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Veränderungen des kleinen Kreislaufs für das Verständnis der Pathophysiologie des Höhenlungenödems (HAPE) von entscheidender Bedeutung.

      Pulmonale Hypertonie

      Unter Hypoxie steigt bei jedem Menschen der Widerstand in den Lungengefäßen an. Die Folge ist ein pulmonaler Hochdruck. Dies ein normaler physiologischer Vorgang, der lange bekannt ist und noch nichts mit einem Lungenödem zu tun hat.

      Bereits 1946 fanden Euler und Liljestrand an Katzen, dass diese unter normobarer Hypoxie einen erhöhten Druck in ihren Lungengefäßen aufbauen. Ursache ist eine Vasokonstriktion, also Engstellung der Gefäßmuskulatur in den kleinen Lungengefäßen, Arterien von < 0,8 mm Durchmesser. Das Ausmaß der Vasokonstriktion war in diesem Versuch abhängig vom Restsauerstoff der zugeführten Luft. Diese Veränderungen sind unabhängig von der hypoxischen Sympathikusaktivität, sie entstehen allein unter Hypoxie durch die Gefäßmuskulatur der Lungengefäße.

      Die Vasokonstriktion der Lungenarteriolen gleicht über einen erhöhten Druck die Perfusions-Ventilations-Verhältnisse in der Lunge aus, so dass eine gleichmäßigere Blutverteilung resultiert. Diese Umverteilung des Blutflusses vermindert zusätzlich funktionelle arteriovenöse Shunts. In ihrer Gesamtheit führen diese Veränderungen zu einer besseren O2-Aufnahme.

      Andererseits entwickelt sich durch diese Umverteilung eine Überlastung von Arteriolen in manchen Lungenarealen. Nicht alle sind aber gleichermaßen davon betroffen, manche Abschnitte eben mehr, andere weniger. In überlasteten Gebieten entwickelt sich bei anhaltender pulmonaler Hypertonie ein Flüssigkeitsaustritt in die angrenzenden Alveolen oder in das umgebende Gewebe, so dass im weiteren Verlauf ein komplettes Ödem entsteht, das Höhenlungenödem (HAPE).

      Zum Verständnis des HAPE sind die pathophysiologischen Zusammenhänge enorm wichtig, vor allem, dass es sich nicht um ein primär kardiales Problem handelt mit der Konsequenz, dass Diuretika kontraindiziert sind. Wenngleich es sich hierbei um ein multifaktorielles Geschehen handelt, die pulmonale Hypertonie ist nur einer von vielen Bausteinen, wenn auch aus therapeutischer Sicht sicherlich der Wichtigste, in einem komplexen System pathophysiologischer Abläufe, die in allen Einzelheiten bis heute noch nicht vollständig erforscht sind (Abb. 2.8). Viele Fragen zum Verständnis können daher noch nicht abschließend beantwortet werden.

      Abb. 2.8: Schematische Darstellung der Entwicklung des Höhenlungenödems in vereinfachter Form

      Die Zusammenhänge zwischen Hypoxie und pulmonaler Hypertonie wurden in den letzten Jahren sowohl im Labor und in größeren Höhen am Menschen direkt untersucht. Durch Messungen mittels Rechtsherzkatheter, Dopplerechokardiografie sowie nuklearmedizinische Untersuchungen, u.a. in der Schweiz auf der Cabana Margherita in 4600 m Höhe, konnten wesentliche Zusammenhänge über die pulmonale Hypertonie und das HAPE gewonnen werden. Die Echokardiografie als nichtinvasives Verfahren eignet sich zum Nachweis einer pulmonalen Hypertonie. Der erhöhte Druck im Lungenkreislauf kann über eine echokardiografisch nachweisbare Trikuspidalinsuffizienz gemessen werden, die abhängig vom Ausmaß der Druckerhöhung ist (Abb. 2.9).

      Abb. 2.9: Pulmonale Hypertonie von 72 mmHg und Trikuspidalinsuffizienz im Farbdoppler bei einem Patienten mit pulmonaler Hypertonie (Foto: U. Gieseler)

      Diese Untersuchungen haben nicht nur zum pathophysiologischen Verständnis beigetragen, sondern auch die Therapie des HAPE wesentlich beeinflusst. Dopplerechokardiografisch konnte gezeigt werden, dass eine bestimmte Gruppe von Medikamenten, sog. Kalziumantagonisten (Nifedipin) den erhöhten Druck in der Lungenstrombahn beim HAPE senken und sich somit nicht nur zur Therapie, sondern auch zur Prophylaxe eignen.

