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es keine Läuse! Aber ihr, die ihr alle ausseht wie Könige, ihr werdet sicher welche unter euren Käppis haben!” So, ich hatte meine Meinung gesagt. Sie fingen alle laut an zu lachen, es schallte wie eine Flut durch den Saal. Der König dieser Könige hob seine Hand und es wurde still.

      “Komm mal her, kleiner Jud!”

      – Und ich wurde vor ihm auf den Tisch gestellt.

      “Du hast aber Courage! Bravo! Hier hast du meinen Kopf, für jede Laus, die du findest, bekommst du eine Silberkrone!”

      Amüsiert trugen einige Offiziere noch mehr Kerzen herbei, um diese Szene genau zu beleuchten, und der König dieser Könige beugte sein Haupt vor mir. Den Schrecken und die Angst, die ich da bekam, kann ich gar nicht beschreiben.

      “Ich kann nichts finden, ich habe nie eine Laus gesehen!”

      Die Augen des Königs schauten mich listig an. Sie schienen zu sagen: “Meinst du, dass ein verlauster Jude sie nicht kennt?”

      Aber seine Worte klangen anders: “Wenn du mal Soldat bist, wirst du sie kennenlernen. Los, such’ gut!”

      Meine Hände gingen wirklich auf seinem Kopf suchen und am Rande seiner beginnenden Glatze fand ich eine Schuppe.

      “Na, da hast du schon etwas gefunden.”

      “Es gibt noch mehr davon.” Wieder hallte das Lachen laut. Aber jetzt wuchs mein Eifer.

      Da sagte der König wörtlich: “Wenn man dir den Kopf Kaiser Franz-Josephs geben würde, könntest du Baron Rothschild werden. Der Kleine wird mich ruinieren, die Reihe ist an euch meine Herren!” Ich wurde von Kopf zu Kopf gereicht, man aß und trank derweil, und ein jeder amüsierte sich mit seiner “Entlausung”. Sie haben mich vieles gefragt und ich habe mit Courage geantwortet. Ich glaube, es hat mir schon damals nicht an Humor gefehlt. Nur zu essen habe ich nichts angenommen. So erhielt ich jedesmal eine Silberkrone. Wie war es leicht, unter Königen reich zu werden! So bin ich trotz meiner “Barfüße” über die langen Tische der Könige hingeschritten.

      Das Mahl wurde dann beendet. Meine Augen suchten Mutter. Sie stand jetzt an der Küchenschwelle und hatte natürlich alles beobachtet.

      Ich schrie begeistert zu ihr hinüber: “Mamme, jetzt haben wir genügend Geld, um Fleisch zu kaufen. Ich werde nie wieder eine Katze zum Sabbat schlachten wollen!”

      Mutter behielt ihr seltsam trauriges Lächeln und verschwand in der Küche. Alle meine Freude stürzte plötzlich in sich zusammen, ich wusste nicht warum. Vielleicht hatte dieses Spiel etwas Erniedrigendes, weil wir Juden waren? Meine Taschen waren gefüllt mit Silbermünzen und ich überlegte ernsthaft, ob ich sie nicht alle zurückgeben sollte? Aber niemand kümmerte sich mehr um mich. Was sich dann begab, weiß ich nicht, aber ich denke, dass in einer Anwandlung von Sentimentalität für den kleinen Jungen, der kein Katzenfleisch mehr am Sabbat essen wollte, Geld gesammelt wurde.

      Der General ließ Mutter rufen.

      “Kommen Sie ruhig, Sie brauchen sich nicht zu fürchten!”

      Vor Mutters Augen legte er einen kleinen Berg von “Goldstücken” auf den Tisch. Mutters Lippen zitterten. Sie rührte das Geld nicht an.

      “Nehmen Sie! Nehmen Sie ruhig, gute Frau, wir geben es von Herzen. Ihr Sohn hat uns alle großartig amüsiert. Wenn er weiter mit so viel Eifer Läuse auf den Köpfen sucht, wird er einmal ein großer Philosoph oder Bankier werden.”

      Sein Lachen schallte wieder durch den Saal.

      Im Offizierskorps waren die Söhne der ungarischen Aristokraten und Großgrundbesitzer, sie kannten keinen Hass gegen Juden; wir waren ihnen nur eine seltsame, fremde Erscheinung. Ihr Benehmen uns gegenüber war freundlich und altruistisch.

      Mutter nahm dann ihr Tüchlein aus der Tasche und legte die Geldstücke hinein. Doch schon hatte sich die Stimmung geändert, man klatschte in die Hände und rief nach Wein und Zigeunermusik. Mamme kam zu mir, nahm fest meine Hand in die ihre, verbeugte sich leicht und wir traten hinaus in die Stille der Nacht.

