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nicht ohne Karl, dessen Kinder und Kindeskinder vor allen Augen und Ohren mit einem Fluch zu belegen, der alle Anwesenden frösteln ließ.

      Tassilo machte keine gute Figur vor den Franken und Bayern, Langobarden und Sachsen. Er wurde als Hochverräter entlarvt, als Großmaul, als Pantoffelheld, und er konnte keine der Anschuldigungen widerlegen. Vielmehr musste er gestehen, dass sie alle zutrafen. Welche Rechtsmittel er auch immer gehabt haben mag, Karls Tribunal trieb ihn gnadenlos in die Enge und raubte ihm den letzten Rest von Würde und Persönlichkeit, den er noch aufzubringen vermochte.

      „Schade“, sagte Karl zu Alkuin, nachdem er Tassilo ohne das lange Haupthaar der Herrscher gesehen hatte. Er konnte nichts dagegen tun, dass er plötzlich feuchte Augen bekam. „Eigentlich habe ich meinen Vetter Tassilo stets geachtet und gemocht. Mit einem anderen Weib als dieser gehässigen und rachsüchtigen Langobardin Luitberga hätte er der beste Statthalter in meinem Reich werden können.“

      „Immerhin hat er nie nach der Spur des Lindenblattes in deiner eigenen Unverwundbarkeit gesucht“, sagte Alkuin mit einem vieldeutigen Lächeln. Karl brummte nur. Manchmal verstand er diesen schlauen Geist an seiner Seite wirklich nicht.

      „Warum vergisst mein Gemahl plötzlich, was er uns stets über die Härte des Herrschers gesagt hat“, protestierte die rachsüchtige Fastrada später, als sie mit dem König allein war. „Tassilo und Luitberga hatten für ihre Treulosigkeit den Tod verdient.“

      „Vielleicht, weil ich vergaß, dich darüber zu belehren, dass die letzte Vollkommenheit in der Gnade der Großmut besteht“, entgegnete Karl. „Ein König muss Härte zeigen, solange jemand diese Härte anzweifelt. Aber wenn alle lauthals nach Strafe und Rache rufen, den Daumen nach unten senken und ihren Anführer zum Knecht ihres Zorns machen wollen, dann muss ein Anführer und König wiederum eigennützig handeln. Er darf keinem gehorchen – auch nicht der Meinung der Mehrheit.“

      *Man überlege: Diese herzogliche Familie, diese sechs unglücklichen Menschen, gleichgültig ob Mann oder Frau, die bislang in ihrer Residenz Regensburg prachtvoll gelebt und regiert hatten, wurden nun kahlgeschoren und in ein Kloster gesteckt. Jeder von ihnen verlor seinen Namen und seinen Adelstitel. Keiner von ihnen durfte Besuch empfangen und niemanden aus seiner vertrauten Umgebung wiedersehen. Nicht Vater und Mutter, weder Geschwister noch seine Freunde. Den herzoglichen Hof und die Freuden des Lebens mussten sie gegen eine karge Klosterzelle tauschen, und darin würden sie, obwohl nicht zum Mönchsein berufen, bis zu ihrem Lebensende dahinvegetieren, vergessen von der Umwelt und ohne Schimmer auf Hoffnung. Wie viele dieser Verlorenen und Vergessenen werden sich den Tod gewünscht, gesucht und sicherlich auch gefunden haben?

      Es bedarf im Nachhinein nicht großer juristischer oder gar historischer Kenntnisse, um diese Verurteilung Tassillos und seiner Familie als Schauprozess zu brandmarken, womit das Geschlecht der bayerischen Agilolfinger endgültig der generationenalten Rivalität der Arnulfinger und Pippin erlegen war. Sechs Jahre später anno 794 musste der Mönch Tassilo übrigens noch einmal vor der Reichsversammlung in Frankfurt in aller Form den Herrschaftsverzicht seines Geschlechts erklären. Die Nachwelt hat überwiegend und zu Recht dem fränkischen König die Inhaftierung der Kinder Tassilos, vornehmlich jene der beiden Töchter, als barbarischen Akt vorgeworfen, der jeglicher politischer Notwendigkeit entbehrte.*

      Mit dem Sturz Tassilos war das letzte der vorkarolingischen Herzogtümer auf merowingischem Reichsboden beseitigt und überall die unmittelbare Herrschaft von Karls neuer Dynastie durchgesetzt.

      Nur der Brautkelch und das Zepter Tassilos fanden sich nicht mehr ein. Wie zur Buße hatte Abt Hunold sie heimlich vor dem Auftauchen der Franken in Regensburg abgeholt und in das von Tassilo gestiftete Kloster Kremsmünster gebracht. Die dortigen Mönche formten das Zepter zu zwei Leuchtern um, die noch Jahrhunderte überstehen sollten, ebenso wie der Brautkelch, in dem später die Stimmzettel bei jeder Abtwahl im Kloster Kremsmünster eingesammelt wurden.

      Karl nahm dann bereits im Herbst 788 die agilolfingische Hauptresidenz in Besitz und übertrug die weitere Integration des bayerischen Stammesgebiets, das zunächst als rechtliche und kirchliche Einheit erhalten blieb, seinem Schwager Gerold von der Bertholdsbar, dem Bruder seiner verstorbenen Frau Hildegard, der durch seine Abkunft aus altem alemannischen Herzoghaus und dessen Versippung mit den Agilolfingern selbst in kennzeichnender Weise den neuen Reichsadel repräsentierte.

      Nach dem Erwerb des Langobardenreichs Ober- und Mittelitaliens sowie des noch nicht gänzlich befriedeten Sachsens war Bayern binnen Kurzem die dritte große Arrondierung, die das Frankenreich über Gallien und dessen rechtsrheinisches Vorfeld hinausführte und seinen Schwerpunkt nach Osten verschob. Wohl einzig dem fränkischen König war klar, dass damit in absehbarer Zeit und im Wesentlichen der Rahmen abgesteckt war, in dem sich die innere Sicherung des Erreichten, vornehmlich jedoch der Aufbau eines neuen Staatswesens mit zahlreichen Reformvorhaben zu vollziehen hatte. Karl hatte den festen Vorsatz gefasst, im nächsten Winter erneut mit den Großen des Reichs sein angestrebtes Reformwerk zu beraten und fortzuführen.

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