      Hinweis. Körperliche Belastung, wie z. B. das Tragen schwerer Lasten (Rucksackgewicht!), Einatmen von kalter Luft sowie flaches Liegen in einer Hütte oder einem Zelt erhöhen den pulmonal-arteriellen Druck. Deshalb wirken Schlafen mit erhöhtem Oberkörper in großen und extremen Höhen oder ein nur leichter Rucksack einem HAPE entgegen.

      Pulmonale Hypertonie bei Hochlandbewohnern

      Bewohner großer Höhen, wie in den Anden oder Tibet, entwickeln im Laufe ihres Lebens ebenfalls eine pulmonale Hypertonie, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß. Während sich bei Tibetern, dem am längsten in der Höhe wohnenden Volk, kaum Veränderungen durch eine pulmonale Hypertonie nachweisen lassen, kommt es bei Andenbewohnern zu deutlichen Druckanstiegen und nach Jahrzehnten auch zu verdickten Gefäßwänden. Wahrscheinlich spielen hier genetische Unterschiede eine Rolle, wie dies auch in unseren Breiten von Bewohnern im Flachland vermutet wird.

      Hinweis. Es ist immer noch unklar, warum manche Menschen in der Höhe eine überschießende pulmonale Hypertonie entwickeln und schon in Höhen unter 4000 m ein HAPE bekommen und somit anfällig sind für ein Lungenödem. Andere hingegen belasten sich in der Höhe extrem stark, tragen z. B. schwere Rucksäcke, ohne jemals ein HAPE bekommen zu haben. Vermutlich bestehen hier genetische Unterschiede für die Anfälligkeit eines Lungenödems.

      Ein besonderes Risiko besteht für die Menschen, die schon mal einmal ein HAPE in der Vorgeschichte hatten, insbesondere, wenn es schon in Höhen unter 4000 m auftrat (s. Kap. Höhenerkrankungen).

      Weiterführende Literatur

      Bärtsch P, Saltin B: General introduction to altitude adaptation and mountain sickness. Scand J Med Sci Sports 2008; 18 (Suppl. 1): 1–10.

      Kompaktinformation

      Ein Höhenaufenthalt löst im menschlichen Körper verschiedene physiologische Reaktionen aus. Diese Veränderungen betreffen

      ■ das Herz-Kreislauf-System,

      ■ den Gasaustausch in den Lungen,

      ■ Veränderungen im Blut und den Erythrozyten,

      ■ den Flüssigkeitshaushalt,

      ■ die Nieren,

      ■ das Hormonsystem.

      Zu unterscheiden ist zwischen akuten Veränderungen innerhalb der ersten Minuten in ungewohnter Höhe sowie chronischen Abläufen bei Aufenthalten über mehrere Wochen und Monate.

      Diese Kenntnisse sind zur Akklimatisation während Höhenaufenthalten hilfreich, um nicht durch höhentaktische Fehler krank zu werden. Viele dieser physiologischen Abläufe im Körper bemerkt man als Bergsteiger nicht.

      Zwei typische Veränderungen treten allerdings innerhalb von Minuten auf.

      ■ Anstieg der Herzfrequenz,

      ■ Zunahme der Atemfrequenz.

      Berghold F (Hrsg.): Lehrskriptum der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin, 2008.

      Domej W, Schwaberger G: Repetitorium der Höhenphysiologie. Alpinmed Rdbr 2008; 39: 3–5.

      Hornbein T, Schöne R: High altitude. New York: Marcel Dekker, 2001.

      Hultgren H: High altitude medicine. Stanfort: Hultgren Publications, 1997.

      Ward MP, Milledge JS, West JB: High altitude medicine and physiology, 3rd edn. London: Hodder Arnold, 2001.

      2.4 Blutgase und Säure-Basen-Haushalt

       W. Domej

      2.4.1 Änderung bei akuter Höhenexposition

      Eine kurzfristige Anpassung an die Höhe bedeutet Stress, bei der sowohl der Kreislauf als auch die Atmung gefordert werden.

      Bei entsprechender Hyperventilation kann die Höhenhypoxie bis zu einem bestimmten Grad ausgeglichen werden, sie führt allerdings auch zu Änderungen des Säure-Basen-Haushalts im Sinne einer respiratorischen Alkalose (Höhenalkalose). Diese bedingt, dass die Affinität des Hämoglobins zum angebotenen alveolären Sauerstoff zunimmt. Andererseits kommt es im Rahmen der Alkalose auch zu einem weniger erwünschten Effekt: Die Sauerstoffabgabefähigkeit des Hämoglobins in peripheren Geweben nimmt dabei

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