      Eine Versuchung

      Draußen im Hof, unter dem freien Himmel, entfaltete Mutter ihr Tüchlein und wir schauten fast erschrocken die noch im Dunkel leuchtenden Goldstücke an. Wir zählten zusammen bis zwanzig.

      Dann flüsterte Mutter: “Was wird Vater sagen? Was wird Vater dazu sagen?” Und sie wiederholte es wieder und wieder.

      “Mamme, meine Tasche ist auch voll mit Silberstücken!”

      Mutter drückte mir liebevoll die Hand. Wir dachten an Vater und wagten kaum, unsere Haustüre aufzumachen. Daheim, welch ein Kontrast: Stille im Zimmer. Frieda und Karoline schliefen schon. Nur eine Kerze brannte auf Vaters Tisch; vertieft in seine Bücher wandte er nicht einmal den Kopf nach uns. Mutter holte einen Stuhl und setzte sich neben Vater. Sie zählte die zwanzig Goldstücke auf den Tisch und sagte dann ganz leise: “David, komm, leg auch dein Geld dazu.”

      Da erfasste mich eine Versuchung, nämlich der Gedanke, in der Tiefe meiner Tasche eine Münze zu vergessen. Ich wurde rot vor Scham, aber opferte dann auch diese letzte auf dem Tisch des Hauses. Als ich sie aus der Tasche holte, wurde es mir merklich leichter.

      Dann kam eine Stille. Ich kannte das schon, so wie vor einem Gewitter, bevor Blitz und Donner kommen. Vater, ohne ein Wort zu sagen, strich alles Geld von seinem Tisch. Unwürdig fielen die Münzen auf die Erde. Dann erhob er sich und ging auf und ab. Sein riesiger Schatten begleitete ihn an der Wand und beide waren überwältigend, fürchterlich. Ich erschrak vor Vaters Größe und meiner Kleinheit. Mir war, als schritte Vater über alles Geld hinweg.

      Da donnerte plötzlich seine Stimme gegen mich:

      “Was stehst du da?! Geh schlafen!”

      Ganz klein und gebeugt bin ich ins Bett geschlichen, welches ich damals noch mit Mutter teilen durfte. Es zitterte in mir und weinend kam das Abendgebet heraus.

      “Lauter!” schrie Vater. “Ich höre nichts! Du stiehlst die Worte! Gott hat das Recht auf ganze Gebete!”

      Meine Freude, mein Eifer, meine Erwartungen und Hoffnungen, alles stürzte zusammen. Ich erinnerte mich der Versuchung. Sie kam für ein einziges Stückchen Geld und Vater verachtete sie alle. Mein Weinen wurde sehr bitterlich. Wäre ich doch fast ein Sünder geworden! Nach so viel Courage, Aufregungen und Arbeit war nichts geblieben und Vaters Schatten an der Wand schien auch meine letzten Hoffnungen zu vertreiben.

      Aber Mutter sammelte unsere Reichtümer vom Boden. Sie formte auf dem Esstisch kleine Türmchen von Silber und Gold und sie sprach mit fester Stimme: “Ein Paar Schuhe für David, Schuhe für Frieda und Karoline, für David ein Höschen, zwei warme Röcke für die Mädchen und ...! Elie, was willst du von dem Kinde? Er war so mutig und lieb!” Und Mutter erzählte mit ihrem Humor die “Offiziersentlausung”. Da beruhigten sich Vaters Schritte. Nach einer Weile hörte ich ihn sogar lachen. Welche Seligkeit! Ich fühlte meine kleine Seele wieder von Vater geliebt. Als es aber zur Goldgeldzählung kam, donnerte Vaters Stimme fürchterlich: “Dies Geld werde ich niemals anrühren! Wir sind keine Bettler! Wenn wir auch arm vor den Augen der Menschen sind. Unser Vermögen ist nicht das Geld! Unser Reichtum ist nicht sichtbar! Unser ist die Liebe zu Ihm.”

      Mutter wickelte die Goldstücke wieder in ihr Tüchlein.

      “So wird es den Mädchen gehören, wenn sie einmal heiraten”, sagte Mutter mit zitternder Stimme.

      “Wer heiratet heute ein armes jüdisches Mädchen?”

      Dieser Schatz wurde dann unter unserem Strohsack versteckt, um auf jene Zeit zu warten.

      Vater setzte sich wieder an seinen Studiertisch und begann mit leisen, psalmodistischen Melodien weiter zu lesen und die Wogen unserer Seelen beruhigten sich. Aber eine Ahnung kam von weitem zu mir: “Der kleine David von Kurtakeszi wird einstmals vor das Gericht Gottes gerufen werden, um mit bitteren Tränen Ihm das Nachtgebet laut zu sagen und alle seine Versuchungen einzugestehen. Wird Gott mir dann verzeihen?

      Ja, Gott wird

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