Nein, man mußte es anders anpacken. Nachts die Galeone überfallen – das war der beste Plan.

      Ehe irgendwelche Hafenwächter auftauchten und eingriffen, waren die Kerle längst abgemurkst. Und ihr Schiff sank angebohrt auf den Grund der See.

      Eingedenk dieser Erkenntnis leckten Moravia und seine Kerle ihre Wunden, dann tranken sie aus einer großen Flasche starken Rum. Jetzt sah die Welt schon wieder etwas besser aus. Sie räumten in ihrem unterirdischen Warenlager auf. Die Stunden vergingen, es wurde Mittag, bald Abend.

      Moravia ging bei der Ursache für den Zwischenfall im Gewölbe von der Annahme aus, daß die Engländer von selbst Verdacht geschöpft hatten, etwas könne nicht astrein sein. Dumm waren sie ja schließlich nicht. Allzu viel Freundlichkeit war ihnen sozusagen „spanisch“ vorgekommen, und da hatten sie eben versucht, sich wieder zurückzuziehen.

      Hätte Moravia geahnt, daß Osman der Verräter war, dann hätte Osman längst nicht mehr gelebt, und seine sterblichen Überreste wären den Haien als Leckerbissen vorgeworfen worden. Aber Silvestro Moravia schöpfte keinen diesbezüglichen Verdacht.

      Osman rieb sich im stillen schadenfroh die Hände. Er war froh, dem Portugiesen eins ausgewischt zu haben. Er haßte ihn wegen seiner Überheblichkeit und Gemeinheit. Osman wünschte sich nur das eine: daß Moravia eines Tages die Lektion erhielt, die ihm gebührte.

      Moravia schickte seine Helfer – unter anderem Halef und Osman – in die Kasbah. Sie sollten Verstärkung holen. Überall gab es Portugiesen, die zu Moravias

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